Armin Veh spricht über seine Aufgabe als Geschäftsführer beim 1. FC Köln, warum er nicht mehr Trainer sein will und über seine besondere Beziehung zum VfB Stuttgart.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Peter Stolterfoht (sto)

Stuttgart - Als Trainer des VfB Stuttgart ist Armin Veh 2007 mit den Spielern Andreas Beck, Christian Gentner und Mario Gomez Meister geworden. Am Sonntag treffen sie sich alle in Köln – in einer ungewohnten Konstellation. Armin Veh ist Geschäftsführer beim Tabellenletzten. Zur Bedeutung des Spiels für den FC sagt der 57-Jährige: „Wir haben zurzeit jede Woche wegweisende Partien. Und hoffentlich bleibt das auch so, denn das heißt: Wir sind weiter im Geschäft.“

 
Herr Veh, beim Karneval waren Sie als Pirat zu sehen und sagten, dass Sie hier noch zum Feierbiest werden. Da kann man wohl von der gelungenen Integration eines Schwaben in Köln sprechen.
Ich habe hier einen Karnevals-Crashkurs bekommen, zunächst mit der FC-Sitzung und dann mit dem Rosenmontagszug. Ich glaube, dass es ganz wichtig war, alles mitzumachen, sonst kann man dieses besondere Kölner Lebensgefühl auch nicht empfinden. Das wollte ich aber unbedingt. Der Rosenmontagszug hat fünf Stunden gedauert, mir kam es viel kürzer vor. An Karneval bin ich in Köln so richtig angekommen.
Der FC hatte drei Punkte, als Sie Mitte Dezember Geschäftsführer Sport in Köln geworden sind. Jetzt sind es 17 Punkte. Was ist passiert?
Dass einige verletzte Spieler zurückgekommen sind, war wichtig. Auch die beiden Neuzugänge Simon Terodde und Vincent Koziello haben gleich funktioniert. Trainer Stefan Ruthenbeck arbeitet konzentriert. Wir haben insgesamt Ruhe reingebracht.
Sie haben aber auch den Ex-Trainer Peter Stöger kritisiert, indem Sie der Mannschaft bei Ihrem Amtsantritt fehlende Fitness attestiert hatten. War da auch Taktik dabei, um den neuen Trainer Stefan Ruthenbeck von vornherein zu schützen, Druck von ihm zu nehmen?
Das hatte nichts mit Taktik zu tun. Mir war es nur wichtig, darauf hinzuweisen, dass Stefan Ruthenbeck nichts für die Situation kann. Er hat hier mit drei Punkten angefangen. Und zu diesem Zeitpunkt hatten wir auch noch 13 verletzte Spieler.
Zu der Aussage in Richtung Peter Stöger stehen Sie heute noch?
Ja, klar, warum sollte ich da umfallen?
Weil man es Ihnen als Nachkarten auslegen könnte.
Das hat nichts mit Nachkarten zu tun. Ich kann doch nicht sagen, dass drei Punkte aus 16 Spielen in erster Linie etwas mit Pech zu tun haben.
Was man auch sagen kann: der neutrale Fan in Deutschland scheint dem 1. FC Köln den Klassenverbleib deutlich mehr zu gönnen als dem Hamburger SV. Haben Sie dafür eine Erklärung?
Wenn das tatsächlich so ist, würde mich das natürlich sehr freuen. Das hat dann sicher damit etwas zu tun, wie wir die aussichtslos erscheinende Situation angenommen haben. Vielleicht spüren die Leute, dass wir alles versuchen und Teamgeist leben.
Eigentlich sollten Sie doch nur den Abstieg abwickeln. Mit einem Sieg über den VfB am Sonntag wäre Köln aber plötzlich voll im Rennen um den Klassenverbleib. Passt deshalb der Begriff „wegweisende Partie“?
Ja, aber wir haben zurzeit jede Woche wegweisende Partien. Und hoffentlich bleibt das auch so, denn das heißt: Wir sind weiter im Geschäft.
Damit konnten Sie in der Winterpause aber auch nicht rechnen.
Natürlich bin ich nicht blauäugig nach Köln gekommen, um dann zu sagen: Wir packen das. Uns war aber auch klar, dass wir eine Verpflichtung gegenüber den Fans und den Sponsoren, gegenüber der Stadt und der Liga haben, nichts abzuschenken. Deshalb haben wir auch keine Spieler verkauft und nicht frühzeitig den Umbruch für die zweite Liga eingeleitet. Diese Einstellung hat uns auch in die Position gebracht, ein kleines Wunder zu schaffen. Die Wahrscheinlichkeit, dass wir runtergehen, ist aber immer noch größer. Weshalb ich zweigleisig planen muss. Und das solltest du professionell und ohne Emotionen tun.
War es auch ein Vorteil, dass in einer aussichtslos erscheinenden Situation kein Druck auf der Mannschaft gelastet hat?
Nein, es ist immer Druck da. Du willst ja niemanden enttäuschen. Außerdem haben die Spieler auch in der Winterpause daran geglaubt, dass sie es schaffen können. Das zeigt sich ja auch in unserer Spielweise. Wir treten nicht auf wie ein Tabellenletzter.
Von der Gegenwart kurz in die Vergangenheit. Der 10. Februar war ein Armin-Veh-Nostalgie-Tag. Nachmittags waren Sie mit dem 1. FC Köln bei Ihrem Ex-Verein in Frankfurt, am Abend trafen Sie sich mit Ihrer VfB-Meistermannschaft von 2007 in Stuttgart zum Essen. Der Beleg für eine immer noch enge Beziehung?
Der VfB wird immer ein ganz besonderer Verein für mich bleiben. Das bringt diese unerwartete Meisterschaft natürlich mit sich. Wobei ich den VfB schon als Kind sehr gern gehabt habe. Der Titel war ein absoluter Höhepunkt. Das bleibt unvergesslich – nicht nur für den Trainer. Dadurch hat sich beim VfB und in seinem Umfeld, wenn nicht sogar im ganzen Schwabenland eine ganz besondere Euphorie entwickelt.
Was hat der Titel mit dem VfB 2007 für Sie zur Folge gehabt?
In der öffentlichen Wahrnehmung hatte das natürlich einen ganz anderen Stellenwert als der Zweitliga-Aufstieg mit Reutlingen und Fürth oder die Bundesliga-Rückkehr mit Eintracht Frankfurt, was auch keine Selbstverständlichkeiten waren. Deutscher Meister ist aber eine andere Hausnummer. Das sind ja auch noch nicht so viele Trainer geworden, wenn du nicht bei Bayern München warst. Nach einer Meisterschaft wirst du anders gesehen, obwohl du dich nicht verändert hast.
Manche Leute sehen in der Meisterschaft 2007 aber auch den Ausgangspunkt für den lang anhaltenden Abwärtstrend beim VfB. Nach dem Motto: Im Erfolg macht man die schwerwiegendsten Fehler. Wenn man zum Beispiel Spielern aus Dankbarkeit langfristige und hoch dotierte Verträge gibt.
Es ist völlig falsch, wenn gesagt wird, dass es mit der Meisterschaft bergab ging. Im Jahr darauf haben wir uns für den Uefa-Cup qualifiziert. Danach hat es der VfB zweimal in die Champions League geschafft. Es war eine extrem erfolgreiche Zeit, auch nachdem ich weg war. Also, wenn das ein Absturz war, würde ich gerne noch viele solcher Abstürze erleben.
Mit dem VfB ging es in dieser Saison auch zwischenzeitlich bergab. Was haben Sie gedacht, als zunächst Hannes Wolf entlassen und dann Tayfun Korkut als Trainer präsentiert wurde?
In so einer Situation verbiete ich mir grundsätzlich irgendwelche einschätzende Gedanken. Ich bin viel zu weit weg, um mir darüber ein Urteil erlauben zu können. Ich bin der festen Überzeugung, dass die handelnden Personen in der Bundesliga wissen, was sie tun. Dafür werden sie bezahlt, sprechen mit den Leuten und sehen, was passiert. Es wäre deshalb oberflächlich, wenn ich mich dazu äußern würde.
Als Zwischenbilanz kann man aber jetzt festhalten, dass es eine mutige Entscheidung war, die sich auszuzahlen scheint.
Es war eine Entscheidung, die – Stand jetzt – richtig war. Ganz einfach.
Sind Sie eigentlich froh, nicht mehr Trainer zu sein, oder vermissen Sie etwas in Ihrer Position als Manager?
Nein, weil ich ja auch wusste, was auf mich zukommt. Schließlich war ich ja nirgends nur Trainer, sondern habe immer auch Managertätigkeiten ausgeübt. Das hat mir immer Spaß gemacht. Auf der anderen Seite habe ich gemerkt, dass bei mir die Leidenschaft, Trainer zu sein, nicht mehr im notwendigen Maß vorhanden war. Das habe ich beim VfB festgestellt, als ich 2014 nach Stuttgart zurückkam. Erfahrung allein nützt nichts, das Wichtigste ist für mich die Leidenschaft, und die habe ich jetzt wieder für die Aufgabe in Köln.
Das heißt aber, dass es Sie als Trainer nicht mehr geben wird?
Also, definitiv will ich ja fast nichts ausschließen. Moment! Doch, eines kann ich definitiv ausschließen: dass ich beim 1. FC Köln irgendwann als Trainer auf der Bank sitzen werde.