Drei Spiele, drei Siege – Ex-VfB-Trainer Bruno Labbadia führt den VfL Wolfsburg zu ungeahnten Höhenflügen. Und zeigt dabei Parallelen zu einem ganz anderen Ex-Coach der Schwaben auf.

Leverkusen - Längst verblasste Erinnerungen drangen am Samstagabend in Leverkusen hinauf ins Bewusstsein vieler Gäste aus Wolfsburg. „Spitzenreiter, Spitzenreiter!“, sangen die Fans nach dem 3:1 ihres VfL am Rhein, das den Club ihrer Herzen auf Rang eins der Bundesligatabelle befördert hatte. Inklusive Pokal und Relegation hat der Verein nun Saisonübergreifend sechs Pflichtspiele in Folge gewonnen, woraufhin Maximilian Arnold sagte: „Das gab es seit der Meistersaison nicht mehr.“

 

Damals, im Jahr 2009, gewann der Club überraschend den Ligatitel mit dem Trainer Felix Magath, dessen umstrittene Methoden in diesem Sommer eine Renaissance in Wolfsburg erlebt haben. Zumindest in Teilen. Wie einst „Quälix“ Magath hat auch Labbadia seine Spieler in der Vorbereitung mit großer Härte getriezt, der Trainer sei zwischenzeitlich regelrecht „zum Feindbild“ der Spieler geworden, erzählte Yannick Gerhardt. „Teilweise war das sehr anstrengend, aber langsam verstehen wir, dass das okay war so.“ Ganz ähnlich wurde 2009 über Magath gesprochen.

Labbadia verändert die Mentalität der Mannschaft

Vermutlich sind die körperliche Fitness und die Qualen der Sommerpause aber nur ein Detail im Gesamtbild des neuen Erfolges. Ziemlich klar deutet sich vielmehr an, dass den Verantwortlichen das Kunststück gelungen ist, die Mentalität des in der Vergangenheit charakterlich schwierigen Teams zu verändern. „Wenn man sieht, wie die Stürmer arbeiten, mit Wout Weghorst und Daniel Ginczek, das ist schon sehr beeindruckend“, erklärte Arnold. „Das steckt natürlich andere an, und wenn elf Männer arbeiten, dann kommt manchmal was Gutes dabei raus.“

Weghorst, der im Vorjahr 18 Treffer für AZ Alkmaar in der ersten holländischen Liga erzielt hatte, könnte sich als elementare Verstärkung entpuppen. „Er hilft der Mannschaft, weil er sehr viele Meter macht und auch nicht abwinkt, wenn er nicht jeden Ball bekommt“, erklärte Gerhardt. Damit lobte der ehemalige Kölner nicht nur die Gegenwart, zugleich verriet er, wie vergiftet die Atmosphäre im Team im vergangenen Jahr war. Jetzt wirken die Wolfsburger sehr homogen. Linksverteidiger Jérôme Roussilon trug nicht nur zur defensiven Stabilität bei, sondern bereitete mit einer präzisen Flanke Weghorsts 2:1 vor. Gerhardt erzwang Ramazan Özcans Eigentor zum 1:1 und war an fast allen gefährlichen Wolfsburger Angriffen beteiligt, und Winterzugang Renato Steffen veredelte seine gute Leistung mit dem Tor zum 3:1. „Mit unserem Positionsspiel und unserer Intensität haben wir den Leverkusenern weh getan“, sagte Labbadia und formulierte die These, dass sein Team aus den Relegationsspielen gegen Kiel am Ende der Vorsaison „viel Kraft“ gezogen habe.

Schmadtke warnt vor zu großer Euphorie

Wie lange diese Kraft hält, lässt sich derart früh in der Saison natürlich kaum seriös prognostizieren, aber der Spielplan bringt Chancen, den Schub des guten Saisonstarts noch zu verstärken. Nach der Länderspielpause folgen zwei Heimspiele gegen Hertha BSC und den SC Freiburg, in denen der Club die Möglichkeit hat, sich bis weit in den Herbst hinein in der oberen Tabellenregion festzusetzen. Wobei Jörg Schmadtke, der Großmeister der Beschwichtigung, darum bat, nicht allzu wild zu träumen und mit Ausblicken abzuwarten, „bis die Blätter richtig runter fallen“. So sieht das auch Maximilian Arnold: „Wir sollten den Ball flach halten.“ Aber natürlich freute sich auch der Sportchef über den Charakter des VfL-Ensembles, das Mitte der ersten Hälfte durch einen Treffer von Leon Bailey in Rückstand geraten war. Im Vorjahr folgten solchen Misserfolgsmomenten oft Phasen der totalen Verunsicherung, im neuen Spieljahr bleibe „die Mannschaft nach Rückständen sattelfest und stabil“, so Schmadtke..

Labbadia: „Wir machen kein Geschiss, wenn einer fehlt.“

Oder liegt es am Ende an etwas ganz anderem? Am Wolfsburger Baby-Boom? „Das kann schon einen Schub geben“, sagte Renato Steffen, einer von sechs Jung-Vätern im VfL-Team. Der Schweizer, der am vergangenen Samstag nach dem 2:1 zum Auftakt gegen Schalke die Geburt von Sohn Lian erlebte, ergänzte mit einem Schmunzeln: „Aber ich kann ja jetzt nicht jede Woche ein Kind bekommen. Ich muss probieren, das irgendwie anders zu kompensieren.“ Auf den ersten Blick entstehen dem Team durch die Geburtenwelle auch Nachteile. Am Samstag fehlte kurzfristig Koen Casteel. Zu Hause war der Baby-Alarm losgegangen.

Doch die Väter-Euphorie macht den Verlust offenbar wett. Labbadia: „In Hessen sagt man: Wir machen kein Geschiss darum, wenn einer fehlt.“