Es wirkt wie ein Déjà-vu – für Hannes Wolf und jene, die den Trainer einst beim VfB Stuttgart beobachtet haben. Nun soll der 36-Jährige den Hamburger SV nach oben führen. Wir blicken auf die Parallelen zum VfB.

Sport: Dirk Preiß (dip)

Hamburg/Stuttgart - Wer eine Lage versucht einzuschätzen, begibt sich gerne auf die Suche nach Vergleichen. Gab es etwas Ähnliches? Kann ich mich orientieren? Gibt’s Erfahrungswerte? Sollte Hannes Wolf am Montag und Dienstag so agiert haben, war die Suche recht schnell beendet.

 

Der Trainer, geboren in Bochum, wohnhaft in Dortmund, hat einst den VfB Stuttgart zurück in die Bundesliga geführt. Seit Dienstag ist er Chefcoach beim Hamburger SV – mit ebenso klarem Auftrag, wie einst in Stuttgart. Trainer, bitte wiederholen Sie!

„Er weiß, wie man aufsteigt“, sagte am Dienstagabend der Sportdirektor des Hamburger Zweitligisten, Ralf Becker. Und auch bei dessen Worten hörte Wolf ein bisschen VfB. Becker war einst Nachwuchschef in Stuttgart, die Sprache verrät seine Herkunft. Becker ist seit dieser Saison schwäbelnder Hamburger – und Hannes Wolf nun sein Mann: „Er war für mich der absolute Topkandidat für den HSV.“ Christian Titz war es nicht mehr.

Titz muss gehen – trotz geholter 18 Punkte

Im Frühjahr noch hatte der nun entlassene Coach dem HSV ein Fünkchen Hoffnung zurückgegeben. Auf den Klassenverbleib in Liga eins, aber auch auf eine Zukunft mit jungen Spielern sowie attraktivem und unerschrockenem Fußball. Fans und Profis waren begeistert – doch auf dem harten Weg zurück ins Oberhaus ist der Dino schon wieder ins Stolpern geraten. 18 Punkte sind zwar alles andere als eine grausige Bilanz, die Aufstiegsränge sind in Reichweite, Becker meinte dennoch: „Wir hätten in dieser Konstellation unsere Saisonziele gefährdet.“ Die spielerische Entwicklung macht Sorgen. Weshalb nun Hannes Wolf sagen durfte: „Vollgas voraus.“ Und: „Es war schnell klar, dass ich das mache.“ Warum auch nicht? Schließlich kann sich der 36-jährige Fußballlehrer ja darauf berufen, eine nahezu identische Situation schon einmal gemeistert zu haben. Ein seit Jahren in Schieflage segelnder Traditionsverein, ein Einstieg nach wenigen Spieltagen, die qualitativ wohl beste Mannschaft der Liga, ein Club, der sich kein zweites Jahr im Unterhaus leisten kann und will – ergibt zusammengefasst: eine Art Aufstiegspflicht. Dass er einst als Juniorentrainer große Erfolge feierte und als Spielerentwickler gilt, machte für den HSV das Paket komplett.

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Wer den Antrittsauftritt Wolfs verfolgt hat, der sah auch beim Trainer die Parallelen zu seiner Startzeit beim VfB. Nur ganz wenig Nervosität, immer wieder sein spitzbübisches Lächeln, die spezielle Wortwahl. „Eine gute Haltung zum Spiel“ am Freitag in Magdeburg forderte er schon vor dem ersten Training mit seiner neuen Mannschaft, auf die er am Mittwochvormittag trifft. „Schärfe“ erwartet er zudem, auch „Konstanz, Fitness und Power in der Mannschaft“. Aus der „Intensität heraus“ gelte es, „fußballerische Lösungen zu entwickeln“. Die er am Ende in Stuttgart nicht mehr gefunden hatte.

Neue Tücken in der Bundesliga

Nach seinem Amtsantritt beim VfB im September 2016 hatte er schnell die von Jan Schindelmeiser verpflichteten jungen Spieler (Benjamin Pavard, Carlos Mané) eingebaut, ein berauschendes erstes Heimspiel hingelegt (4:0), aber auch Rückschläge hinnehmen müssen (0:5 in Dresden). Kleinere Krisen stand er aber recht souverän durch, sodass es am Ende zwar nicht klar, aber doch recht sicher mit dem Aufstieg klappte. Wolf galt mehr denn je als Senkrechtstarter, doch die Bühne Bundesliga bot für den Neuen Tücken.

Zunächst verlor er in Schindelmeiser einen Vertrauten, sein Team wurde von dessen Nachfolger Michael Reschke um erfahrene Spieler ergänzt. Am Ende der Vorrunde begann eine Serie, die ihn am Ende erst die eigene Überzeugung kostete, und dann seinen Job. Vor allem die Routiniers soll Wolf nicht mehr hinter sich gehabt haben. Eine klare Spielidee war kaum zu erkennen. Ende Januar übernahm Tayfun Korkut.

In Hamburg wartet nun ein nahezu identischer Mix auf Wolf, der andere Angebote in den vergangenen Monaten abgelehnt hat – aber: mit viel mehr Explosionsgefahr. Das zeigte sich schon kurz nach der Bekanntgabe der Trennung von Titz. Stürmer Jann-Fiete Arp machte über die sozialen Netzwerke deutlich, dass er wenig vom Rauswurf hält. „Nicht zu akzeptieren“ sei das, meinte Becker. Womöglich wird noch sanktioniert.

Der VfB wird finanziell entlastet

Hannes Wolf, der Trainer des Jahres 2017, setzt dagegen auf „die Offenheit“ der Spieler, dass der HSV ein Club mit regem Trainerverschleiß ist, schockt ihn nicht – auch das kennt er ja aus Stuttgart. „Hochleistungssport ist immer Chance“, sagte er dazu.

Seine zweite Chance im Profifußball ist der Vertrag bis 2020, der den VfB finanziell entlastet. In Stuttgart stand Wolf noch bis Mitte 2019 auf der Gehaltsliste. Co-Trainer Miguel Moreira begleitet ihn diesmal nicht. „Er möchte derzeit nicht umziehen“, sagte Wolf. Bei ihm selbst dagegen „brennt das Feuer zu 100 Prozent“, bei Jürgen Klopp hat er im Sommer noch hospitiert, voll motiviert startet er nun mit einer englischen Woche.

In die Mission Aufstieg, Teil zwei.