Die Fluggesellschaft Etihad expandiert um fast jeden Preis. Doch nicht nur Umweltschützer halten den ohne Rücksicht auf Verluste verfolgten Kurs inzwischen für riskant.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Abu Dhabi - Für Peter Baumgartner war es die Chance seines Lebens, wie er selbst sagt. Jetzt oder nie – das sei damals die Wahl gewesen, sagt der Schweizer über seine Entscheidung für Etihad Airways: „Damals wusste ich nicht einmal, wo Abu Dhabi auf der Landkarte zu finden ist.“ Trotzdem wagte der frühere Swissair-Manager vor neun Jahren den Sprung in die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und leitet heute als Vorstand die am schnellsten wachsende Airline der Welt.

 

          Im Innovationszentrum, das kürzlich im Stadtteil Al Maqta der rasant wachsenden Hauptstadt Abu Dhabi eröffnet wurde, präsentiert der Etihad-Manager ausgewählten Besuchern stolz die neuen Entwicklungen. Darunter ein Gebetsraum mit würfelförmigem Mekka-Indikator: Die islamische Kundschaft soll auch 10 000 Meter über dem Erdboden ungestört Allah preisen können – und das wie vorgeschrieben immer in der Himmelsrichtung der heiligen Stadt Mohammeds.

  Beim Rundgang durch die in Originalgröße aufgebauten Abteile, in denen auch das Kabinenpersonal geschult wird, merkt der Besucher rasch, dass es an Geld bei der staatlichen Fluglinie des unfassbar reichen Ölemirats offenkundig ebenso wenig fehlt wie an Ideen und solventen Kunden. Man werde einen neuen Standard für Komfort und Luxus über den Wolken definieren, sagt Baumgartner.

  In der Flugbranche bereiten die neuen Luxusangebote von Etihad einige Aufregung. Erstmals können Fluggäste an Bord des Airbus 380 ein komplettes Apartment mit Wohnzimmer, Schlafzimmer mit Doppelbett und eigenem Duschbad mieten. Auch ein persönlicher Butler steht bereit. Ab 18 000 Dollar soll der Spaß auf der Strecke London–Abu Dhabi zu haben sein.   Wie teuer der aufwendige Entwicklungsprozess war, will Baumgartner nicht verraten. Auch Partnerunternehmen wie Air Berlin sollen von den teuren Entwicklungen profitieren. Die Araber streben ein möglichst hohes und einheitliches Angebotsniveau in ihrer rasch wachsenden Flugallianz an. 

Der Aufstieg von Etihad ist beispiellos

Der Aufstieg von Etihad Airways ist in der Geschichte der Luftfahrt beispiellos. Erst 2003 gestartet, beförderte die nationale Fluglinie voriges Jahr über ihr ebenfalls stark wachsendes Drehkreuz am Golf bereits 11,5 Millionen Passagiere zu mehr als 100 Destinationen rund um den Globus. Die etablierte Konkurrenz von Lufthansa & Co. sieht die Expansion mit einer Mischung aus Neid, Sorge und Kritik, denn ohne die Millionen Öldollars, die tagtäglich in die Kassen der Emirate fließen, wäre so eine Erfolgsgeschichte nicht möglich.

  Der Verdrängungskampf wird sich noch dramatisch verschärfen, denn wie Emirates, die andere ebenso aggressiv wachsende Airline der Vereinigten Arabischen Emirate, will auch Etihad die Flotte massiv ausbauen. „Weitere 70 Maschinen werden bis 2020 geliefert“, sagt Baumgartner. Auf der Dubai Air Show hat Etihad vorigen November Furore gemacht, und zwar mit einem Rekordauftrag an Airbus und Boeing über 199 neue Flieger für die Gesamtsumme von 67 Milliarden US-Dollar. Derzeit umfasst die Flotte schon 96 Maschinen. Insgesamt 220 weitere sind bestellt, darunter 71 Boeing-Dreamliner, 62 Airbus A350 und 10 weitere Riesen vom Typ A380.

  Die Araber verfolgen mit Hilfe von Beratern, Managern und einem Heer von billigen Arbeitskräften aus aller Welt eine klar angelegte Strategie. Die Emirate sollen, wenn dereinst die Ölressourcen aufgezehrt sind, zum Wirtschafts-, Finanz- und Tourismusmagneten geworden sein, der den Wohlstand auch ohne das schwarze Gold sichert. Dafür werden immer neue gigantische Flughäfen in den Wüstensand gesetzt und der Flugverkehr ausgebaut, damit die Emirate aus aller Welt leicht und schnell erreichbar sind. Die Besucher sollen trotz tagsüber oft 40 Grad Hitze und mehr möglichst lange bleiben und viel Geld in klimatisierten Luxushotels, Einkaufszentren, Museen, Sportstätten, Konzertarenen und Vergnügungsparks ausgeben, die für viele Hundert Milliarden Euro bereits entstanden sind und weiter entstehen. Kritiker halten den Bauboom in der Wüste wegen der Umwelt- und Klimabelastung für eine ökologische Katastrophe.

Etihad folgt dem Masterplan der Herrscher

Auch Etihad folgt strikt und mit Milliardeninvestitionen dem Masterplan der Herrscher. Entlang der wichtigsten internationalen Flugrouten zwischen  Europa, Amerika, Asien und Australien schließt Vorstandschef James Hogan gezielt Bündnisse mit nationalen Anbietern, um in die oft abgeschotteten  Märkte und an die begehrten Start- und Landerechte zu kommen. Nach dieser Logik kaufte Etihad bereits Anteile an Virgin Australia, der Nummer 2 dort nach Quantas, an der indischen Jet Aiways, an Air Seychelles, der irischen Aer Lingus, Air Serbia und der Schweizer Darwin Airline.   Die teure Rettung von Air Berlin ist nur ein weiterer, aber wichtiger Mosaikstein. Mehrere 100 Millionen Euro hat Etihad bereits in die weiterhin tief in der Verlustzone fliegende Airline gepumpt.

Trotzdem betont Etihad-Chef Hogan, dass sich die Beteiligung von rund 29 Prozent schon im ersten Jahr ausgezahlt habe, denn mehr denn je befördert die zweitgrößte deutsche Fluglinie als Zubringer nun in sechs Stunden  Touristen, Geschäftsleute und Kongressteilnehmer nach Abu Dhabi, die zunehmend auch dort bleiben. Bis jetzt sind 70 Prozent der Gäste nur auf der Durchreise.

  Die Expansion von Etihad und die extremen Steuervergünstigungen in den Emiraten ziehen Fachleute aus der ganzen Welt nach Abu Dhabi. „Allein in den letzten 18 Monaten hat sich unsere Belegschaft auf 18 000 Mitarbeiter aus 140 Nationen verdoppelt, 2020 sollen es dann bis zu 28 000 sein“, sagt Baumgartner. Rekrutierungsprobleme sieht der Manager nicht mehr: Die Bewerber stünden Schlange.