Der Missbrauch in einer Kita in Schwieberdingen macht ratlos. Jörg Fegert ist Leiter der Ulmer Kinderpsychiatrie und gibt Ratschläge, wie Erzieher und Eltern aufmerksamer werden können.

Stuttgart - Sind die bekannt gewordenen Fälle in Schwieberdingen und Heilbronn nur die Spitze des Eisbergs? Jörg Fegert geht von dramatisch hohen Zahlen aus.

 
Herr Fegert, wie können Kindergärten Missbrauch vermeiden?
Zunächst gilt es, eine Sensibilität für das Risiko zu entwickeln. Dazu gehört das Vorgehen bei Einstellungen, auch bei Aushilfskräften oder Praktikanten.
Sind Schwieberdingen und Heilbronn nur Einzelfälle – oder ein furchtbarer Trend?
Es sind einzelne Fälle, die medial Beachtung finden. Der eigentliche Skandal ist die ganze Dimension. Durch Befragungen wissen wir, dass sieben Prozent der Bevölkerung sexuelle Gewalt erfahren haben. In Institutionen wie Kitas, Schulen, Vereinen oder Kirchen betrifft es ein bis zwei Prozent der Bevölkerung. Dies sind Zahlen, die wir uns nicht vorstellen können.
Was kann jeder Einzelne tun?
Wir müssen in der Lage sein, Kindern frühzeitig Gehör und Glauben zu schenken und rechtzeitig Hilfen zu installieren. Eltern, Klassenkameraden und anderen Vertrauenspersonen von Kindern kommt eine besondere Rolle zu. Auch in diesem Fall waren es Eltern, die wesentliche Hinweise gegeben haben.
Muss der Gesetzgeber strengere Vorschriften und Regeln erlassen?
In den vergangenen Jahren wurde das Sexualstrafrecht vielfach verschärft. Letztlich geht es um eine Haltung in der Gesellschaft, um ein Ernstnehmen im Alltag.
Wird die Lage immer schlimmer?
Nein, die Lage ist seit vielen Jahren ähnlich dramatisch. Aber die öffentliche Wahrnehmung ist erfreulicherweise größer geworden. Das trägt zur Sensibilisierung bei.