Auf eine stationäre Behandlung im Krankenhaus kann oft verzichtet werden, sagen Medizinexperten. Gerade minimalinvasive Eingriffe können ambulant passieren.

Der baden-württembergische Landesgeschäftsführer der Barmer-Krankenkasse, Winfried Plötze, hat im Gespräch mit unserer Zeitung auf das große Potenzial ambulanter Operationen hingewiesen. Würde es genutzt, würden sich stationäre Aufnahmen in Krankenhäusern vermeiden lassen, was die gesetzlichen Krankenversicherungen auch entlasten würde.

 

Krankenhäuser sind teuer

Ein Drittel aller Ausgaben der Krankenkassen entfällt auf die Krankenhäuser, nur knapp 18 Prozent auf die ärztliche Versorgung und gut 17 Prozent auf Arzneimittel. „Viele Eingriffe könnten statt stationär ambulant gemacht werden. Statt ein paar Tagen genügen manchmal ein paar Stunden im Krankenhaus“, sagte Plötze. Der Katalog ambulant durchführbarer Operationen müsse von der Selbstverwaltung im Gesundheitssystem dringend weiterentwickelt werden.

Fast 2500 weitere Eingriffe sind ambulant möglich

Ein Gutachten des Instituts für Gesundheits- und Sozialforschung (IGES) hat bereits im April 2476 Leistungen genannt, die neu in den Katalog aufgenommen werden könnten. Darunter sind Eingriffe an der Haut und am Auge, aber auch am Muskel- und Skelettapparat. Vor allem aber Diagnoseverfahren, die mit endoskopischen Geräten erfolgen. Die Topkandidaten für eine ambulante OP sind die relativ häufigen endoskopischen Untersuchungen an der Speiseröhre, dem Magen oder Zwölffingerdarm, aber auch eine Biopsie an diesen Organen sowie an den Gallengängen. Auch der minimalinvasive Verschluss eines Leistenbruchs oder die minimalinvasive Entfernung des Wurmfortsatzes am Blinddarm zählt zu den 20 wichtigsten „ambulanten Kandidaten“.

Jeder dritte Patient ist nur kurz in der Klinik

In einer Zweitstudie hat das zur Barmer gehörende Institut für Gesundheitsforschung (BFIG) kürzlich anhand von Versichertendaten nachgelegt und neue Zahlen genannt: Demnach könnten neun Prozent der stationären Leistungen bundesweit auch ambulant erbracht werden. Dieser Wert ist auch für Baden-Württemberg im Durchschnitt ermittelt worden, nur in einigen Landkreisen – Ludwigsburg, Lörrach, Alb-Donau- und Ostalbkreis – liegt das Potenzial, Operationen ambulant durchzuführen, höher als elf Prozent. „Vor allem bei jüngeren Patienten könnten bestimmte Eingriffe auch ambulant erfolgen“, sagt Plötze. Insbesondere bei Älteren müsse die Nachsorge daheim gewährleistet sein.

Die Größe einer Klinik spielt nur eine unwesentliche Rolle, ob das Potenzial ambulanter OPs ausgeschöpft wird – nur in großen Hospitälern mit mehr als 1000 Betten ist der Trend im Südwesten etwas stärker. Laut Statistischem Landesamt lagen im Jahr 2019 drei Prozent aller Patienten und Patientinnen in Baden-Württemberg „weniger als einen Tag im Krankenhaus“, jeweils 16 Prozent waren dort einen Tag oder zwei Tage. Zusammengerechnet absolvierte also jeder dritte Klinikpatient einen Kurzaufenthalt.