In Tübingen beginnt am Mitttwoch der deutsche Suchtkongress. Auch die Nikotin-Sucht in ihren verschiedenen Formen beschäftigt die Experten.

Stuttgart - Eigentlich schmecken Zigaretten gar nicht, zumindest am Anfang. Auf die ersten Züge am Glimmstengel reagiert der Körper des potenziellen Rauchers wie auf ein Gift: ihm wird übel, schwindelig, gefolgt von Kopfschmerzen und Kreislaufproblemen. Doch schnell überwiegen psychische Faktoren: Je nach Persönlichkeit wird der Griff zur Zigarette zur Entspannung, zur Konzentrationsförderung, zum Stressabbau oder einfach nur zum Festhalten eingesetzt. Und dann entwickelt sich die zunächst nur schlechte Angewohnheit sehr schnell zur Sucht.

Im Augenblick des Anzündens verwandelt sich der Glimmstengel in einen kleinen chemischen Reaktor, der mehr als 4000 verschiedene Verbindungen freisetzt. Hunderte dieser Substanzen wirken toxisch, nicht wenige krebsauslösend. Verantwortlich für die Sucht ist das Nikotin, das innerhalb weniger Sekunden ins Gehirn gelangt und dort an bestimmte Rezeptoren andockt. Durch diese speziellen Bindungsstellen, die sogenannten nicotinergen Acetylcholinrezeptoren, kann Nikotin eine Reihe biologischer Reaktionen auslösen: Der Blutdruck steigt, die Herzfrequenz nimmt zu, geistige und körperliche Leistungsfähigkeit steigen.

Hinzu kommt, dass durch das Nikotin bestimmte Botenstoffe vermehrt ausgeschüttet werden: Serotonin und Noradrenalin sind für den Wohlfühlaspekt des Rauchens verantwortlich, Dopamin gilt als Belohnungssubstanz und lässt den Süchtigen immer wieder zum Glimmstengel greifen. Wer regelmäßig raucht, besetzt die Rezeptoren im Gehirn durch das Nikotin. Der Körper reagiert mit einer Gegenregulation: es werden mehr Rezeptoren gebildet. Fehlt das Nikotin, um diese zu besetzen, reagiert der Körper mit diversen Entzugserscheinungen.

Beste Chancen für Freizeitraucher


"Aufgrund dieser physiologischen Veränderungen ist Rauchen eine Sucht und nicht nur eine schlechte Angewohnheit oder ein Lifestyleproblem", erklärt Anil Batra, Oberarzt an der Tübinger Uniklinik für Psychiatrie und Psychotherapie und Leiter des Arbeitskreises Raucherentwöhnung. Doch bisher wird Tabaksucht von den Kassen nicht als Krankheit anerkannt - obwohl die Bundesärztekammer dies für sinnvoll hielte. Doch dann müssten die Kosten für die Raucherentwöhnung zumindest teilweise von den Kassen übernommen werden. Auch nach den Kriterien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) kann man die Tabakabhängigkeit als Krankheit bezeichnen. Immerhin kann Rauchen diverse, oft tödlich endende Krankheiten verursachen. Lungenkrebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Schlaganfälle sind nur wenige Beispiele dafür. Jährlich sterben in Deutschland etwa 140.000 Menschen an den Folgen des Rauchens.

Doch wer sich der Sucht stellen möchte, hat es nicht leicht. Wer eine langjährige Raucherkarriere beenden möchte, braucht einen starken Willen und Durchhaltevermögen. Denn nicht nur die körperlichen Entzugserscheinungen wie etwa Nervosität machen dem Süchtigen zu schaffen, je nach Person unterschiedlich stark. Diese Symptome verschwinden nach einiger Zeit.

Sehr viel länger dauern die psychischen Aspekte der Abhängigkeit. Diese sind individuell verschieden. An der Tübinger Uniklinik untersucht man daher die individuellen Aspekte bei der Raucherentwöhnung. Aufgrund ihrer Studien identifizierten die Tübinger Wissenschaftler vier verschiedene Gruppen der süchtigen Raucher: "Da sind zunächst die Freizeitraucher, die im normalen Alltag immer wieder zur Zigarette greifen", erklärt Anil Batra. Dieser Personenkreis zeichne sich durch eine gute Erfolgsquote bei der Entwöhnung aus. Immerhin waren 43 Prozent dieser Personen nach einem Jahr noch abstinent. In einer zweiten Gruppe wurden Raucher zusammengefasst, die sehr stark körperlich vom Nikotin abhängig sind. Sie leiden besonders unter ihren Entzugserscheinungen, wie etwa Schlaflosigkeit, gesteigerten Appetit oder Konzentrationsstörungen. In dieser Gruppe hatten immerhin noch 34 Prozent ihre Sucht innerhalb des einen Jahres im Griff.