Kultur: Stefan Kister (kir)

Wie sich Authentizität und Konstruktion in seinen Romanen aufeinander beziehen, ist überhaupt die entscheidende Frage. Sie führt nach Puntigam, der Heimat des Privatdetektivs. Für Haas ein Fantasieort, den er sich auf dem Atlas ausgesucht hat, ohne je dort gewesen zu sein. Doch immer wieder kommen Leute aus Puntigam, die ihm bestätigen, es sei exakt wie in seinen Büchern. Und zur Wechselwirkung zwischen dem Reich der Zeichen und der Wirklichkeit gehört auch, wie in seinem letzten Roman unversehens in die Lust am freien Spiel des sich selbst reflektierenden Textes eine schmerzvolle Passage eindringt, die letzte Nacht am Sterbebett des eigenen Vaters. „Es gibt Momente, da gerät man beim Schreiben an einen schmalen Grat, wo man es mit der Angst zu tun bekommt und unsicher ist, ob man weitergehen soll. Aber diese Angst mobilisiert Energien, und viele Dinge, die im Nachhinein bewusst und souverän wirken, sind in Wirklichkeit deshalb entstanden, um eine Katastrophe zu verhindern.“

 

Haas, ein sympathischer Schlacks, in dessen gelassenem Habitus sich Konzentration und Witz, Schlagfertigkeit und Zurückhaltung liebenswert zusammenraufen, erzählt lachend vom ernsten Hintergrund seiner zuweilen entwaffnend komischen Texte. Einzig die Frage, woran er gerade arbeite, könnte ihm das Lachen vertreiben: „Ich sage das nie vorher. Angenommen, ich hätte jemandem verraten, dass das ,Wetter vor 15 Jahren‘ ein Roman in Form eines Interviews wird – schon das geringste Augenbrauenzucken hätte genügt, dass alles in sich zusammenfällt wie ein Soufflé, in das man hineinsticht.“

Schüttelreime als Grundlage von Gebrauchstexten

Im Café Oberlaa erfreuen sich ältere Damen mehr an monumentalen Torten, als dass sie sich für wichtige Schriftsteller, Nationalhelden gar interessieren. Im Café Brückl wäre das anders gewesen, dort hätte man kaum einen Tisch gefunden, an dem nicht ein Interview geführt worden wäre. Thomas Bernhard, erzählt Haas, war immer im Café Bräunerhof. „In einem Buch wird das häufiger erwähnt, das hat dazu geführt, dass heute auf der Speisekarte Bernhard-Zitate stehen.“

Haas liebt Wien, auch wenn es im Zentrum ein wenig wie ein Stadt gewordenes Café Bräunerhof wirkt. 1960 wurde er in einem Dorf im Salzburgischen geboren. Sein Studium in Salzburg schloss er mit einer Dissertation über die „Sprachtheoretischen Grundlagen der konkreten Poesie“ ab. Es folgte eine Praxis in einer Agentur, die man vielleicht so zusammenfassen könnte: der Schüttelreim als Grundlage einprägsamer Gebrauchstexte. Der Slogan „Lichtfahrer sind sichtbarer“ geht auf Haas zurück. „Ich habe einen innerlichen Zwang, Schüttelreime zu bilden und die Vernunft, in der man sich geradlinig bewegt, immer wieder infrage zu stellen. Ich muss mir das manchmal verbieten.“

Jetzt schreibt Wolf Haas für die Stuttgarter Zeitung. In der Reihe „Extrablatt“ hat er sich mit seiner Kollegin, der Schriftstellerin und Zeichnerin Teresa Präauer zusammengetan. In der nächsten Woche werden sie präsentieren, wie ihrer Ansicht nach eine Kulturseite auszusehen hat. Nur so viel sei an dieser Stelle schon verraten, nämlich dass künftig nicht nur Galerien, Theater und Konzertsäle zu den Brennpunkten kulturellen Geschehens zählen, sondern auch: Tankstellen.

Gleich im ersten Brenner-Roman gibt es übrigens einen Tankstellenbrand. Haas befragte für diese Szene einen Feuerwehrmann, der ihm geschildert hat, wie man sich fühlt, wenn man zu einer brennenden Tankstelle kommt. Dann war das Tonband mit der Aufnahme plötzlich weg. „Ich war so stinkwütend auf mich, dass ich das ganze Gespräch aus einem Zwischenspeicher meines Gehirns rekonstruiert und hingetippt habe – das wurde dann ein wichtiger Baustein für den Brenner-Stil.“

Ach, wie schön ist es in Puntigam

Wie sich Authentizität und Konstruktion in seinen Romanen aufeinander beziehen, ist überhaupt die entscheidende Frage. Sie führt nach Puntigam, der Heimat des Privatdetektivs. Für Haas ein Fantasieort, den er sich auf dem Atlas ausgesucht hat, ohne je dort gewesen zu sein. Doch immer wieder kommen Leute aus Puntigam, die ihm bestätigen, es sei exakt wie in seinen Büchern. Und zur Wechselwirkung zwischen dem Reich der Zeichen und der Wirklichkeit gehört auch, wie in seinem letzten Roman unversehens in die Lust am freien Spiel des sich selbst reflektierenden Textes eine schmerzvolle Passage eindringt, die letzte Nacht am Sterbebett des eigenen Vaters. „Es gibt Momente, da gerät man beim Schreiben an einen schmalen Grat, wo man es mit der Angst zu tun bekommt und unsicher ist, ob man weitergehen soll. Aber diese Angst mobilisiert Energien, und viele Dinge, die im Nachhinein bewusst und souverän wirken, sind in Wirklichkeit deshalb entstanden, um eine Katastrophe zu verhindern.“

Haas, ein sympathischer Schlacks, in dessen gelassenem Habitus sich Konzentration und Witz, Schlagfertigkeit und Zurückhaltung liebenswert zusammenraufen, erzählt lachend vom ernsten Hintergrund seiner zuweilen entwaffnend komischen Texte. Einzig die Frage, woran er gerade arbeite, könnte ihm das Lachen vertreiben: „Ich sage das nie vorher. Angenommen, ich hätte jemandem verraten, dass das ,Wetter vor 15 Jahren‘ ein Roman in Form eines Interviews wird – schon das geringste Augenbrauenzucken hätte genügt, dass alles in sich zusammenfällt wie ein Soufflé, in das man hineinsticht.“

Schüttelreime als Grundlage von Gebrauchstexten

Im Café Oberlaa erfreuen sich ältere Damen mehr an monumentalen Torten, als dass sie sich für wichtige Schriftsteller, Nationalhelden gar interessieren. Im Café Brückl wäre das anders gewesen, dort hätte man kaum einen Tisch gefunden, an dem nicht ein Interview geführt worden wäre. Thomas Bernhard, erzählt Haas, war immer im Café Bräunerhof. „In einem Buch wird das häufiger erwähnt, das hat dazu geführt, dass heute auf der Speisekarte Bernhard-Zitate stehen.“

Haas liebt Wien, auch wenn es im Zentrum ein wenig wie ein Stadt gewordenes Café Bräunerhof wirkt. 1960 wurde er in einem Dorf im Salzburgischen geboren. Sein Studium in Salzburg schloss er mit einer Dissertation über die „Sprachtheoretischen Grundlagen der konkreten Poesie“ ab. Es folgte eine Praxis in einer Agentur, die man vielleicht so zusammenfassen könnte: der Schüttelreim als Grundlage einprägsamer Gebrauchstexte. Der Slogan „Lichtfahrer sind sichtbarer“ geht auf Haas zurück. „Ich habe einen innerlichen Zwang, Schüttelreime zu bilden und die Vernunft, in der man sich geradlinig bewegt, immer wieder infrage zu stellen. Ich muss mir das manchmal verbieten.“

Also keine Reime mehr? „Gans im Gegenteil“ – damit ist die Brücke zu der im nahen Café Engländer wartenden Teresa Präauer geschlagen. Denn so lautet der Titel eines Bilderbuchs, bei dem die beiden schon einmal zusammengearbeitet haben, worin sich Präauer ihren bildnerischen Reim auf das problematische Verhältnis von Fuchs und Gans und Verse wie den folgenden gemacht hat: „Wie unsympathisch! Diese Schämfrisur macht automatisch eine Problemfigur.“