Seltenes Wetterphänomen in Deutschland: Wieder ist ein Tornado gesichtet worden. Dieses Mal sind Schäden ausgeblieben. Fragen und Antworten zu dem atmosphärischen Luftwirbel.
Ein Tornado ist am Dienstagabend (23. Juli) in Schleswig-Holstein über die Elbe und auf das Land bei Brokdorf gezogen. In Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen wurden bereits am 12. Juli insgesamt vier Tornados gesichtet. Nimmt die Zahl der Tornados in Deutschland zu? Fragen und Antworten zu einem hierzulande seltenen Extremwetterphänomen.
Was macht einen Tornado aus?
Der Deutsche Wetterdienst (DWD) in Offenbach bestätigt, dass es sich bei dem Windtrichter am Dienstagabend um einen Tornado gehandelt hat. „Das ist eindeutig. Auf dem Bild sieht man eine schöne, auskondensierte Trichterwolke, die bis zum Boden reicht. Und das ist genau die Definition“, sagt Christian Herold, der zur Tornado-Expertengruppe beim DWD gehört.
Die Verwirbelung am Boden gehöre zwingend dazu, um aus einem Wolkentrichter einen echten Tornado machen zu können. „Wenn dort dann auch etwas aufgewirbelt wird, wie hier zum Beispiel Wasser, dann ist das ein eindeutiger Fall“, so der Meteorologe. Ein Sprecher der Feuerwehr bestätigte, dass keine Schäden durch den Tornado entstanden sind.
Wie entsteht ein Tornado?
Tiefstehende Schauer- und Gewitterwolken sind Grundvoraussetzung für die Entstehung eines Tornados, erläutert der DWD-Tornado-Experte Andreas Friedrich. Wenn der Wind vom Boden bis zur Wolke zudem Richtung und Geschwindigkeit ändere, beginnen die Luftmassen sich zu drehen.
Damit sich der sogenannte Wolkenrüssel bildet, müsse die aufsteigende Luft sehr feucht sein. „Die aus dem Wolkenrüssel freigesetzte Energie führt dazu, dass die Luft sich immer schneller dreht.“
Wie häufig sind Tornados?
Selbst bei optimalen Bedingungen seien Tornados hierzulande ein sehr seltenes Ereignis, wie der DWD erklärt. Nur in einem Prozent aller Stürme kommt es demnach zu einem echten Tornado. Kleinere Tornados in Verbindung mit einer Kaltfront und Wärmegewittern kämen häufiger vor. Prinzipiell sind Tornados dem Wetterdienst zufolge aber das ganze Jahr über möglich.
Herold zufolge werden in einem Jahr rund 40 Tornados in Deutschland registriert. In diesem Jahr seien bislang 20 Tornados bestätigt und rund 100 Verdachtsfälle gemeldet worden.
Kann man einen Tornado voraussagen?
Weil sie kleinräumig auftreten und nur kurz dauern, sind Tornados sehr schwer vorherzusagen. Erst, wenn der Luftwirbel bereits wütet und entdeckt wurde, können Städte oder Landkreise gewarnt werden.
Gibt es mehr Tornados?
„Die mediale Aufmerksamkeit in puncto Tornados ist unserer Ansicht nach gestiegen. An den Zahlen kann man dies nicht wirklich festmachen, da ist 2024 ein eher durchschnittliches Jahr“, betont Herold. Im vergangenen Jahr gab es nach seinen Angaben 43 Tornados in Deutschland.
Das unbeständige Wetter spiele nur bedingt eine Rolle bei der Entstehung von Tornados, so der Experte weiter. „Es gibt schon eher mehr Gewitter in diesem Jahr als in vergangenen, aber die Tornadogefahr steigt damit nicht automatisch.“
Mindestens vier Tornados waren bei einem Unwetter am 12. Juli laut DWD über Deutschland gezogen: Die bestätigten Tornados zogen über drei Orte in Nordrhein-Westfalen, die sich alle im Umfeld von Münster befinden, und einen Ort unweit davon in Niedersachsen: Telgte, Herzebrock und Sendenhorst (alle NRW) sowie Dissen am Teutoburger Wald in Südniedersachsen. Sachschäden an Gebäuden und umgestürzte Bäume waren gemeldet worden.
Wie lange dauert ein Tornado?
Da Tornados in der Regel auf einem kleinen Gebiet auftreten und nur kurz dauern - wenige Sekunden bis zu mehr als eine Stunde; die meisten Tornados wüten unter zehn Minuten an einem Ort - sind sie sehr schwer vorherzusagen.
Wie bewegt sich ein Tornado vorwärts?
Bei seiner Vorwärtsbewegung folgt ein Tornado seiner Mutterwolke. Dabei handelt es sich um Teile von Wolken, die sich zu eigenständigen Gebilden entwickeln. Im Schnitt legt ein Tornado so 50 Kilometern pro Stunde zurück.
Die interne Rotationsgeschwindigkeit des Luftwirbels ist allerdings meist sehr viel höher als die der Vorwärtsbewegung (lineare Bewegung). Diese Verwirbelungen sind auch für die schweren Verwüstungen verantwortlich, die ein Tornado hinterlassen kann.
Gibt es bei Tornados ein Nord-Süd-Gefälle?
Als Grundregel gilt: Im Westen der Republik eher als im Osten und im Süden eher als im Norden. Das hängt mit der Wärmeentwicklung und den Großwetterfronten zusammen, die im Sommer über Deutschland hinwegziehen. Im Süden sind Sommergewitter häufiger. Aber niemand in Deutschland ist vor einem Tornado gefeit.
Wie wirkt sich der Klimawandel auf Tornados aus?
Wegen der Erwärmung der Atmosphäre werden die Tornados eher stärker, aber nicht häufiger. Der Klimawandel ist eine Temperaturerhöhung der Erdatmosphäre. Das wiederum verstärkt den Wasserkreislauf, wodurch sich stärkere Regenschauer und Stürme bilden können. Man kann aufgrund der Beobachtungen der Tornados aber nichts statistisch ableiten. Das wäre reine Spekulation.