Rems-Murr/ Ludwigsburg: Martin Tschepe (art)

Tag 3 um 2.35 Uhr, Schornbach – 187 Kilometer. Eine weitere bitterkalte Nacht, die alles abverlangt. Es ist das bekannte Spiel: essen, trinken, ein bisschen ausruhen, weiter. Die Läufer sind jetzt seit gut 50 Stunden unterwegs und haben mehr als 200 Kilometer in den Beinen.

 

9.43 Uhr, Korber Schützenhaus – 212 Kilometer. Steffi Praher ist früher als erwartet da. Sie sieht wieder deutlich besser aus als am Abend zuvor. Georg Kunzfeld, der Mitläufer, der seit mehr als 20 Jahren Ausdauersportler ist, sagt, Steffi sei „extrem stark“. Sie habe vor vier Jahren überhaupt erst angefangen lange Strecken zu laufen. Was sie im Moment leiste, „das hat in den vergangenen 20 Jahren keiner geschafft“. Das Team serviert den Läufern zum Frühstück Pizza mit Ananas und Käse. Zum Parkplatz beim Korber Schützenhaus ist auch der Leiter der Kinderkrebsstation des Olgäles, Stefan Bielack, gekommen. Er will Steffi Praher später im Krankenhaus empfangen, alle Läufer bewirten und medizinisch durchchecken. Steffis Bruder sagt: „Meine Schwester macht das jetzt zu Ende.“ Sie sagt: „Das schaffe ich jetzt auch noch, ist ja nicht mal mehr ein Marathon.“

14.33 Uhr, Neckarrems – 235 Kilometer. Noch 15 Kilometer. Es ist etwas wärmer geworden. Steffi Praher zieht ihre Jacke und die Handschuhe aus. Ein Stückchen Ananas, eine Cola. Sie ist mit Walkingstöcken und im Stechschritt unterwegs, ab und zu joggt sie sogar wieder, hört dabei rockige Musik auf ihrem MP3-Player. Kurz vor dem Ziel sagt sie lachend: „Wir laufen weiter, umkehren wäre doch blöd.“ Die letzten paar Kilometer eskortiert der ärztliche Direktor Bielack die Läufer durch die Stuttgarter Innenstadt.

Lohnenswerte Strapazen

18.22 Uhr, Stuttgart, Olgäle – 250,3 Kilometer. Steffi Praher ist im Ziel. Ihre Freunde und Eltern warten vor der Klinik. Schweren Schrittes marschiert die Läuferin ins Foyer des Hospitals. Die Strapazen nach 66 Stunden und 7000 absolvierten Höhenmetern haben sich gelohnt. Der aktuelle Spendenstand beträgt rund 14.000 Euro.

Nach der ärztlichen Untersuchung steht fest: Steffi Praher und den beiden Mitläufern geht es den Umständen entsprechend ganz ordentlich. Sie hat einen üblen Husten und „Elefantenfüße“, bekommt vorsichtshalber eine Infusion gelegt. Mit einem Bissen Pizza Margherita im Mund sagt sie: „Mir geht es gut.“

Steffi Praher ist 1983 im thüringischen Jena geboren, seit 1990 lebt sie im Remstal. In der Kindheit trainiert sie Judo, später sei sie dann ziemlich träge geworden, sagt sie. Rauchen statt Sport. „Ich war der faulste Mensch der Welt.“ Sie wird Mutter von zwei mittlerweile vier und sechsjährigen Mädchen. Dann fasst sie den Entschluss: Adrenalin statt Nikotin. Sie fängt wieder an Sport zu treiben, zunächst ganz sachte, bald intensiver, dann der erste Halbmarathon, später startet Steffi Praher erstmals bei dem ziemlich durchgeknallten Strongman-Run, quält sich durch eiskaltes Wasser, robbt durch Schlamm, überwindet vier Dutzend Hindernisse. Und ist begeistert.

Begeisterte Wildsau-Racerin

Sie schließt sich den Cabanauten an, eine Truppe verrückter Extremsportler. Die gelernte Bankkauffrau, die im Schorndorfer Oskar-Frech-Bad arbeitet, startet als eine von ganz wenigen Frauen beim Tough-Guy-Race in England, beim Wildsau-Dirtrace in Österreich und bei zig anderen abgedrehten Veranstaltungen. Dann hat sie genug von den Spaßläufen. Man könnte sagen: Sie wird langsam seriös. Steffi Praher entdeckt die Ultraläufe, die länger sind als ein Marathon und möglichst viele Höhenmeter haben sollten.

Tag 1 um 2.20 Uhr, Weinstadt-Strümpfelbach – 15 Kilometer. Nach acht Minuten Pause geht es schon wieder weiter Richtung Schorndorf. Es ist saumäßig kalt, unter den Füßen der Läufer knirscht der Schnee. Alles läuft nach Plan.

9.14 Uhr, Lorch-Rattenharz – 55 Kilometer. Steffi Praher ist zwei Stunden schneller als geplant. Die Begleitmannschaft wartet auf einem Parkplatz. Die Extremsportlerin, ihre beiden Dauerbegleiter Steffen Kohler und Georg Kunzfeld sowie die Ab-und-zu-Mitläufer bekommen Salzkartoffeln serviert. Kurze Pause. Weiter.

12.55 Uhr, Straßdorf – 70 Kilometer. Steffi Praher ist immer noch sehr schnell unterwegs. Sie strahlt, ruft „wie geil ist das denn?“. Kurze Pause. Salzkartoffeln und heißer Tee. Was jetzt ansteht, ist super anspruchsvoll: hier macht der Remstal-Höhenweg seinem Namen alle Ehre: Hoch und runter, hoch und wieder runter.

Die Qual zum Geburtstag

18.13 Uhr, Heubach – 90 Kilometer. Die Läuferin wechselt die völlig durchnässte Kleidung. „Besonders gut rieche ich nicht mehr“, sagt sie. Es folgt eine etwas längere Pause. Steffi gehe es „den Umständen entsprechend“, sagt ein Teammitglied. Sie sei schon ziemlich kaputt. Sie kommt an ihre Grenzen. Bis dato hat sie noch nie einen Lauf absolviert, der länger war als 100 Kilometer. Es schneit immer noch, es wird wieder ein bisschen kälter, und es gilt, den steilen Rosenstein zu bezwingen.

Tag 2 um 0.03 Uhr, Mögglingen – 111 Kilometer. Steffi Praher erreicht an ihrem 30. Geburtstag die sechste von 13 Etappen. Sie hat sich dieses Geburtstagsgeschenk seit Monaten gewünscht und selbst geschenkt. Es gibt ein Stück Geburtstagskuchen, kurze Ruhepause. Wie ist die Lage? „Scheiße, den Rest machen wir auch noch.“ Dieser Rest ist noch 140 Kilometer lang, selbst für gut trainierte Marathonläufer kaum vorstellbar. Oliver Halder, Projektsprecher und Hauptorganisator des Benefizlaufs, gibt den aktuellen Spendenstand durch. „Wir sind bei rund 6700 Euro.“ Das motiviert.

8.55 Uhr, Schwäbisch Gmünd – 133 Kilometer. Der Koch serviert jetzt zu den Salzkartoffeln auch eine Nudelvariation. Steffi Praher füllt ihre Trinkflasche mit Pfefferminztee auf. Eine Begleiterin im Wohnmobil sagt: „Steffi ist wieder top drauf.“ Gut die Hälfte ist geschafft.

Ein schwerer Gang

13.54 Uhr, Götzenbachtal, Lorch – 153 Kilometer. Steffi Praher ist gezeichnet vom Lauf, hat leuchtend rote Wangen und Ränder unter den Augen. Ihr Gang ist schwer. Mittlerweile gehören Walkingstöcke zur Ausrüstung. Sie sitzt im Wohnmobil und sagt: „Das ist wirklich nicht mehr lustig.“ Sie will niemanden sprechen, keinen Zuschauer, keinen Reporter. Dann beißt sie in das dick mit Butter bestrichene Brötchen, das sie unterwegs telefonisch beim Team bestellt hat. Außerdem gibt es Banane, Ananas und einen Hustentee. Die Sonne lugt aus den Wolken, doch die Luft bleibt eiskalt. Auch das Supporterteam ist hundemüde. Eine Begleiterin sagt: „Steffi ist mental stark.“ Oliver Halder guckt skeptisch: „Wer gewinnt – der Körper oder der Geist?“ Aktueller Kontostand: 8000 Euro. Ganz kurz hinlegen, ein paar Minuten schlafen. Dann beantwortet Steffi Praher doch eine Frage: „Wie geht’s?“ – „Scheiße.“ Ein Grinsen huscht über ihr Gesicht, ein kurzer Hustenanfall, dann zurück auf die Piste.

Warum diese Qualen? Immer mehr Menschen suchen Grenzerfahrungen, wollen etwas erreichen, was noch niemand geschafft hat. Sie schwimmen in eiskaltem Wasser, rennen durch die Wüste, stürzen sich mit einem Fallschirm auf dem Buckel und Skiern an den Füßen in die Tiefe. Psychologen sprechen von „Angstlust“. Auch Steffi Praher kennt das Gefühl. Sie will ihre Angst überwinden, sie sucht den Kitzel – und das erlösende Glücksgefühl danach.

18.28 Uhr, Plüderhausen – 170 Kilometer. Gestützt auf ihre Stöcke erreicht Steffi Praher ihren Heimatort. Sie sieht jetzt völlig fertig aus und will unbedingt kurz schlafen. In der Thomas-Mann-Straße warten ein paar Freunde und ihre Eltern auf sie. Die Frage „Was tut weh?“ kann sie nicht mehr hören. Alles tut weh. Ihre Mutter sagt: „Ich bin stolz auf meine Tochter.“ Steffi habe schon immer einen eisernen Willen gehabt, schon als kleines Mädchen. Ein Dutzend Hobbyläufer wollen mit einsteigen in die Tour. Sie werden freundlich aber bestimmt ausgeladen. Sie will einfach ihre Ruhe.

Zu früh am Etappenziel

Tag 3 um 2.35 Uhr, Schornbach – 187 Kilometer. Eine weitere bitterkalte Nacht, die alles abverlangt. Es ist das bekannte Spiel: essen, trinken, ein bisschen ausruhen, weiter. Die Läufer sind jetzt seit gut 50 Stunden unterwegs und haben mehr als 200 Kilometer in den Beinen.

9.43 Uhr, Korber Schützenhaus – 212 Kilometer. Steffi Praher ist früher als erwartet da. Sie sieht wieder deutlich besser aus als am Abend zuvor. Georg Kunzfeld, der Mitläufer, der seit mehr als 20 Jahren Ausdauersportler ist, sagt, Steffi sei „extrem stark“. Sie habe vor vier Jahren überhaupt erst angefangen lange Strecken zu laufen. Was sie im Moment leiste, „das hat in den vergangenen 20 Jahren keiner geschafft“. Das Team serviert den Läufern zum Frühstück Pizza mit Ananas und Käse. Zum Parkplatz beim Korber Schützenhaus ist auch der Leiter der Kinderkrebsstation des Olgäles, Stefan Bielack, gekommen. Er will Steffi Praher später im Krankenhaus empfangen, alle Läufer bewirten und medizinisch durchchecken. Steffis Bruder sagt: „Meine Schwester macht das jetzt zu Ende.“ Sie sagt: „Das schaffe ich jetzt auch noch, ist ja nicht mal mehr ein Marathon.“

14.33 Uhr, Neckarrems – 235 Kilometer. Noch 15 Kilometer. Es ist etwas wärmer geworden. Steffi Praher zieht ihre Jacke und die Handschuhe aus. Ein Stückchen Ananas, eine Cola. Sie ist mit Walkingstöcken und im Stechschritt unterwegs, ab und zu joggt sie sogar wieder, hört dabei rockige Musik auf ihrem MP3-Player. Kurz vor dem Ziel sagt sie lachend: „Wir laufen weiter, umkehren wäre doch blöd.“ Die letzten paar Kilometer eskortiert der ärztliche Direktor Bielack die Läufer durch die Stuttgarter Innenstadt.

Lohnenswerte Strapazen

18.22 Uhr, Stuttgart, Olgäle – 250,3 Kilometer. Steffi Praher ist im Ziel. Ihre Freunde und Eltern warten vor der Klinik. Schweren Schrittes marschiert die Läuferin ins Foyer des Hospitals. Die Strapazen nach 66 Stunden und 7000 absolvierten Höhenmetern haben sich gelohnt. Der aktuelle Spendenstand beträgt rund 14.000 Euro.

Nach der ärztlichen Untersuchung steht fest: Steffi Praher und den beiden Mitläufern geht es den Umständen entsprechend ganz ordentlich. Sie hat einen üblen Husten und „Elefantenfüße“, bekommt vorsichtshalber eine Infusion gelegt. Mit einem Bissen Pizza Margherita im Mund sagt sie: „Mir geht es gut.“

Die Stuttgarter Zeitung hat den Lauf auch mit einem Liveticker begleitet.