Große Ziele verfolgt das Land mit dem Projekt einer „Ultraeffizienzfabrik“. Eine FDP-Abgeordnete hat die Pläne nun auf Substanz abgeklopft – und wenig gefunden. Ihr Fazit: die Millionen dafür seien nicht effizient eingesetzt.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Franz Untersteller (Grüne) sparte nicht an großen Worten. Als innovatives Industrieland, sprach der Umweltminister, wolle Baden-Württemberg „Vordenker einer neuen, globalen industriellen Revolution sein“. Die heutige Art zu produzieren stoße längst an ihre Grenzen. In Zukunft brauche man moderne Produktionsstätten mit geschlossenen Stoff- und Energiekreisläufen, die aus den Industriegebieten zudem wieder in die Städte zurückkehrten. Diese würden bekanntlich immer beliebter und kurze Wege zur Arbeit immer wichtiger.

 

Ultraeffizienzfabrik heißt das Forschungsvorhaben, für das Untersteller bei einem Kongress Mitte 2017 den Startschuss gab. Auch im Koalitionsvertrag von Grünen und CDU ist es verankert, im Abschnitt über Ressourcenschonung, nebst einem gemeinsamen Thinktank mit der Wirtschaft und einem Projekt für „100 ressourceneffiziente Betriebe“. Man wolle damit innovative Ansätze vorantreiben und verschiedene Technologien unter einem Dach erproben. Schon 2018, verhieß der Umweltminister, seien erste Ergebnisse zu besichtigen.

Nur 25 Teilnehmer aus Unternehmen

Was aber steckt hinter den volltönenden Ankündigungen? Das hat die Landtags-FDP jetzt mit einer umfassenden parlamentarischen Anfrage erkundet. Ihr Befund: Gemessen am geplanten finanziellen Einsatz von viereinhalb Millionen Euro sei bisher wenig Habhaftes vorzuweisen. Die Ultraeffizienz, die Untersteller in der neuen Fabrik anstrebe, lasse er im Umgang mit dem Geld der Steuerzahler jedenfalls missen, spöttelt die Stuttgarter FDP-Abgeordnete Gabriele Reich-Gutjahr.

Auf etliche Fragen bekamen die Liberalen Antworten, die sie in ihrer Skepsis bestätigten. Zur „Kick-off-Tagung“ mit Unterstellers Rede kamen danach gerade mal 64 Teilnehmer, darunter lediglich 25 aus Unternehmen. Das liege weit unter der Mindestzahl von 50 Anmeldungen, die die Landesregierung einmal als Richtwert für eine wirtschaftlich vertretbare Veranstaltung genannt habe. Wohl deshalb seien die Reihen mit Behördenvertretern aufgefüllt worden: 32 Teilnehmer kamen laut dem Umweltministerium aus dem „öffentlichen Bereich“. Lustig machen sich die Freidemokraten auch über die „mäßig aussagekräftige“ Internetseite zur Tagung, unter der wenig nutzerfreundlichen Adresse http://wp12434357.server-he.de/home/.

Kritik an geschraubter Bürokratensprache

In der 16-seitigen Stellungnahme, so der Eindruck der FDP, werde das Projekt in einer geschraubten, pseudoakademischen Sprache beschrieben. Leseprobe: „Das Arbeitspaket Ausarbeitung von Kommunikationsstrategien und Vermarktung des Themenkomplexes ,Ultraeffizienz und Digitalisierung‘ hat zum Ziel, eine vereinfachte, breitenwirksame Kommunikation des Ultraeffizienzkonzepts in der Wirtschaft durch mobile Informationssysteme für die Umsetzung des Konzepts der Ultraeffizienz zu ermöglichen.“ Angesichts solcher Beschreibungen sei es kein Wunder, dass die angebotenen Beratungsmodule bisher eher zurückhaltend genutzt werden. 30 Firmen hätten sich bisher am „Ultra-F-check Basic“ beteiligt, einem Online-Angebot zum Kennenlernen, fünf an der darauf aufbauenden Version mit zweitägigem, moderiertem Workshop. Die höchste Variante, der „Ultra-F-Check Professional“ mit einer längeren Zusammenarbeit, sei bisher „nicht explizit von einem Unternehmen angewendet worden“. Man gehe aber davon aus, dass er künftig eine größere Rolle spielen werde.

Braucht Daimler wirklich 10 000 Euro?

Auch das gemeinsam mit der Wirtschaft initiierte Projekt „100 ressourceneffiziente Betriebe“ sehen die Liberalen längst nicht so positiv wie der Umweltminister. Ein erster Sammelband mit vorbildlichen Beispielen aus Unternehmen sei bereits erschienen, ein zweiter in Vorbereitung, berichtet Untersteller. Beide sollten auch in einer englischen Version erscheinen, damit man sie bei Auslandsreise einsetzen könne.

Die FDP fragt sich dagegen, ob die 10 000-Euro-Gutscheine für Effizienzmaßnahmen die Richtigen treffen. Eigentlich sollen sie vor allem kleine und mittlere Firmen zum Mitmachen ermutigen. Doch auf der Liste der Preisträger wimmele es von Großen: Daimler stehe da gleich dreimal, Porsche zweimal, dazu Bosch, Boehringer Ingelheim, Trumpf und so weiter. Dabei seien pekuniäre Anreize eigentlich überflüssig, meint die Abgeordnete Reich-Gutjahr: Ein möglichst effizienter Umgang mit Material und Ressourcen liege im ureigenen Interesse der Firmen. „Wer sich als Unternehmer nicht ständig um die Verbesserung seines Ressourceneinsatzes bemüht, wird (. . .) rasch vom Markt gefegt.“

Der Grüne Untersteller sieht indes auch den Staat in der Verantwortung. Schon 2013, schreibt er, habe sein Ministerium gemeinsam mit der Industrie die „Allianz für Ressourceneffizienz“ gegründet. Diese werde ausdrücklich als „gemeinsame Aufgabe der Wirtschaft und der Landesregierung verstanden“.