Die IT-Giganten in den USA würgen Start-up-Konkurrenz systematisch ab. Das ist ein offenes Geheimnis. Nun haben Unternehmen bei einer Anhörung des US-Kongresses zum ersten Mal riskiert, diesen Vorwurf öffentlich zu äußern.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Stuttgart - Kurz nachdem das amerikanische Start-up Tile eine App zum Aufspüren verlegter Smartphones entwickelt hatte, fand sich eine identische Anwendung auf Apple-Telefonen wieder, vorinstalliert und mit automatisch freigeschalteter Ortskennung. Der Tile-App mussten die Nutzer das erst erlauben und die Lokalisierungsfunktion auf dem Smartphone freigeben.

 

Sonos, ein Anbieter von smarten Lautsprechern, muss damit leben, dass Google verbietet, Funktionen anderer Anbieter parallel zu den eigenen Smartphone-Anwendungen zu benutzen. Sowohl Google als auch Amazon hätten zudem Teile der eigenen Technologie kopiert, darunter eine Anwendung, die mehrere Lautsprecher miteinander verbindet, sagt Sonos. Das Start-up hat Google deshalb verklagt.

Das politische Klima in den USA hat sich verändert

Es ist ein offenes Geheimnis, dass seit Jahren die einstigen großen Innovatoren des Silicon Valley alles versuchen, dass kein Konkurrent neben ihnen groß wird. Und da Amazon, Apple, Google und Facebook in immer mehr Bereichen eigene Geschäftsinteressen verfolgen, sind immer mehr Firmen betroffen. Doch aus Angst vor Repressalien äußert sich bisher kaum jemand öffentlich.

Das hat sich nun geändert: Im Rahmen einer Untersuchung des US-Repräsentantenhauses zu monopolistischen Geschäftspraktiken, von der diese Beispiele stammen, standen jetzt erstmals Vertreter von betroffenen Firmen offen Frage und Antwort, und beeindruckten die Politiker damit offenbar sichtlich.

„Es ist offensichtlich, dass die dominierenden Plattformen ihre Türhüterroller immer mehr auf missbräuchliche und strangulierende Weise nutzen“, zitierte das „Wall Street Journal“ den Vorsitzenden der Untersuchungskommission, den demokratischen Abgeordneten David Cicilline, den Vorsitzenden des zuständigen Kongresskomitees.

Die Zeugen verdienten Applaus „für ihren Mut, öffentlich auszusagen, obwohl sie mit Revanchemaßnahmen rechnen müssen“. Bisher sei es unmöglich gewesen, solche Äußerungen zu bekommen.

Werbeanzeigen als Schutzgeld

Nun gibt es durch die Anhörung eine ganze Reihe von Beispielen: Basecamp, eine Software für Teamzusammenarbeit, stellte fest, dass Facebook und Google prominent Werbeanzeigen von Firmen präsentierte, die den eigenen Markennamen missbräuchlich als Marketinglockmittel benutzten. Anstatt dies abzustellen, forderten die Unternehmen den Anbieter auf, doch selber Anzeigen zu schalten, um sich besser zu positionieren. Das seien „Schutzgeldzahlungen“, sagt Basecamp-Mitgründer David Hansson.

Pop Socket, ein Anbieter von Haltegriffen für Smartphone, kämpft gegen die Tatsache, dass die Online-Plattform Amazon sich nicht darum schert, dass dort immer mehr Fälschungen dieses Produkts auftauchen. Anstatt dagegen vorzugehen, forderte Amazon das Unternehmen auf, doch mehr Werbung zu schalten und die Preise auf Amazon zu senken, um dort die Umsätze zu steigern. Am Ende nahm Pop Socket sein Angebot ganz von der Plattform. „Das ist Erpressung mit einem Lächeln im Gesicht“, sagt Firmenchef David Barnett.

Unternehmen haben Angst vor öffentlicher Kritik

Die Anhörung zeigt, dass man in einem veränderten politischen Klima weniger Angst vor der Rache der IT-Riesen hat. Insbesondere Investoren hielten bisher öffentliche Kritik für zu heikel. Der Weg vor Gericht sei schwierig, sagte Patrick Spence, Chef des Lautsprecherherstellers Sonos: „Wir haben nicht die Mittel, gegen Amazon und Google gleichzeitig Prozesse zu führen.“

Die Firmen wagten sich nun erstmals aus der Deckung, weil sie ihre Existenz bedroht sehen. „Es kann sein, dass du das beste Fußballteam bist – aber du spielst gegen ein Team, dem das Stadium, die Liga und Ball gehören und das die Regeln verändern kann, wann immer es will“, sagte Kristin Daru, Rechtsspezialistin von Tile.

In ihrer Reaktion auf die Vorwürfe zogen sich Apple, Amazon und Google auf übliche Formeln zurück. „Wir bauen unsere Hardware, Software und Apps, um die Privatsphäre unserer Nutzer zu schützen und die besten Produkte und das beste Ökosystem der Welt zu schaffen“, ließ Apple wissen. Amazon sagte: „Unsere Spielregeln schützen die Konsumenten.“ Google verlautete: „Unsere Anzeigenplatzierungen sind fair.“ Facebook bezog keine Stellung.