Das soziale Netzwerk will seinen Nutzern künftig weniger Inhalte von professionellen Medienhäusern und Unternehmen anbieten, dafür aber mehr Privates anderer Nutzer. Die Maßnahme wird vor allem seriöse Nachrichtenanbieter treffen. Die bösen Buben lügen trotzdem weiter.

New York - Facebook-Chef Mark Zuckerberg meint es gut mit den Nutzern seines sozialen Netzwerks. Das möchte er ihnen jedenfalls einreden, wenn er eine Änderung der im Hintergrund werkelnden Algorithmen damit erklärt, die Zeit der User auf der Plattform solle „bedeutungsvoller“ werden. Will heißen, jene so mächtigen wie für den Endverbraucher undurchschaubaren Sortiermechanismen, die darüber entscheiden, was wir auf Facebook überhaupt zu sehen bekommen, werden neu justiert. Facebook will den Nutzern in Zukunft mehr Bilder und Nachrichten ihrer menschlichen Freunde und weniger Inhalte von Unternehmen und Medien auf die Seiten stellen. Forschungen, schrieb Zuckerberg in einem Blogbeitrag, hätten ergeben, dass es gut fürs Wohlbefinden sei, wenn soziale Medien für den Kontakt mit Menschen genutzt würden.

 

Dass Zuckerberg sich plötzlich zum Seelengesundheits-Guru berufen fühlt, ist eher unwahrscheinlich. Die angekündigte Benachteiligung von Weltnachrichten gegenüber Katzenfotos hat andere Gründe. Facebook, Google und Twitter stehen in der USA heftig in der Kritik – auch von Politikern, die ihnen mit Gesetzen und Regularien hinderlich werden könnten – weil sie mittlerweile eine starke Nutzung ihrer Dienste durch ausländische Aktivisten, Geheimdienste, Propagandamedien und Fake-News-Kolonnen zur Beeinflussung der letzten Präsidentschaftswahl eingestehen müssen.

Die Chancen der Wühler

Weil Zuckerberg entgegen mancher vollmundigen Ankündigung seiner Firma weder der maschinellen noch der von Menschen geprüften Trennung von Fakten und Lügen, Nachrichten und Verdrehungen vertrauen mag, will er nun Nachrichten generell zurückdrängen. Die Betrüger, so der naive Glaube, werde man dann schon mit erwischen, und ein nachrichtenfreieres Facebook sei ja irgendwie auch ein gemütlicheres Facebook.

Schädigen wird Facebook aber vor allem die von skandalisierenden Aufpeitscher-Seiten sowieso bedrängten seriösen Medien. Denn künftig soll es wohl folgende Hierarchie geben. Private Inhalte haben absolute Vorfahrt. Dann folgen Medienbeiträge, die von Nutzern geteilt werden. Und ganz sparsam nur wird das weiterverbreitet werden, was Nachrichtenmedien selbst, also Zeitungen und TV-Sender etwa, auf Facebook posten.

Diese Reihung wird die wirklich gefährlichen, also die professionellen Wühler, Manipulateure und Dreckschleudern herzlich wenig interessieren. Mit Finanzmitteln aus Geheimdienstfonds oder den Erlösen populistischer Schock-, Sex- & Crime-Vermarktung können sie zum Beispiel die einschlägigen Klickarmeen aus Asien, Afrika und Osteuropa mieten, die massenhaft ihre Beiträge teilen und diese so doch wieder in die Gunst von Facebook schmuggeln. Außerdem bietet Facebook natürlich nach wie vor Profis sein Bezahlmodell an: Wer für das Verteilen eines Beitrags Geld an das Netzwerk bezahlt, der bekommt ihn auch verteilt – völlig unabhängig von Thema, Faktengehalt oder Wohlfühlfaktor.

Was jetzt noch hilft

Klassische Zeitungshäuser können sich schon der Vielzahl ihrer täglich erscheinenden Artikel zu allen möglichen Themen solch eine Bewerbung nicht leisten. Fake-News-Seiten mit politischer Agenda dagegen können wenige strategische Bosheiten der Güteklasse „Merkel heimlich zum Islam übergetreten“ finanzieren, bis die Aufregung der Nutzer sie alleine weiterträgt. Sollten Zuckerbergs neue Algorithmen greifen, hätten gesponserte Lügen sogar freiere Bahn, weil ihnen weniger echte Nachrichten in die Quere kämen. Vorderhand wird gegen die verordnete Nachrichtenverknappung auf Facebook nur eines helfen: Nutzer seriöser Nachrichten, die sich bisher vielleicht zurückhielten, müssen das Gelesene engagiert weiterverteilen.