Der Bundesjustizminister erhöht den Druck auf die Betreiber sozialer Netzwerke: Er will sie per Gesetz zu einem härteren Vorgehen gegen Hasskommentare und Fake News bringen. Bei Verstößen drohen millionenschwere Bußgelder.

Stuttgart - Wenn es nach Heiko Maas ginge, dann sähe die Welt des Internets aus wie seine Heimat, das Saarland: klein, überschaubar und auf alles vorbereitet. Wenn es beispielsweise irgendwo brennt, rückt die Feuerwehr aus und löscht das Feuer. Gefahr erkannt, Gefahr gebannt. Genau so, meint Maas, müsse es auch in den sozialen Netzwerken laufen. Wer einen hasserfüllten Kommentar entdeckt, der eine Person übelst verunglimpft, der soll den Feuermelde-Knopf drücken, damit die Löschtruppe vorrücken kann. Binnen kurzer Zeit ist die Bedrohung erledigt. Sollte unklar sein, ob die Sache erst mal nur glimmt, aber vermutlich nicht lodern wird, dann darf auch länger über Konsequenzen nachgedacht werden.

 

Die Antihassfeuerwehr – mit diesem Instrument, das Maas natürlich nicht so bezeichnet, will der Justizminister ein Problem lösen, dem viele Menschen heute hilflos ausgesetzt sind. Schätzungsweise 500 000 Beschwerden gegen Hasskriminalität gehen jährlich aus Deutschland bei den sozialen Netzwerken ein.

Der Prozess eines Syrers zeigt die Schwierigkeiten auf

Wie schwer es aber ist, selbst vermeintlich glasklare Sachverhalte bei einem globalen Internetkonzern wie Facebook durchzusetzen, ist spätestens seit dem Prozess von Anas Modamani in Würzburg klar. Anfang des Monats scheiterte der syrische Flüchtling mit seinem Wunsch, Facebook möge doch bitte ein Foto von sich zusammen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel löschen. Kaum war das Bild im Sommer 2015 veröffentlicht, kursierten bald auf rechtsradikalen Webseiten, aber auch auf Facebook, zahlreiche Kopien, die den Syrer fälschlicherweise mit Anschlägen oder anderen Verbrechen in Verbindung brachten.

Der Kläger unterlag vor Gericht, weil Facebook keiner publizistischen Verantwortung unterliegt. Der Plattform ist nicht über das Presserecht beizukommen. Sie sei „weder Täter noch Teilnehmer“, bei den Einträgen handele es sich um „fremde Inhalte“ der Nutzer, argumentierte das Gericht.

Maas möchte, dass Betroffene ein einfaches Instrument nutzen können

Die Selbstverpflichtung der Unternehmen, gegen Hasspostings vorzugehen, haben zwar nach Maas’ Worten zu ersten Verbesserungen geführt, „aber diese reichen noch nicht aus“. Es würden weiter zu wenige strafbare Inhalte gelöscht, und diese würden nicht schnell genug gelöscht. Facebook, Twitter und Youtube müssten stärker in die Pflicht genommen werden. Insofern sieht der Justizminister für sich keine andere Wahl, als die Unternehmen mit gesetzgeberischen Maßnahmen zum Handeln zu zwingen.

Hasstiraden und Verleumdungen fallen nicht mehr unter die Rede- und Meinungsfreiheit. Sie sind eine Straftat und müssen zunächst gelöscht und in einem zweiten Schritt geahndet werden. Dieser Prozess ist bei der Millionen-Anzahl von Nutzern mühsam. Deshalb pocht Maas auch auf ein einfaches Instrument, dessen sich Betroffene bedienen können, wenn sie sich verleumdet sehen. Maas nennt es „Beschwerdemanagement“, worunter man den kurzen Draht zu den jeweiligen Unternehmen verstehen kann. Dazu zählt auch, dass jedes soziale Netzwerk einen Bevollmächtigten benennt, der in Deutschland bei juristischen Auseinandersetzungen der Ansprechpartner ist. Auch müssten die Unternehmen vierteljährlich über den Umgang mit Beschwerden über strafrechtlich relevante Inhalte berichten.

Den Unternehmen drohen Geldbußen von bis zu 50 Millionen Euro

In seinem gestern vorgelegten Entwurf eines „Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken“ sind verbindliche Standards formuliert, wie die Betreiber von Facebook & Co. mit Beschwerden umgehen müssen und auf welche Weise sie verpflichtet werden, strafbare Inhalte zu löschen. Zu diesen zählt das Gesetz etwa Beleidigung, üble Nachrede, Verleumdung, öffentliche Aufforderungen zu Straftaten, Volksverhetzung und Bedrohung. Maas unterstrich, die Verfolgung von Straftätern sei nach wie vor Aufgabe der Justiz. Auch wolle er „keine Wahrheitskommission“ gegen Fake-News einrichten. Erfüllten Falschnachrichten aber die genannten Straftatbestände, könnten sie mit dem Gesetz ebenfalls verfolgt werden.

Ein Verstoß gegen die im Gesetz beschriebenen Auflagen ist eine Ordnungswidrigkeit, die mit einer Geldbuße von bis zu fünf Millionen Euro geahndet werden kann. Gegen das Unternehmen selbst kann eine Geldbuße bis zu 50 Millionen Euro betragen. Offensichtlich strafbare Inhalte müssen demnach binnen 24 Stunden nach Eingang der Beschwerde vom Bildschirm verschwinden, für kompliziertere Fälle erhalten die Netzwerke sieben Tage Zeit.

Die Konzerne reagieren wenig begeistert

Maas will seinen Entwurf nun in die Ressortabstimmung geben und danach zügig dem Bundestag zuleiten, so dass das Gesetz noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden kann. Parallel will er seine Vorstellungen der EU-Kommission und dem Rat der Justiz- und Innenminister erläutern. „Am Ende“, sagte er, „brauchen wir für europaweit agierende Unternehmen auch europäische Lösungen.“

Gegenwind könnte Maas nicht nur von den Konzernen bekommen, die Millionen für Personal investieren müssten. Auch innerparteilich sind seine Pläne umstritten: Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) spricht sich dagegen aus, Plattformbetreiber per Gesetz dazu zu bringen, nach Beschwerden innerhalb von 24 Stunden Hetze oder Lügen aus dem Netz zu löschen.