Gigantische 19 Milliarden Dollar legt Facebook-Gründer Mark Zuckerberg hin, um den Konkurrenten WhatsApp zu kaufen. Doch ist das ein cleverer Schachzug oder eher eine Verzweiflungstat?

Facebook-Gründer Mark Zuckerberg fackelt nicht lange, wenn es um unliebsame Konkurrenz auf dem Markt der sozialen Netzwerke geht. Die Foto-Plattform Instagram kaufte er 2012 an einem Wochenende. Und für den Kurznachrichtendienst WhatsApp brauchte er auch nur zehn Tage. 19 Milliarden US-Dollar blättert Facebook hin – eine hohe Kaufsumme für ein Unternehmen mit gerade einmal 55 Mitarbeitern.

 

Damit kauft der Platzhirsch der Social Media mit seinen mehr als 1,2 Milliarden Mitgliedern einen Konkurrenten, der es in rasantem Wachstum auf 450 Millionen Nutzer gebracht hat. „WhatsApp wird uns dabei helfen, unsere Mission zu erfüllen, die ganze Welt zu vernetzen“, sagte Zuckerberg am Mittwoch bei der Bekanntgabe des Deals. Doch der Kauf wirft Fragen auf.

Was zahlt Facebook genau?

Das US-Unternehmen kündigte an, zwölf Milliarden Dollar in bar und vier Milliarden Dollar in eigenen Aktien zu bezahlen. Dazu sollen später über einen Zeitraum von vier Jahren weitere drei Milliarden Dollar in Form von Aktien an die Gründer und Mitarbeiter von WhatsApp fließen, die dadurch wohl alle zu Multimillionären werden dürften. Daraus ergibt sich der Gesamtkaufpreis von 19 Milliarden Dollar (rund 13,8 Milliarden Euro) – eine Summe, die höher ist als Facebook vor zwei Jahren durch den Börsengang eingenommen hatte (16 Milliarden Dollar). Experten sprechen daher auch von einem „strategischen Paukenschlag“. Die Facebook-Aktie fiel nach Verkündung des Deals um drei Prozent. Das Geschäft muss noch von den Wettbewerbshütern abgesegnet werden, der Abschluss soll später im Jahr erfolgen.

Was rechtfertigt diese Summe?

„WhatsApp ist auf dem besten Weg, eine Milliarde Leute miteinander zu verbinden“, begründete Zuckerberg die hohe Kaufsumme. Über die Smartphone-App können Nutzer Text- und Sprachnachrichten, Fotos und Videos austauschen. WhatsApp hat sich damit als Alternative zur SMS etabliert. Alleine in Deutschland nutzen 30 Millionen Menschen den Dienst (sogar mehr als Facebook) – bei insgesamt 40 Millionen Smartphones ist das ein gigantischer Marktanteil. Laut Zuckerberg kämen täglich weltweit mehr als eine Million Nutzer dazu. Nach Angaben des Unternehmens werden täglich 19 Milliarden Nachrichten verschickt und doppelt so viele empfangen, weil WhatsApp vor allem als Gruppenchatfunktion genutzt wird. Übernahmegerüchte gab es schon lange. Auch Google versuchte es. Doch der WhatsApp-Gründer Jan Koum blieb bis zuletzt hart.

Was ändert sich für die Nutzer?

Genau kann das noch niemand sagen. WhatsApp versichert in einem Blogeintrag jedenfalls, dass sich nichts ändern werde. „WhatsApp wird autonom bleiben und unabhängig agieren“, hieß es. Der Dienst werde weiterhin durch eine kleine Gebühr von 89 Cent pro Jahr nutzbar sein. Und auch weiterhin solle das gelten, was sich der Gründer Koums auf einem Zettel an seinen Schreibtisch im kalifornischen Santa Clara gepinnt hat: „No ads! No games! No gimmicks!“, also: keine Werbung, keine Spiele, keine ablenkenden Zusätze. Wie sich der Deal für Facebook rechnen soll, ließ Zuckerberg offen. Zunächst solle der Dienst wachsen auf „eins, zwei, oder drei Milliarden Mitglieder“. Werbung sei für ihn kein Weg, um mit WhatsApp Geld zu verdienen. Experten gehen jedoch davon aus, dass der Downloadpreis nach einer Schonfrist in den kommenden Jahren steigen könnte.

Sollte man WhatsApp nun löschen?

Einige Nutzer haben dies in diversen Online-Kanälen bereits angekündigt. Aber: der Messenger-Dienst ist durch den Aufkauf durch Facebook nicht unsicherer geworden. Beschwerden über Sicherheitslücken und gehackte Accounts gab es bereits früher. Und wer sich die Liste mit den Zugriffsrechten, welche die App verlangt, einmal genauer ansieht, merkt schnell, wie viel er preisgeben muss: unter anderem Fotos, Videos, Mikrofon und vor allem das Adressbuch.

Facebook wird Profit aus den Kundendaten machen

Datenschützer warnen schon lange vor der Datensammelwut des Dienstes. Thilo Weichert beispielsweise, Datenschutzbeauftragter von Schleswig-Holstein, findet, dass WhatsApp ein Geschäftsmodell praktiziere, das „auf Grundrechtsverletzungen basiert“. Verbraucherschützer gehen davon aus, dass Facebook aus den personenbezogenen Daten Profit machen und mit den eigenen Daten verknüpfen wird. Wer also bis jetzt keine Probleme damit hatte, unverschlüsselt über amerikanische Server zu kommunizieren, braucht sich auch in Zukunft keine Sorgen zu machen. Für alle anderen gibt es alternative Kurznachrichtendienste.War die Übernahme sinnvoll?

Mit dem Kauf zeigt Mark Zuckerberg, dass er dazu gelernt hat. Der hohe Preis wiederum beweist, wie nötig das war. Bisher war Facebook hauptsächlich Plattform für geteilte, öffentliche Kommunikation. Künftig ist es auch Marktführer bei digitalen Privatgesprächen. Zudem erschließt sich Facebook so den riesigen Markt der Smartphone-Nutzer weiter. Das Unternehmen begegnet damit Medienberichten, die behaupten, dass Facebook bald erledigt sei, weil ihm die jungen Nutzer davon liefen und zu alternativen Diensten wie WhatsApp gingen. Die hat Mark Zuckerberg jetzt auch in der Tasche. Er ist seinem Traum von der totalen Vernetzung der Welt einen Schritt näher gekommen.