Wovor hat eine Gemeinde derzeit am meisten Angst? Richtig: vor einem Aufruf auf Facebook, auf ihrem Gebiet Party zu machen. Denn trotz Verboten waren in Freiburg, Konstanz und Backnang Hunderte Polizisten im Einsatz, um das Partyvolk zu bändigen.

Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)

Stuttgart - Facebook-Partys, das waren mal ungeplante Feste. Sie kamen zustande, weil ungeübte Nutzer des sozialen Netzwerks aus Versehen den Kreis der Eingeladenen auf alle Facebook-Nutzer ausdehnten, anstatt nur ihre Freunde zu bedenken. Inzwischen laden meist Unbekannte im Wettlauf mit den Ordnungskräften an öffentlichen Orten wie Freibädern oder Grillplätzen zu Massenfesten ein. Allein wegen ihrer Größe drohen sie, die öffentliche Infrastruktur zu sprengen. Besondere Beachtung finden bei der Polizei die Einladungen, die sich auf den Spielfilm „Project X“ beziehen, der von einer völlig aus dem Ruder gelaufenen Party erzählt.

 

Was ist strafbar an einer Facebook-Party?

Eine Party, zu der jemand einlädt, ist an sich keine verbotene Veranstaltung. Auch dann nicht, wenn die Einladung über Facebook verschickt wird. Problematisch wird es, wenn immer mehr Gäste ihr Kommen ankündigen, das Treffen auf öffentlichem Gelände stattfindet und die Einladung auf einschlägige andere Partys verweist, die nicht friedlich abgelaufen sind. Oder ganz direkt zur Gewalt aufgerufen wird. So erklärt es der Pressesprecher des Konstanzer Polizeidirektion, Michael Aschenbrenner. Dann greife das Polizeigesetz der jeweiligen Bundesländer. In Baden-Württemberg weist es den Ordnungshütern gleich in seinem ersten Paragrafen die Aufgabe zu, „von dem einzelnen und dem Gemeinwesen Gefahren abzuwehren, durch die die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bedroht wird, und Störungen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zu beseitigen, soweit es im öffentlichen Interesse geboten ist.“

Wie reagieren die betroffenen Städte?

Mit der Verhinderung einer Facebook-Party betreten die Städte und Gemeinde Neuland. In Backnang, das bereits zwei Mal Austragungsort solcher Partys war, setzt man darauf, „die Partys gar nicht erst stattfinden zu lassen“, sagt Birgit Stozeck von der zuständigen Polizeidirektion Waiblingen. Die Stadt hat deshalb im Vorfeld der geplanten Massenveranstaltungen Verbotsverfügungen erlassen. Darin sprach sie ein räumlich und zeitlich begrenztes Aufenthalts -und Betretungsverbot für ein genau abgegrenztes Gebiet aus. Verboten war auch, dort zu nächtigen oder zu campen, Musikanlagen zu betreiben, Feuer zu machen, Alkohol zu vertreiben oder mit sich zu führen. Um das Verbot durchzusetzen, war die Polizei mit mehreren hundert Beamten im Einsatz. Schon im Vorfeld der zweiten Party waren über 100 Facebook-Nutzer, die ihr Kommen angekündigt hatten, identifiziert und von der Polizei auf die Strafbarkeit ihres Handels hingewiesen worden. Im Stuttgarter Innenministerium und bei der Polizei wird mittlerweile an einem Leitfaden für Städte und Gemeinden gearbeitet, wie den Partys effektiv begegnet werden kann. Im Moment setzen Polizei und Gemeinden auf Abschreckung – und die Strategie scheint zu greifen.

150.ooo Euro kostete der Polizeieinsatz in Konstanz

Wie berechnen sich Kosten von über 150.000 Euro?

Im Fall der Konstanzer Facebook-Party, die am 7. Juli trotz Verbots im Freibad stattfinden sollte, waren nach Auskunft von Pressesprecher Michael Aschenbrenner 283 Beamte über mehrere Stunden im Einsatz. Die Einsatzleitung ging davon aus, dass trotz Verfügung der Stadt noch immer über 1000 Besucher kommen würden. Es waren schließlich um die 100 Gäste. Geht man von einem acht- bis zehnstündigen Dienst bei einem durchschnittlichen Stundenlohn von 50 Euro aus, addieren sich Kosten von ungefähr 150.000 Euro. Dazu kommen die Kosten des Hubschraubers, der an dem Julisamstag ebenfalls vor Ort war. Die Stadt veranschlagt zudem noch Reinigungskosten. „Der Polizei Konstanz sind Kosten entstanden, die wir nach unserer Rechtsauffassung gemäß der Gebührenordnung des Landes Baden-Württemberg in Rechnung stellen können“, so Aschenbrenner. Im Moment wird geprüft, ob der Kostenbescheid dem 20-jährigen Initiator der Facebook-Party zugestellt werden soll. Nach Auskunft Aschenbrenners ist der Einlader nach Bekanntwerden seines Aufrufs aufgefordert worden, sein Unternehmen zu stoppen. Was er nicht getan hat. Nach Einschätzung der Konstanzer Polizei hat er durch eine „grob ungehörige Handlung die Allgemeinheit gefährdet“ und sich eines Verstoßes gegen das Ordnungswidrigkeitengesetz schuldig gemacht. In Backnang wurde bisher an einen Besucher ein Bußgeldbescheid in Höhe von 500 Euro verschickt.

Wie zahlt ein Jugendlicher 200.000 Euro zurück?

Der Laie denkt an das Verbraucherinsolvenzrecht. Doch dieses Recht, das Schuldnern nach sechs Jahre Wohlverhalten einen finanziellen Neuanfang ermöglichen soll, wird im Fall der verbotenen Facebook-Partys nicht greifen. Es gilt nicht bei „Verbindlichkeiten aus unerlaubten Handlungen“. Sprich: Wer einen Kostenbescheid für eine verbotene Facebook-Party zugestellt bekommt, muss wohl zahlen. Für Jugendliche unter 18 Jahren müssen die Eltern einspringen. Es sei denn, die betroffenen Städte sind zu einem Vergleich bereit. Aber auch dann gilt: der Schuldner muss zahlen, bis die vereinbarte Summe und die auflaufenden Zinsen abgetragen sind. Im Fall eines ledigen Schuldners sieht die Lohnpfändungstabelle ein Existenzminimum von 1028 Euro. Der Rest des Verdienstes geht an den Gläubiger. „Da büßt man dann womöglich ein Leben lang für eine jugendliche Dummheit“, sagt eine Schuldenberaterin.