Einen Überfall mit Waffe und einen Einbruch hat Ingeborg Bumann weggesteckt. Aber die Billigblumen vom Discounter machen ihrem Floristengeschäft endgültig den Garaus.

Aus den Stadtteilen: Kathrin Wesely (kay)

S-West - Die Tür steht immer offen. Obwohl im vergangenen Jahr mal jemand mit einer Waffe hereinmarschierte und die Kasse verlangte – ausgerechnet im 25. Jubiläumsjahr von Ingeborg Bumanns Blumenladen. Und obwohl im Juni dieses Jahres nachts eingebrochen wurde. Seither sind die Gitterstäbe vor dem Fenster in der Werkstatt auseinandergebogen. Da war er durchgeschlüpft. „Was glauben die alle, was es in einem Blumenladen zu holen gibt?“, fragt Ingeborg Bumann kopfschüttelnd. Viel weggekommen sei nicht. Aber die Eindringlinge haben bei der zierlichen Frau eine quälende Angst hinterlassen. Es hat Bumann viel Kraft gekostet, sie abzutragen. Von Anfang an verweigerte sie sich dem Opfermodus: „Ich wusste, ich darf da jetzt keine Schwäche zeigen und mich nicht behüten lassen vor lauter Angst.“ Unerbittlich zog sie ihre therapeutische Rosskur durch. Und so blieb die Ladentür an der Rotebühlstraße 145 weiterhin offen – bis der Winter allzu garstig wurde.

 

Blumenexzesse sind passé

In Ampelphasen wogt der Lärm in Bumanns Laden und den Werkstattraum, der daran anschließt. Bumann hat das Unternehmen vor 26 Jahren von ihrer Mutter übernommen. Ein Holzofen bollert, das Radio quengelt, während sie ein Gebinde aus Hagebuttenzweigen und Gerbera zurechtzupft, gelegentlich an ihrer Zigarette zieht, am Kaffee nippt. Die Floristin scheint so ganz bei sich sein, und doch ist sie jedem sofort zugewandt, der reinkommt – den Kunden, dem Paketboten, der Pakete hinterlegt, den Nachbarn, die ihre Pakete abholen. Kleine Gefälligkeiten sind ihr nicht lästig. „Ich bin ja sowie immer da“, sagt die Floristin. Aber nicht mehr lange. Dafür hat die 59-Jährige ihre arithmetischen Gründe. Auf der rationalen Ebene ist die Ladenschließung alternativlos: „Bei Aldi kostet eine Orchidee zwischen fünf und sieben Euro samt Übertopf. Für das Geld kriege ich die Pflanze nicht mal im Einkauf. In meinem Laden muss ich sie für 25 Euro verkaufen.“ Die großen Blumengeschäfte, sagt die Floristin, kämen gerade noch dagegen an, aber für die kleinen seien Discounterblumen der Tod. Hinzu kommen veränderte Konsumgewohnheiten: Der klassische Wochenendstrauß sei aus der Mode geraten, und einschlägige Feiertage wie Muttertag, Ostern oder Totensonntag seien keine Garanten mehr für guten Umsatz. „Es gibt keine verlässlichen Termine mehr.“

Auch das Umfeld in der Rotebühlstraße hat sich verändert, seit Bumanns Mutter vor 32 Jahren das Geschäft eröffnete. Sie hatte aus ihrem alten Laden in der Rotenwaldstraße ausziehen müssen und führte den neuen mit ihrer Tochter als Angestellte. Sie hatten beim Einzug nicht viel renovieren müssen: Der Laden war auch in den gut 60 Jahren davor schon ein Blumengeschäft gewesen. Der Dielenboden in der Werkstatt und die Wandschränke sind fast 100 Jahre alt, ebenso der Solnhofener Plattenboden samt Schaufensterpodest im Ladenlokal. Gleich in der Eröffnungswoche war die Hölle los, erinnert sich Inge Bumann. Die Straße war belebt. „Es gab einen Plattenladen, eine Bäckerei, Kurzwaren, einen Polsterladen und gegenüber die Firma Bleyle mit ihrem Hausverkauf – ‚Outlet‘ würde man heute sagen. Da war schon was los.“ Inzwischen sind die meisten Geschäfte verschwunden und mit ihnen die Laufkundschaft.

Die Katze ist weg

Exaltierte Blumenexzesse hat Bumann auch schon lange nicht mehr erlebt, zuletzt vor 15 Jahren. Für die Dekoration einer Hochzeit im Naturfreundehaus verarbeitete sie seinerzeit 1000 weiße Rosen – die leider die Unverbrüchlichkeit des Bundes am Ende nicht gewährleisteten. Einen Diven-Strauß gab es auch schon lange nicht mehr. Bumann erinnert sich an ein monströses Gebinde als Entschuldigung für eine gekränkte Primadonna. 3000 Mark hatte der Kunde dafür hingeblättert. Die Floristin ist damit zum Theater gefahren. „Und dann hat sie das Trum nicht mal angenommen! Sie war halt noch beleidigt.“

Solch goldene Zeiten sind vorüber. „Am 12. Dezember fällt der Vorhang.“ Das Weihnachtsgeschäft wolle sie nicht mehr mitnehmen. „Heiligabend kamen nach dem Mittag immer Freunde in den Laden und wir haben ein bisschen gefeiert, bis alle zum Familienfest nach Hause gingen.“ Das letzte Mal würde nur weh tun. Im Grunde, sagt Bumann, „hätte ich direkt nach dem Überfall letztes Jahr schließen sollen.“ Dass danach plötzlich auch die Katze nicht mehr kam, die sich so gern an den Ofen kringelte, hätte ihr Warnung sein müssen. Ihre Mutter, sagt Bumann, konnte nicht loslassen, als sie der Tochter den Laden überließ. Sie will es cooler angehen. „Ich suche mir eine Arbeit, vielleicht gehe ich endlich mal auf Reisen. Mit dem Laden ging das ja nie so.“ Ob sie es wohl aushält ohne die Kunden, die Nachbarn, den Paketboten, all die kleinen Gespräche? Ingeborg Bumann ist selbst gespannt: „Man kennt sich selber ja nicht so.“

Die Blütezeit ist vorbei

Der Markt für Floristen ist schwierig geworden, sagt der Geschäftsführer des Landesverbands Deutscher Floristen, Wolfgang Hilbich. Insbesondere in den vergangenen drei Jahren mussten zahlreiche Blumenfachgeschäfte aufgeben. Hilbich benennt drei Ursachen für den Abwärtstrend: „Viele Inhaber sind 65 Jahre und älter und finden keinen Nachfolger für ihr Geschäft.“ Wie in anderen Handwerksberufen auch, seien die Ausbildungszahlen bei den Floristen seit 2012 rückläufig. „Es herrscht in der Branche ein Fachkräftemangel. Arbeit wäre genug da.“

Ein weiterer Faktor sei die Konkurrenz durch den Onlinehandel, sagt Hilbich. „Im Internet kann man sich schnell etwas herklicken, das macht den Fachgeschäften schwer zu schaffen.“ Ferner setzen die Discounter mit ihren Billigangeboten den Floristen zu, „gerade jetzt in der Weihnachtszeit, wenn dort beispielsweise Adventskränze für sieben Euro angeboten werden. Da kann der Fachhandel nicht mithalten.“ Allerdings sei oft auch die Lage des Geschäfts ausschlaggebend: „In der Nähe eines Discounters oder eines Baumarktes hat es ein Florist wesentlich schwerer.“

Im Grunde, so Hilbich, habe die Branche mit genau denselben Widrigkeiten zu kämpfen wie der gesamte Einzelhandel. „Mit den klassischen Produkten ist es schwierig geworden.“ Der Geschäftsführer des Unternehmerverbandes empfiehlt Floristen, sich auf „eine spezielle Klientel“ einzustellen – sei es durch besondere Dienstleistungen oder spezielle Pflanzenarten, sei es durch die Exklusivität qualitativ hochwertiger Werkstücke. „Aber auch da spielt der Standort eine wichtige Rolle.“