Beim Kongress der Lungenärzte in der Fildermesse geht es am Rande auch um das Thema Luftschadstoffe. Einig ist man sich, dass die Luftqualität besser werden muss. Die Stuttgarter Feinstaubdebatte halten die Experten aber für zu emotional geführt.

Lokales: Mathias Bury (ury)

Stuttgart - Die Frage war einfach und klar gestellt: „Wir gefährlich ist die Stuttgarter Stadtluft?“ So lautete eines der Themen bei der Pressekonferenz zur Eröffnung des 58. Pneumologenkongresses in der Fildermesse. Die Antwort fiel dann aber doch weniger deutlich aus.

 

Zur allgemeinen Beurteilung der gesundheitlichen Risiken einer hohen und anhaltenden Luftbelastung etwa durch Feinstaub und Stickoxid liegt nun die sogenannte Escape-Studie vor, in der europaweit die Daten von mehr als 300 000 Probanden ausgewertet worden sind, und dies über einen Zeitraum von mehr als einem Jahrzehnt. Danach steigt durch den sogenannten PM10-Feinstaub das Lungenkrebsrisiko „um 22 Prozent“, erklärte der renommierte Epidemiologe Joachim Heinrich vom Helmholtz-Zentrum in München-Neuherberg. Zum Vergleich führte Heinrich an: „Das Risiko durch Tabakrauchen ist um das Achtfache größer.“

Studie zu den gesundheitlichen Folgen

Festgestellt habe man auch etwas „niedrigere Lungenfunktionswerte“ bei Menschen, die hohen Konzentrationen von Feinstaub und Stickstoffdioxid ausgesetzt sind, so Heinrich. In der Studie wurde anhand der Wohnadressen der Probanden die „Nähe und Intensität des Straßenverkehrs“ im Umfeld berücksichtig. Unstrittig sei, dass beide Schadstoffe Asthmatikern nicht zuträglich sind, erklärte der Epidemiologe. Allerdings habe die Studie nicht den Nachweis erbracht, dass diese Stoffe Asthma hervorrufen. Selbst bei Kindern seien dies „marginale, nicht signifikante Effekte“. Auch die Belastung mit solchen Luftschadstoffen über längere Zeit sei nicht verbunden gewesen mit einem statistisch bedeutenden Anwachsen von Fällen chronischer Bronchitis. Dagegen habe man „deutliche Effekte“ beim Anstieg von Lungenentzündungen festgestellt, vor allem bei Kindern in den ersten drei Lebensjahren, erklärte Joachim Heinrich. Dass Luftschaftstoffe wie Feinstaub und Stickstoffdioxid bei Kindern Pseudokrupp auslöst, dafür habe wiederum keinen Nachweis gefunden.

Plädoyer für Entemotionalisierung

Mit Blick auf die Stuttgarter Verhältnisse sagte der Forscher, die von Land und Stadt geplanten Maßnahmen zur Schadstoffverminderung in den Bereichen mit der größten Belastung seien richtig. „Man muss was machen, um die Spitzenwerte zu reduzieren“, sagte Heinrich. Es sei aber „ein Bündel von Maßnahmen“ nötig, dazu gehörten auch technologische Verbesserungen der Autoindustrie, die sich aber offenkundig „nur bei Druck bewegt“.

Allerdings plädiert der Epidemiologe für eine „Entemotionalisierung der Debatte“, die in Stuttgart deutlich heftiger geführt werde als in anderen Städten. Heinrich: „Eine übertriebene Angstmacherei ist falsch. Man muss die Kirche im Dorf lassen.“ Schon weil die Schadstoffbelastung lokal sehr unterschiedlich sei. „Innerhalb sehr kurzer Distanzen, da reichen 50 bis 100 Meter, ist die Konzentration schon stark vermindert.“ Man könne nicht von einzelnen Messstationen auf die Belastung der ganzen Bevölkerung schließen. Und manche Städte hätten die Messstellen an für die Ergebnisse günstigere Ort gelegt.

Jede Schadstoffreduzierung ist sinnvoll

„Jede Reduzierung der Schadstoffbelastung ist sinnvoll“, sagt Martin Kohlhäufl, einer der Kongresspräsidenten und langjährigen Chef der zum Robert-Bosch-Krankenhaus gehörenden Klinik Schillerhöhe. Aber die Belastung der Menschen sei regional eben „sehr unterschiedlich“. Kurzfristige Belastungen seien ohnehin kein Problem. Für Kohlhäufl ist entscheidend, dass man mit der Escape-Studie nun eine wissenschaftliche Grundlage habe, auf der man aufbauen könne.

Auch Martin Hetzel, neben Kohlhäufl Kongresspräsident und Chefarzt für Pneumologie am Krankenhaus vom Roten Kreuz in Bad Cannstatt, betonte, alles sei sinnvoll, was Luftschadstoffe vermindere. „Da gibt es unter den Lungenärzten eine einheitliche Meinung, da ist kein Riss“, betonte Hetzel vor dem Hintergrund der bisherigen Debatte. Dennoch setzte er einmal mehr die Akzente etwas anders als sein Kollege. Mit dem in Stuttgart inzwischen schon viele Mal ausgerufenen Feinstaubalarm hat Hetzel seine Probleme. „Mit dem Wort verbindet man, dass eine große und eine akute Gefahr besteht“, so Hetzel. „Das ist aber mitnichten der Fall.“ Weshalb Feinstaubalarm auch „die falsche Botschaft“ sei. Sie entspreche nicht der tatsächlichen Lage, erklärte der Pneumologe.

Insgesamt ist die Luft besser geworden

„Wir haben an einer ganz bestimmten Stelle noch ein Problem“, sagte er, womit der Mediziner die Messstelle am Neckartor meinte. Insgesamt aber erlebe Stuttgart, was die Schadstoffbelastung der Luft angehe, „seit 15 Jahren eine deutliche Entlastung“, auch beim Feinstaub. Man müsse sich also „keine großen Sorgen machen“. Dies lasse sich leicht an der Entwicklung der Werte an den acht Messstationen ablesen, wo, außer an einer, die Belastungen zurückgegangen seien. „Das ist eine Erfolgsgeschichte“, sagte Hetzel, an der man nun weiterschreiben müsse. Die laufende Diskussion in Stuttgart sei aber „ideologisiert und emotionalisiert“, kritisierte er.