Deutschland fehlen Fachkräfte. Jetzt hat das Kabinett ein neues Gesetz beschlossen, das helfen sollen, mehr qualifizierte Menschen aus dem Ausland zuwandern zu lassen. Was sich ändern soll: ein Überblick.

Berliner Büro: Rebekka Wiese (rew)

Über 100 Seiten hat der Entwurf für die Regelung, die dabei helfen soll, den deutschen Arbeitsmarkt zu retten. Am Mittwoch hat das Kabinett ein neues Gesetz beschlossen, mit dem ausländische Fachkräfte künftig einfacher nach Deutschland einwandern können. Warum es das Gesetz braucht, was sich mit ändert und was daran kritisiert wird: ein Überblick.

 

Warum hat das Kabinett das neue Gesetz beschlossen?

Aktuell fehlen Deutschland Fachkräfte in etlichen Branchen. Erst kürzlich meldete das Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung, dass derzeit mehr als 1,5 Millionen Stellen offen sind, für die es keine passenden Arbeitskräfte gibt – und in den kommenden Jahren dürften es noch mehr werden. Durch die neuen Regelungen sollen mehr Fachkräfte aus dem Ausland nach Deutschland kommen können. Dazu gibt es bereits ein Gesetz der vorherigen Regierung. Weil das nicht weitreichend genug war, soll es jetzt ausgebaut werden.

Was soll sich mit dem Gesetz ändern?

Bisher war es so, dass Fachkräfte einen in Deutschland anerkannten Berufsabschluss brauchten, um einzuwandern. Dann durften sie allerdings nur in dem Bereich arbeiten, für den sie qualifiziert sind. Hier ist das neue Gesetz flexibler: Wenn eine ausländische Ingenieurin in Deutschland ihre Stelle wechseln will, ist das künftig kein Problem mehr, solange es sich weiterhin um eine qualifizierte Beschäftigung handelt.

Neu ist auch, dass es jetzt weitere Wege als den anerkannten Berufsabschluss gibt, um als Fachkraft nach Deutschland zu kommen. Einer läuft über die Erfahrung, die die Beschäftigten mitbringen. Wenn jemand in seinem Herkunftsland bereits mindestens zwei Jahre in seinem Beruf gearbeitet hat und einen Abschluss hat, der dort staatlich anerkannt ist, muss er diesen in Deutschland nicht mehr prüfen lassen. Das dürfte die Einwanderung für viele Menschen erleichtern, denn die Anerkennung von Qualifikationen gilt als aufwendig und bürokratisch. Dafür gibt es allerdings ein paar Nachteile gegenüber dem klassischen Weg für Berufsqualifizierte: Die Grenze für das Mindestgehalt liegt höher – es sei denn, man findet einen Arbeitgeber, der tarifgebunden ist.

Außerdem gibt es einen dritten Weg zur Einwanderung: die Chancenkarte. Die basiert auf einem Punktesystem, wie es das ähnlich in Ländern wie Kanada gibt. Die Idee ist, dass Fachkräfte auch zur Arbeitssuche nach Deutschland einreisen können, wenn sie ein Minimum an bestimmten Kriterien erfüllen. Dabei geht es unter anderem um das Alter und die Deutsch- und Englischkenntnisse, aber auch um die Frage, ob jemand schon einmal in Deutschland gelebt hat. Um die Chancenkarte zu erhalten, müssen die Bewerberinnen und Bewerber aber nachweisen, dass sie ihren Lebensunterhalt sicher finanzieren können, während sie hier auf der Jobsuche sind. Die Chancenkarte soll für maximal ein Jahr erteilt werden können.

Welche Kritik gibt es?

Grundsätzlich begrüßen viele Expertinnen und Experten, dass die Bundesregierung Fachkräfteeinwanderung erleichtern will. Vielen gehen die Maßnahmen allerdings nicht weitgenug. In Stellungnahmen zum Gesetzentwurf weisen Verbände wie das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung darauf hin, dass die aufwendige Anerkennung der Berufsabschlüsse die Einwanderung noch immer erschwert.

Aus dem Parlament gibt es schon jetzt Kritik. Der CDU-Abgeordnete Marc Biadacz bezeichnete das Gesetz als ernüchternd. „Die Fachkräfteeinwanderung scheitert nicht an den Gesetzen, sondern an den komplizierten, analogen und langwierigen Visa- und Anerkennungsverfahren“, sagte Biadacz dieser Zeitung. Er wies daraufhin, dass die „Chancenkarte“ zu zusätzlicher Bürokratie führen könnte.

Anja Reinalter, Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, unterstützt das Gesetz, betonte aber, dass die Maßnahme allein nicht reiche. „Um den Fachkräftemangel zu beenden, muss Deutschland ein attraktives Einwanderungsland werden und gleichzeitig mehr Menschen, die bereits hier leben, für eine Ausbildung oder Weiterbildung gewinnen“, sagte Reinalter dieser Zeit. Vor diesem Hintergrund sei bedauerlich, dass die Bildungsteilzeit verschoben worden sei.