In der Region fehlen dramatisch viele Fachkräfte. Mit neuen Ideen wie der „Aktion Nikolaus“ wollen örtliche Firmen diese Krise lösen.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Die Region Stuttgart und das gesamte Land Baden-Württemberg schlittern in einen dramatischen Mangel an Fachkräften hinein. Laut Prognosen der Industrie- und Handelskammern soll der Höhepunkt bereits 2014 erreicht werden: Dann fehlen in der Region Stuttgart rund 85 000 Ingenieure, Altenpflegerinnen, Kraftfahrer und sonstige Fachkräfte – die Probleme stellen sich in vielen Branchen sowohl im akademischen wie nichtakademischen Bereich. Gemessen an der gesamten Zahl der Beschäftigten bedeutet dies, dass 2014 acht Prozent aller angebotenen Stellen mangels Bewerber nicht besetzt werden könnten.

 

Schon heute ist dieser Trend klar erkennbar. Erstmals seien in diesem Jahr mehr Ausbildungsstellen auf dem Markt gewesen als Bewerber, sagte Eberhard Häfele von der Bundesagentur für Arbeit dieser Tage vor dem Ausschuss der Metropolregion Stuttgart. Auch müssten viele Firmen vakante Stellen immer länger unbesetzt lassen, weil sie keinen geeigneten Nachfolger finden. Häfele betonte, dass die Lage in Baden-Württemberg besonders angespannt sei, weil die starke Industrie einen besonders hohen Fachkräftebedarf habe. Und: die Situation verschlechtere sich in den nächsten Jahren allein dadurch, dass die Zahl der erwerbstätigen Bevölkerung in Baden-Württemberg im Zuge des demografischen Wandels um 250 000 Personen zurückgehe.

Prognosen im Netz

Die detaillierten Prognosen lassen sich im Internet nachlesen: Die IHK Baden-Württemberg hat einen Fachkräftemonitor erstellt, in dem die Zahlen für 14 Wirtschaftszweige und 49 akademische und nichtakademische Berufsgruppen aufbereitet worden sind. Dort zeigt sich, dass nicht nur Ingenieure fehlen, auch wenn in diesem Beruf der Mangel besonders groß ist. Auch Einrichtungen im Gesundheitssektor werden bald in einen Engpass geraten – und auch Handwerkerfirmen tun sich zunehmend schwer, Mechaniker oder Elektriker zu finden. Vor allem: Mehr als 80 Prozent der fehlenden Stellen liegen im nichtakademischen Bereich. Oliver Kreh von der IHK Region Stuttgart sagte vor den Mitgliedern des Metropolausschusses: „Künftig wird es selbst in wirtschaftlichen Abschwüngen nicht mehr zu merklichen Überschüssen an Personal kommen. Der Fachkräftemangel kommt und bleibt.“

Die Landesregierung hält die Lage für so dramatisch, dass sie erstmals in diesem Bereich eine Allianz aller betroffenen Verbände schmieden will – am 15. Dezember soll der offizielle Startschuss dieser Allianz sein, in der neben verschiedenen Ministerien auch die Gewerkschaften, Wirtschaftsorganisationen, kommunale Spitzenverbände sowie die Bundesagentur für Arbeit und die regionalen Wirtschaftsförderer vertreten sein werden. Irmgard Otto vom federführenden Wirtschaftsministerium nannte zehn Ziele, die dieser Verbund erreichen will. Dazu gehören: mehr Menschen weiterbilden, mehr Frauen in Beschäftigung bringen, mehr ältere Menschen anstellen oder mehr Langzeitarbeitslose in den Arbeitsmarkt bringen.

Pilotprojekt

Klar ist aber auch: „Ohne eine Rekrutierung von Arbeitskräften im Ausland werden wir das Problem nicht lösen“, sagte Eberhard Häfele. Mit der „Aktion Nikolaus“ wird jetzt in der Region Stuttgart ein Pilotprojekt gestartet: Vom 6. bis 8. Dezember werden etwa 100 spanische Ingenieure nach Stuttgart kommen – auf der Messe können sie mit 45 kleineren und mittleren Unternehmen ins Gespräch und nach Möglichkeit ins Geschäft kommen. „Unser Ziel ist, dass mindestens 25 Arbeitsverträge abgeschlossen werden“, so Irmgard Otto.

Auch die Wirtschaftsförderung der Region Stuttgart hält die Rekrutierung im Ausland für eine zentrale Aufgabe. Man wolle den Auslandsauftritt der Metropolregion verbessern, sagte Wirtschaftsförderer Walter Rogg; so könnten sich Interessenten überall auf der Welt über Stellen in der Region informieren. Daneben ist beabsichtigt, im Elsass und in Bulgarien um Arbeitskräfte zu werben: „Diese beiden Regionen haben wir ausgesucht, weil es dort viele deutschsprachige Fachkräfte gibt“, sagte Rogg. Auch bei der „Aktion Nikolaus“ hat man auf Deutschkenntnisse großen Wert gelegt – an der Organisation war deshalb das spanische Goethe-Institut beteiligt.

Kongress am 25. April 2012

Kongress Mit vielen Maßnahmen will die „Allianz für Fachkräfte Baden-Württemberg“ den Mangel an qualifizierten Arbeitnehmern mildern. So beraten am 25. April 2012 bei einem Kongress in Stuttgart Wirtschaftsförderer und Bürgermeister über die Situation.

Welcome-Tag Am Karlsruher Institut für Technologie gibt es im Mai 2012 einen Welcome-Tag für ausländische Studenten. Ziel ist, dass junge Menschen aus dem Ausland, die in Deutschland studieren, nach ihrem Abschluss im Land bleiben.

Kitaplätze Auch der Ausbau der Plätze in Kindertagesstätten ist Teil der Strategie für mehr Fachkräfte – Eltern kleinerer Kinder können dann früher wieder arbeiten. Daneben sollen auch die Kontaktstellen „Frau und Beruf“ ausgebaut werden.fal