Weil in den Kitas Fachkräfte fehlen, setzen das Stuttgarter Jugendamt und der Internationale Bund verstärkt auf Kitapersonal aus dem Ausland.

Stuttgart - In Zeiten des Fachkräftemangels beschreiten viele Kitaträger neue Wege – und akquirieren Erzieherinnen aus dem Ausland. Vor gut zwei Jahren hatte das städtische Jugendamt acht Rumäninnen aus Hermannstadt als deutschsprachige Fachkräfte in Stuttgarter Kitas geholt. Inzwischen seien es fast 20 Erzieherinnen aus Rumänien. „Unsere Erfahrungen sind durchweg gut“, sagt der Jugendamtsvize Heinrich Korn. Seit Oktober verstärken 15 Italienerinnen das städtische Kitapersonal – allerdings zunächst als Anerkennungspraktikantinnen. Der Kontakt kam über den Internationalen Bund (IB) zustande, der diese Art der Akquise zu einem neuen Geschäftsmodell ausgebaut hat.

 

„Schon vor sechs Monaten waren wir mit einer Delegation des Jugendamts in Süditalien“, berichtet Gerardo Cardiello. Er ist Programmgeschäftsführer beim IB, hat selbst italienische Wurzeln und das Konzept für diese Akquise entwickelt. „In Neapel haben wir 15 Erzieherinnen ausgewählt“, berichtet er. Dort arbeite man mit ortsansässigen Partnern zusammen.

Die Italienerinnen erhalten ein intensives Sprachtraining

In Deutschland angekommen erhielten die Italienerinnen als Erstes einen Deutschkurs – beim IB. Nach vier Monaten hätten alle den sogenannten B1-Test bestanden, das heißt, sie können sich verständlich machen. Seit Oktober sind sie in den städtischen Kitas, um ihr Anerkennungsjahr zu absolvieren. „Da sammeln sie Praxiserfahrungen“, sagt Cardiello. Parallel dazu absolvierten sie eine Woche pro Monat ein weiteres Sprachtraining, um kommunikationssicher zu werden.

Beim IB hat man seit sechs Jahren Erfahrung mit der Auslandsakquise: „Wir haben 800 Fachkräfte geholt“, berichtet Cardiello – allerdings überwiegend Krankenpfleger. Seit drei Jahren bemühe man sich auch um Kitafachkräfte – „aufgrund der Nachfrage“, betont Cardiello. 60 Erzieherinnen habe man seither geholt – nur vier von ihnen hätten abgebrochen, der Liebe oder des Heimwehs wegen. Zunächst habe man allerdings die eigenen Kindertagesstätten versorgt – mit 35 italienischen Erzieherinnen. „Das ist sehr gut gelaufen, die Leute sind fachlich sehr gut. Die eigentliche Hürde besteht in der Sprache.“

Die Erzieherinnen aus Neapel sind „hochgradig motiviert“

Doch die Italienerinnen kämen mit einem hohen Leistungswillen, berichtet Cardiello: „Die sind hochgradig motiviert, sich ein neues Leben auf der Grundlage eines geregelten Einkommens aufzubauen.“ Denn gerade in Süditalien gebe es bis zu 70 Prozent Arbeitslosigkeit, selbst junge Leute mit sehr guter Ausbildung hätten kaum berufliche Chancen – „das ist wirklich tragisch“.

Hierzulande hingegen ist der Fachkräftemarkt leer gefegt – obwohl seit Herbst der erste Erzieherjahrgang seine praxisintegrierte Ausbildung (Pia) beendet hat. Die Absolventen konnten sich die Kitajobs aussuchen; derzeit seien noch 180 Pia-Teilnehmer bei der Stadt in Ausbildung. Immer noch seien ständig in den städtischen Kindertagesstätten 100 bis 150 Stellen nicht besetzt, bestätigt Korn. „Personalgewinnung ist ein Dauerthema.“ Das habe mehrere Gründe: zum einen laufe ja immer noch der Ausbau der Kitaplätze wegen des Rechtsanspruchs – man brauche ja nicht nur zusätzliche Räume, sondern auch pädagogische Fachkräfte. Zum anderen steige auch die Zahl der Flüchtlinge rapide – und mit ihnen auch die Zahl der Kinder und der minderjährigen unbegleiteten Flüchtlinge, für die man ebenfalls pädagogisches Personal benötige. Konkret fehlten für die mehreren Hundert Jugendlichen, die in Wohngruppen lebten, gut 100 Betreuer.

Flüchtlingskinder erfordern zusätzliche Kitaplätze

„Unser System läuft gerade unter absoluter Volllast“, sagt Korn. Und: „Wir brauchen auch wieder mehr Kitaplätze für Drei- bis Sechsjährige.“ Denn derzeit gebe es in Stuttgart gut 300 Flüchtlingskinder in diesem Alter – „vor einem Monat waren das noch 250“. Weitere gut dreihundert Flüchtlingskinder seien unter drei. Bei diesen ganz kleinen Kindern gebe es allerdings nicht den großen Betreuungsbedarf – „der wird ausgelöst durch die Berufstätigkeit beider Eltern“, so Korn.

Momentan besuchten rund 90 drei- bis sechsjährige Flüchtlingskinder die städtischen Kitas, rund weitere 60 hätten die freien Träger aufgenommen. „Wir führen eine Warteliste nur für Flüchtlingskinder“, berichtet Korn. Jeden Monat stünden zwischen 15 und 25 Kinder drauf. Sie würden – wie andere Kinder – aber auch unter dem Jahr aufgenommen – allerdings nur von Einrichtungen ohne Warteliste. „Wir hatten für diese Altersgruppe eine Deckung von 100 Prozent – durch die Zuwanderung brauchen wir auch wieder mehr Kitaplätze für Drei- bis Sechsjährige.“

Die meisten Arbeitsuchenden brauchen eine Nachschulung

Personelle Entlastung bringen könnten weitere Kitafachkräfte, die aus eigenem Antrieb aus dem Ausland kommen. Deren Zahl nimmt zu, wie das Regierungspräsidium Stuttgart bestätigt. Dort müssen die Arbeitssuchenden zunächst einen Antrag auf Anerkennung ihrer Zeugnisse stellen – die meisten müssten aber erst noch eine einjährige Nachschulung absolvieren, bevor sie die volle Anerkennung erhielten.

Die Zahl der Antragsteller stieg von 700 im Jahr 2012 auf 918 (2014). Im aktuellen Jahr seien es bereits jetzt knapp 1000, man komme mit der Bearbeitung kaum hinterher, 200 Anträge seien noch gar nicht bearbeitet. Die meisten Antragsteller kommen aus Osteuropa (Polen, Rumänien, Kasachstan), aber auch aus Griechenland und Italien. Flüchtlinge aus Syrien, dem Irak oder Pakistan, die eine Beschäftigung in einer Kita suchen, seien an einer Hand abzuzählen, so eine RP-Sprecherin.