Eine Fachtagung im Rathaus hat sich mit der Frage beschäftigt, welche Auswirkungen Rollenbilder und Lebenswandel auf die Gesundheit von Männern haben. Dabei gibt es durchaus interessante Unterschiede zur Frauengesundheit.

Stuttgart - Beim Stichwort „Opfer häuslicher Gewalt“ denken wohl die wenigsten Menschen an Männer. Die Vorstellung passt nicht ins gängige Rollenbild. Doch auch sie sind betroffen. Die 2001 als Stabsstelle im Rathaus gegründete Abteilung für individuelle Chancengleichheit von Frauen und Männern will die öffentliche Wahrnehmung für solche und andere Themen schärfen und blinde Flecken beseitigen. Zusammen mit der Stuttgarter Gesundheitskonferenz hat sie deshalb am Dienstag im Rathaus die erste interdisziplinäre Fachtagung zum Thema Männergesundheit mit Informationsständen, Fachvorträgen und Workshops veranstaltet.

 

Die Ergebnisse der Fachtagung will die Stadt als Grundlage für ihre Arbeit auf dem Gebiet nutzen. „Die Zeiten der Polarisierung sind vorbei“, sagte Ursula Matschke, Leiterin der Abteilung für individuelle Chancengleichheit, in ihrem Eingangsvortrag. Der Auftrag der Abteilung habe von Anfang an explizit darin bestanden, sich um beide Geschlechter zu kümmern.

Rollenbild der Männer hat sich erweitert

Die Beziehung von Männlichkeitsbildern, Gesundheit und Armut beleuchtete Martin Dinges, ein auf die Geschichte der Medizin spezialisierter Historiker bei der Robert-Bosch-Stiftung. Die Vorstellung davon, was männlich sei und was nicht, habe sich einerseits stark verändert, sagte Dinges. Doch es gebe auch Kontinuitäten. „Junge Männer zwischen 18 und 24 Jahren sterben noch immer vier Mal so häufig bei Verkehrsunfällen wie Frauen“, sagte Dinges. Männer legten doppelt so viele Kilometer im Auto zurück als Frauen, sie führen risikoreicher, tränken mehr und nähmen härtere Drogen.

Die Identifikation mit dem Beruf sei weiterhin verbreitet, auch wenn sich das Rollenbild der Männer auf Familie und Freizeit erweitert habe. „Männer arbeiten überwiegend ganztags und definieren sich über ihren Beruf. Sie machen doppelt so viele Überstunden wie Frauen, was messbar das Risiko für Herzerkrankungen steigert“, sagte Dinges. Männer achteten außerdem weniger auf die Signale ihres Körpers. Erstaunlich ist, wie sich Klassenunterschiede auf die Gesundheit auswirken: „Besserverdienende Männer leben fast elf Jahre länger als Geringverdienende“, so Dinges. Simone Schmidt-Goretzky vom Gesundheitsamt präsentierte anschließend Zahlen, die im Zuge der Bürgerbefragung im vergangenen Jahr erhoben wurden. Zwar haben daran mehr als 4000 Bürgerinnen und Bürger teilgenommen, doch sei das nicht viel, schickte die Expertin voraus. Die Datenlage zur Gesundheit von Männern und Jugendlichen sei insgesamt lückenhaft und nur eingeschränkt vergleichbar.

Lücke zwischen Männern und Frauen wird kleiner

Den Zahlen zufolge scheint es den Stuttgartern gut zu gehen. 78 Prozent der befragten Männer beantworteten die Frage nach dem allgemeinen Wohlbefinden mit „gut“ oder „sehr gut“ – der Bundesdurschnitt liegt bei 76,6 Prozent. Eine Aufschlüsselung nach Altersklassen zeigt ein differenzierteres Bild: so beurteilen 44 Prozent der über 65-jährigen Stuttgarter ihren Gesundheitszustand als mittelmäßig oder schlecht (Bundesdurchschnitt 39 Prozent). Die Regel, nach der Menschen ihren Gesundheitszustand mit zunehmendem Alter schlechter beurteilen, trifft auf Stuttgarter Männer also besonders zu. Einen positiven Trend gibt es bei der mittleren Lebenserwartung: sie ist seit 2006 kontinuierlich gestiegen und liegt heute bei 79,8 Jahren. Dadurch wird auch die Lücke zwischen den Geschlechtern kleiner: Stuttgarter Männer leben heute nur noch 4,4 Jahre kürzer als Frauen.