Ständig neue Mängel: Das bald 340 Jahre alte Fachwerk im Ortskern in Schuss zu bringen, entpuppt sich bisher als Fass ohne Boden. Die Kosten haben sich mittlerweile fast vervierfacht: auf gut vier Millionen Euro.
Stefanie Köhler
18.07.2024 - 07:11 Uhr
Der Schlagersänger Wolfgang Petry hat ein Lied nach ihr benannt, der Komiker Karl Dall in etwas abgewandelter Form ein Buch – und nun ist in der Stadt die Redewendung „Augen zu und durch“ das Motto. Zumindest in Bezug auf die Sanierung des Münchinger Rathauses. „So richtig glücklich sind wir nicht“, sagt der Technische Beigeordnete Kai Langenecker in der vergangenen Ausschusssitzung. Damit meint der Vize-Bürgermeister, dass die Sanierung des Gebäudes von 1687 Stand jetzt rund vier Millionen Euro kostet und bis nächsten Sommer dauert. Er zeigt dem Gremium Fotos, Skizzen. Die Liste der Mängel und Maßnahmen: umfangreich. „Absolute Spezialisten“ seien nötig, „sonst machen wir Fehler“. Wie sie einst passiert sind.
Im Januar 2022 begannen die Arbeiten an der Fassade und am Dach, nachdem der Dachstuhl dekontaminiert worden und das Stadtarchiv in die Kornwestheimer Straße gezogen war. Das musste sein, da die Bühne mit einem Holzschutzmittel verseucht ist, mit dem anno 1957 die Dachkonstruktion behandelt wurde. Was man früher häufig einsetzte, gilt heute als gesundheitsgefährdend, weil krebserregend: Jene Holzschutzmittel enthalten giftiges Lindan und PCP. Damals ging die Stadt noch von Kosten von etwa 1,1 Millionen Euro aus.
Unter anderem sind im Münchinger Rathaus Brüstungen zersetzt. Foto: Stadt Korntal-Münchingen
An der Westfassade bestehen „erhebliche Mängel“ bei der Tragfähigkeit der Holzdeckenbalken. Die Lastenannahme für die Nutzung der Räume wie dem Archiv sei statisch nicht nachgewiesen worden. Kai Langenecker berichtet von fehlenden und überlasteten Tragebalken, seitdem eine Wand verschoben wurde. Von rissigem, bröckelndem, beschädigtem Putz am Sockelgeschoss – wegen Efeus, aber auch ungeeigneter Farben und Putze. Von zerfressenem und verfaultem Holz, von Silikon an Fenstern, das da nichts verloren hat: So kommt Feuchtigkeit rein ins Gebäude, jedoch nicht mehr raus. Dabei müsse ein Fachwerk Feuchtigkeit nach außen abgeben können, dürfe nicht völlig dicht sein – anders als moderne Gebäude.
Auch das Innere muss gerichtet werden – erneut
Stahlträger ersetzen künftig fehlende Holzbauteile. Die Decke über dem zweiten Obergeschoss erhält eine Wärmedämmung. Kai Langenecker sagt, an die Arbeiten müsse man mit Sachverstand rangehen. Das kostet, nicht nur Aufwand. „Das Geld jetzt zu setzen, ist der einzige richtige und sinnvolle Weg“, meint Kai Langenecker. Münchingen verdiene es, das schöne Gebäude herrichten und wieder erstrahlen zu lassen.
Die Ausschussmitglieder finden das auch. Aus dem Grund dürfte sich der Gemeinderat am 23. Juli (18 Uhr, Widdumhof Münchingen) ebenfalls für die weiteren Schritte aussprechen. Zu denen auch gehört, später das Innere zu richten – erneut: Zwischen Oktober 2018 und Mai 2019 wurden für 1,4 Millionen Euro unter anderem der Rathaussaal und vor allem Brandschutz und Technik auf Vordermann gebracht. Kai Langenecker sagt, man versuche, die Innenwände so gut wie möglich zu erhalten. Und auch, im September solle der Verkehr wieder fließen, ohne Einbahn und Ampel: Dann ist die Fassade zur Hauptstraße fertig, und das Gerüst kommt weg. Die Hälfte der Sanierungskosten wird gefördert.
„Mit Gefühl und Respekt an das Gebäude“
Dem Ruf der Lokalpolitiker nach mehr Personal setzt Patrick Pressel, der Chef der Kornwestheimer Firma Muny Holzbau und Schreinerei, entgegen, das Rathaus brauche auch Ruhepole. Man könne es nicht komplett auf Stützen stellen und an allen Ecken gleichzeitig arbeiten. „Wir müssen mit Gefühl und Respekt an das Gebäude ran.“
Dessen Dachboden wohl nicht mehr zu nutzen ist. Die Schadstoffe seien damals per Bohrung tief ins Holz eingebracht worden, erläutert Patrick Pressel. Bis das Gift ausgedünstet ist, würden Hunderte Jahre vergehen. Man müsse alles hermetisch abriegeln, sodass keine Schadstoffe in die Raumluft gelangen – das Holz aber weiter arbeiten könne. Diese Arbeit wolle er weder machen, noch die Verantwortung dafür tragen.
Rathaus eines von vielen sanierungsbedürftigen Gebäuden
Um ihre Gebäude in Schuss zu halten, muss die Stadt weiterhin tief in die Tasche greifen: Aktuell erstellt die Verwaltung Sanierungskonzepte. Laut Langenecker besitzt die Stadt viele Gebäude – die die nächsten Jahrzehnte viel Geld verschlingen werden.