Eine EU-Richtlinie wirkt sich auf den Busverkehr aus: Ab Sonntag gelten für die Firmen rauere Bedingungen.

Weissach/Leonberg - Einen Moment musste sie schon überlegen. „Wir mussten abwägen“, sagt Monika Wöhr-Kühnemann. „Wir gehen ja jetzt stark ins Risiko.“ Die Linie 634 zum Beispiel, die zwischen Weissach und Leonberg fährt, betreibt ihr Weissacher Busunternehmen von Sonntag an „eigenwirtschaftlich“, wie das die Verkehrsplaner nennen. Das heißt: Öffentliche Gelder gibt es dann nicht mehr, Wöhr bekommt allein die Einnahmen aus den Fahrscheinen.

 

Das geht auf eine EU-Richtlinie aus dem Jahr 2009 zurück, die nun der Bundestag im vergangenen Jahr in deutsches Recht gegossen hat – und die vor allem die Busunternehmer in der Region zu spüren bekommen. Bisher war es so: Die Landratsämter haben entschieden, wo Buslinien verlaufen sollen, dann haben sie Busunternehmen beauftragt, und entsprechende Erlöse zugesichert.

Die Busunternehmer sind allein verantwortlich

Das gilt nur noch zum Teil. Auf den starken Linien, wo es genügend Fahrgäste gibt, müssen sich die Landratsämter zum Fahrplanwechsel am kommenden Sonntag zurückziehen. Verantwortlich sind dort allein die Unternehmer, wie Monika Wöhr-Kühnemann. „Wenn wir Fahrgäste verlieren, dann verlieren wir Einnahmen“, erläutert die Weissacherin das Risiko.

Zusammen mit dem Verkehrsberater Mario Graunke hat sie zwar alles durchgerechnet. Wenn auch künftig auf der 634 so viele Menschen fahren wie bisher, müsste es passen. „Die Firma Porsche baut ja derzeit aus, wir gehen davon aus, dass damit noch mehr Fahrgäste dazukommen“, sagt Graunke. Er macht deutlich, dass das dennoch ein Risikogeschäft für die Unternehmer ist. „Wenn es künftig eine Wirtschaftskrise gibt, und die Fahrgäste drastisch abnehmen, dann fehlen die Einnahmen.“

Gleichzeitig baut Wöhr die 634 deutlich aus. Denn die S-Bahn-Linie 6 bekommt zum Fahrplanwechsel einen dichteren Takt, der Viertelstundentakt wird bis Ende 2020 auf den ganzen Tag ausgeweitet. Das übernimmt Wöhr und fährt dann ebenfalls alle 15 Minuten von Leonberg nach Weissach – auf eigenes Risiko.

Schnellbus 74 – eine ganz neue Linie

Dass mit dem eigenwirtschaftlichen Verkehr die Buslandschaft in der Region bunter wird, zeigt indes ein anderes Beispiel. Der Magstadter Unternehmer Jürgen Stäbler kreiert mit der Schnellbus-Linie X 74 eine ganz neue Verbindung und sucht sich dafür eigene Finanzierungspartner. Bisher hat Stäbler die 746 von Magstadt zur Universität in Vaihingen bedient. Der Landkreis hat diese Linie gestrichen, weil sie zu wenig wirtschaftlich sei. „Wir hatten aber immer 100 Fahrgäste pro Tag“, berichtet Stäbler. „Das war für mich unverständlich.“ Daher hat er sich ein neues Konzept überlegt, und wird die Linie schon in Weil der Stadt beginnen lassen.

In 27 Minuten ist man dann künftig von dort aus an der Uni in Vaihingen, Zustiege sind unter anderem am Ihinger Hof und in Magstadt möglich. Weil dennoch voraussichtlich ein Defizit von 40 000 Euro bleiben wird, ist Jürgen Stäbler auf die Rathäuser von Magstadt, Weil der Stadt, Renningen und auf die Universität Stuttgart zugegangen und erhofft sich dort Unterstützung.

„Bis 30. Juni betreiben wir die Linie jetzt auf eigene Kosten“, sagt er. Wenn es bis dahin grünes Licht von den Finanzierungspartnern gibt, dann wird sie fortgeführt. Stäbler jedenfalls sieht den Bedarf. „Das ist ein tolles Angebot zum Beispiel für alle Studenten, die in Weil der Stadt wohnen“, sagt er. Von den Kommunen erhofft er sich erst einmal Unterstützung für zwei Jahre. Vielleicht, so das Kalkül, gibt es dann so viele Fahrgäste, dass sich die Linie alleine trägt.

Alteingesessene Unternehmen setzen sich durch

Änderungen gibt es indes auch bei den Linien, die nicht allein von der Zahl der Fahrgäste profitabel sind, die also auch künftig vom Landkreis unterstützt werden. Sie mussten aber neu ausgeschrieben werden, und zwar europaweit. Die Fahrgäste im Kreis müssen sich dennoch nicht an völlig neue Chauffeure gewöhnen. Gewonnen haben die jetzt neu vergebenen Linien die Firmen Wöhr aus Weissach und Seitter aus Friolzheim, die hier schon vorher tätig waren. „Das freut uns, dass die alteingesessenen Unternehmen gewonnen haben“, sagte Landrat Roland Bernhard bei der Vorstellung des Fahrplans. Große Sorgen habe er sich gemacht, ob das klappt, gab er zu. Gleichzeitig gab es auch eine deutliche Ausweitung des Busverkehrs, nicht nur auf der Linie 634 nach Weissach. Auch der Stadtverkehr Renningen bekommt neue Routen mit einer besseren Anbindung an das Bosch-Forschungszentrum, das Gewerbegebiet Raite und das Neubaugebiet Schnallenäcker. Rutesheim wird besser an den Bahnhof angebunden.

„Es ist wichtig, die Menschen zum Umstieg auf den Bus zu bewegen“, freute sich die Rutesheimer Bürgermeisterin Susanne Widmaier. Und ihr Weissacher Kollege Daniel Töpfer ergänzte: „Gerade für uns als kleine Kommune ohne S-Bahn-Anschluss ist der Busverkehr entscheidend.“

„Wir müssen am Preis drücken“

Für die Unternehmerin Monika Wöhr-Kühnemann bedeutet das jetzt erst mal eine größere Investition. Acht neue Busse braucht sie durch die Taktverdichtung und die neuen Linien – bei gleichzeitig raueren Bedingungen, nicht nur wegen der Eigenwirtschaftlichkeit. „Bei solchen Ausschreibungen müssen wir natürlich am Preis drücken“, sagt Wöhr-Kühnemann.

Und da seien zum Beispiel die hohen Benzinpreise noch nicht absehbar gewesen. Dennoch: „Uns freut, dass wir als mittelständisches Unternehmen überzeugen konnten.“