Hohe Kosten, geringe Einnahmen: Korntal-Münchingen kehrt dem Fahrrad-Leihsystem in der Region den Rücken. Die Stadt ist nicht die einzige unzufriedene Kommune. Und jetzt?

Die Stadt Korntal-Münchingen will so schnell wie möglich aus dem interkommunalen Fahrrad-Leihsystem in der Region aussteigen. Wie viele andere Kommunen ist auch sie mit Regiorad Stuttgart unzufrieden. Trotz der steigenden Anzahl an Kunden, Entleihen und Rückgaben zeichne sich nach rund drei Jahren Betrieb ab, dass das Fahrrad- und Pedelecverleihsystem nicht kostendeckend und vermutlich nicht attraktiv genug ist, um auch mittel- und langfristig wirtschaftlich betrieben zu werden, stellt der Bauamtschef Alexander Bagnewski fest.

 

Hohen Ausgaben stehen geringe Einnahmen gegenüber: Die Kosten für die Stadt steigen seit dem Einstieg stetig. Voriges Jahr waren es 15 000 Euro, zu Beginn, im Jahr 2022, etwas mehr als 10 000 Euro. Macht aktuell pro Fahrt einen Zuschuss von circa 25 Euro. Unmut herrscht in Korntal-Münchingen unter anderem auch deshalb, da laut der Stadtverwaltung Räder beschädigt oder nicht funktionsfähig seien, die Stationen nicht zeitig wieder aufgefüllt oder Räder an beliebigen Stellen im Stadtgebiet abgestellt würden - und sich auch nach Meldung bei der Servicehotline oftmals mehrere Tage noch an dieser Stelle befänden.

Stadtweit gibt es in jedem Ortsteil eine Regiorad-Station: Am Bahnhof Korntal stehen drei Pedelecs und zwei Fahrräder, am Bahnhof Münchingen sowie am E-Center Kallenberg jeweils vier Pedelecs und ein Fahrrad.

Erwartete Nachfrage nicht erfüllt

Nichtsdestotrotz kommt Regiorad bei den Nutzern zumindest in Korntal-Münchingen gut an: Die Zahl der registrierten Kunden ist von 54 auf 105 Einwohner gestiegen – eine Verdopplung binnen zwei Jahren. Die Zahl der innerstädtischen Fahrten hat sich gut verdreifacht. Bei den interkommunalen Fahrten wurden in 2022 und 2023 insgesamt 294 Fahrten registriert. Vergangenes Jahr waren es 376 Fahrten. Davon entfallen 282 Fahrten auf die Verbindung „Stuttgart - Korntal-Münchingen“ beziehungsweise „Korntal-Münchingen - Stuttgart“.

Viele nutzen statt der Räder lieber E-Scooter. Foto: Simon Granville

Insgesamt sieht das Bild aber anders aus: Die Zahl der (aktiv) Nutzenden und deren Nachfrage bleiben in Stuttgart und der Region weit hinter den Erwartungen zurück, heißt es aus der Landeshauptstadt, die sich federführend um das Thema kümmert. Die Nachfrage dort ist von ungefähr 128 000 Fahrten im Jahr 2019 auf etwa 75 000 in 2023 gesunken. Auch der hohe Subventionsbedarf stört Stuttgart massiv. Die Stadt bezuschusst Regiorad jedes Jahr mit 850 000 Euro.

Stuttgart hat deshalb beschlossen, den Vertrag mit der Deutschen Bahn Connect zu kündigen. Er läuft noch bis Ende 2026. Statt Regiorad möchte die Stadt künftig einen privaten Anbieter an ihrer Seite haben, der von 2027 an eigenwirtschaftlich einen Radverleih betreibt. An der Ausschreibung will sich Korntal-Münchingen beteiligen – wie auch andere Kommunen – und den Vertrag mit der Bahntochter spätestens zum November 2026 kündigen. „Wir können und wollen uns das nicht mehr leisten“, meint die SPD-Fraktionsvorsitzende Renate Haffner mit Blick auf die Kosten für die Stadt. Peter Ott, der Fraktionschef der FDP, spricht von „hanebüchen“. Dass die Stadt 15 000 Euro draufzahle, sei der Bevölkerung in keiner Weise zu vermitteln. Peter Ott forderte außerdem, dass die Stadtverwaltung den Mitgliedern des Verwaltungsausschusses die Rahmenbedingungen eines neuen Anbieters vorlegt, bevor sie zustimmt, dass dieser in der Stadt ein Radverleihsystem aufbaut und betreibt.

Immer weniger Kommunen dabei

Mit ihrer Entscheidung ist die Stadt Korntal-Münchingen in bester Gesellschaft: 20 Kommunen sind bereits vom Regiorad „abgestiegen“. Im Altkreis ziehen vermutlich zum Beispiel Leonberg und Ditzingen nach. Renningen ist schon vorzeitig aus dem Vertrag ausgestiegen. Die blauen Räder können derzeit noch an 240 Stationen in 34 Kommunen entliehen und zurückgegeben werden.

Geht es nach Steffen Müller (Freie Wähler), ermöglicht die Stadt den E-Scootern von Zeus mehr Rabattzonen dort, wo künftig Regiorad-Flächen freiwerden. Stadtweit habe es gerade mal drei bis vier solcher Zonen. Gäbe es mehr davon, hätten die Nutzer auch mehr Möglichkeiten, näher an ihrem Zielort zu parken, so Müller. Hintergrund ist, dass sich Bürger regelmäßig darüber ärgern, dass die E-Roller immer wieder auf dem Gehweg herumliegen statt ordentlich wo vorgesehen abgestellt zu werden. Wer den E-Scooter in einer speziellen, sogenannten Bonuszone abstellt, zahlt weniger für seine Fahrt. Steffen Müller ist überzeugt davon, dass es sich lohnt, würde die Stadt mit dem Geld, das sie für Regiorad spart, die E-Scooter subventioniert. „Sie sind eine stadtteilverbindende Maßnahme.“