Elektroräder und Pedelecs standen bei den 13. Fahrradaktionstagen in Stuttgart im Blickpunkt. Vor ein paar Jahren war das noch ganz anders.

Stuttgart - Das Phillip-Moritz-Fischer-Rad von 1853 am Stand der historischen Radsportgruppe Wendlingen würde heute wohl kaum noch als verkehrssicher durchgehen. Als Beleuchtung ist eine Laterne mit Kerze am Lenker angebracht, die Pedale finden sich am Vorderrad. Bei den 13. Fahrradaktionstagen auf dem Schlossplatz wirkt am Samstag selbst manch modernerer Drahtesel schon fast wie ein Exot. Bei den Ausstellern auf dem Sattel-Fest bestimmen E-Bikes und Pedelecs das Bild.

 

Vor fünf Jahren seien sie noch ein Nischenthema gewesen, stellt Peter Pätzold (Grüne), Bürgermeister für Umwelt und Städtebau, fest. Angereist ist er stilecht mit dem eigenen Fahrrad. Damit liegt Pätzold im Trend. „Stuttgart fährt Rad“ ist mehr als ein Slogan. Die fest installierte Radzählstation auf der König-Karls-Brücke in Bad Cannstatt zählte im vergangenen Jahr 828 357 Radler. Das sind gut und gern 21 Prozent mehr als noch 2013. „Das Fahrrad wird immer wichtiger“, bestätigt auch Polizeiobermeister Thomas Fabian. „Wir fahren regelmäßig mit dem Rad Streife. Vor allem, wenn wir im Dienste der Unfallprävention unterwegs sind. Privat radle ich allerdings lieber in der Natur als in der Stadt.“

So mancher nimmt ein Fahrrad mit nach Hause

Welches Schloss bringt am meisten Sicherheit? Welcher Helm schützt am zweckmäßigsten? Wie steht es um Angebote für Fahrradurlaub? Die Informationsangebote sind zahlreich. Wer noch nicht über den passenden fahrbaren Untersatz verfügt, kann ihn sich bei einer der Versteigerungen auf der Showbühne sichern.

„Ich hatte nicht vor, heute ein Fahrrad zu kaufen“, gesteht Selma Haddouche, die gerade ein Mountainbike für ihren Sohn entgegennimmt. „Es passte aber einfach so gut. Witzig ist, dass ich beim Aktionstag vor zwei Jahren auch schon ein Rad für unsere Tochter gefunden habe. Es lohnt sich offenbar, hier vorbeizuschauen.“

Auch Paula Brendel ist zufrieden. Sie engagiert sich für den Radentscheid Stuttgart. Am Samstag fiel der Startschuss für das Vorhaben, 20 000 Unterschriften für einen Bürgerentscheid zu sammeln. Stuttgart soll noch fahrradfreundlicher werden. „Das Interesse ist groß“, freut sich die Studentin der Agrarwissenschaften. „Wir hatten schon viele interessante Gespräche an unserem Stand. Ich habe das Gefühl, die Mobilitätskultur wandelt sich wirklich.“

Das Finale ist dann am Sonntag die Einfahrt Tausender Radler aus der ganzen Region. Dort endet die 6. Radsternfahrt 2018 am Mittag auf dem Schlossplatz. „FahrRad statt Feinstaub“ ist das Motto, der vom Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC) organisierten Fahrrad-Demo. Auf sieben Strecken – aus Filderstadt, Schorndorf oder Göppingen – machten sich die Radler auf gesperrten Straßen, eskortiert von der Polizei, am Vormittag auf den Weg in die Landeshauptstadt, um zu zeigen, dass nachhaltige Mobilität keine Utopie ist. „Wir wollen den Radverkehr fördern“, so Mathias Rady, Geschäftsführer des ADFC Esslingen. „Das Rad muss als Verkehrsmittel zumindest gleichwertig wie das Auto behandelt werden.“

Ulrich Bayha aus Waiblingen ist zum zweiten Mal bei der Radsternfahrt mitgefahren. „Es macht Spaß mit so vielen Leuten in die Stadt, auch auf der B 14, reinzufahren“, sagt der 64-Jährige, der auch jeden Tag zehn Kilometer zur Arbeit radelt.

Bayha unterstützt die Ziele des ADFC: Aus seiner Sicht sollten mehr Leute vom Auto aufs Rad umsteigen. Eine zumindest in Teilen autofreie Innenstadt fände er nicht schlecht. „In Stuttgart ist manches zwar durch die Topografie schwierig, da ist Kreativität gefragt“, sagt Bayha, „aber es wäre eine feine Sache und würde die Attraktivität Stuttgarts immens steigern“.

Einige Radler kritisieren zwar die etwas chaotische Organisation, oft sei es eher „ein Stop-and-go“ denn ein Radeln gewesen, aber bei der Ankunft am Schlossplatz sind sich dann alle einig: „war cool“ oder „toll, in so einer großen Gruppe zu fahren“.

Es sei eine sehr entspannte Fahrt gewesen, ist das Fazit von Astrid Cordts aus Herrenberg, die für den ADFC als Ordnerin mitfuhr. Und: „Endlich hatte wir auch mal das Gefühl, als Fahrradfahrer richtig viel Platz zu haben“, schwärmt die 56-Jährige.