Die Umweltschützer sind wegen der Fahrverbote nicht betrübt, allerdings stellen sie fest: Es gibt andere und bessere Wege, um die Luft besser zu machen. Die Konzepte haben sie am Freitag der Öffentlichkeit vorgestellt.

Stuttgart - Die Dieselfahrverbote in Stuttgart mögen bei vielen heftige Wut auslösen – die Umweltverbände und ökologischen Verkehrsverbände in Stuttgart stören sich nicht daran. Allerdings, meinen sie, könnte man darauf verzichten, hätten die diversen früheren Landesregierungen mehr gegen das Anwachsen des Autoverkehrs unternommen. „Dann müssten wird heute nicht über Fahrverbote reden“, sagte Joseph Michl vom Stuttgarter Arbeitskreis des Landesnaturschutzverbandes (LNV).

 

Problme gibt es zuhauf

Weil am Montag die Stufe 2 der Fahrverbote für Diesel unterhalb der Euronorm 5 greift, sprachen die Verbandsvertreter am Freitag aber doch über diese Verbote – und über viele andere Restriktionen, die sie für dringend nötig halten. Denn nur mit der Neuverteilung des Verkehrsraums, mit der deutlichen Reduzierung von Autos und von gefahrenen Autokilometern, also mit einer richtigen Verkehrswende könne man die diversen Probleme halbwegs in den Griff bekommen. So mahnten bei einer Pressekonferenz neben dem LNV auch der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), der Verkehrsclub Deutschland (VCD), der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) sowie der Verein FUSS/Stuttgart zu Fuß.

Probleme gebe es zuhauf. Nicht nur die Überschreitung der Grenzwerte für Luftschadstoffe, sondern auch die Flächenkonkurrenz von Wohnungen und Autos, den gesundheitsbeeinträchtigenden Verkehrslärm sowie den immer bedrohlicheren Klimawandel. Auch für den Klimaschutz sei die Frage der Mobilität entscheidend, sagte BUND-Regionalgeschäftsführer Gerhard Pfeifer. Für Maßnahmen in dem Bereich lägen in Stuttgart alle Konzepte auf dem Tisch, meinte er. Dass die Stadt sich einen zusätzlichen Masterplan Mobilität 2040 nun 3,5 Millionen Euro kosten lassen wolle, verblüffe den BUND maßlos. „Wir könnten und müssten auch ohne ihn längst in die Puschen kommen“, sagte Pfeifer.

Die Verbände halten eine offensive Bevorrechtigung von öffentlichen Verkehrsmitteln, Radfahrern und Fußgängern für nötig. Wären Busse und Bahnen in puncto Fahrtzeiten konkurrenzfähiger, würden die Stickoxidwerte sinken. Pfeifer forderte auch die „Regelgeschwindigkeit Tempo 30“ im Stadtgebiet, wofür die Lärmschutzgesetzgebung eine Handhabe böte, und eine strikte Tempobegrenzung auf 60 Stundenkilometer auf allen Ein- und Ausfallstraßen. Die Stadt müsse zudem mehr mit Pförtnerampeln an allen Zufahrtspunkten arbeiten. Auch noch so gute Angebote wie billigere VVS-Tickets bewegten die Leute erfahrungsgemäß allein nicht zum Umsteigen. Pfeifer: „Es müssen auch Verbote und Restriktionen her.“

Ausbau der Hautradwege in der Region nötig

Bisher seien nur auf 13 von 600 Stuttgarter Straßenkilometern Busspuren eingerichtet, kritisierte auch Christoph Link, VCD-Vorsitzender in Stuttgart. Dass es auf der Wagenburgstraße im Stuttgarter Osten immer noch keine Busspur gebe, weil das ein paar Parkplätze kosten würde, sei ein „Skandal“.

Dass Stuttgart eine andere Kultur des Umgangs mit dem öffentlichen Raum brauche, unterstrichen die ADFC-Landesvorsitzende Gudrun Zühlke und FUSS-Sprecherin Susanne Jallow. Letztere sagte, 29 Prozent der von den Stuttgartern zurückgelegten Wege würden ohne Verkehrsmittel bewältigt. Es könnten noch viel mehr sein. Die Fußgänger bräuchten aber sichere Wege und gute Luft. Daher müsse alles von den Gehwegen runter, was dort nicht hingehöre: Elektroscooter, Ladesäulen für Elektromobile, Parkscheinautomaten und Gehwegparker. Dafür wiederum brauche man einen Teil der Autospuren und Parkplätze. Doch Gehwege und Kreuzungsbereiche seien in Stuttgart heillos von immer größeren Stadtgeländewagen zugestellt. Man brauche mehr Maßnahmen dagegen.

Würde es weniger Gefahren geben, stattdessen breite, durchgehende und selbsterklärende Radwege, könnten die 60 Prozent der Verkehrsteilnehmer fürs Radfahren gewonnen werden, die interessiert seien, aber Sicherheitsbedenken hätten, sagte Zühlke. Daher brauche man nicht nur die vom Land angepeilten Radschnellwege, sondern noch rascher den Ausbau der Hauptradwege in der Region.

Was man nicht brauche, sagte Joseph Michl vom LNV: etwa den Bau des Stuttgarter Nordostrings und die drastische Verbreiterung der B 10 zwischen Plochingen und Vaihingen/Enz. Neue und breitere Straßen würden mehr Verkehr verursachen – und am Ende zu mehr und nicht weniger Fahrverboten führen. Die Straßenprojekte müssten schleunigst aus dem Luftreinhalteplan gestrichen werden.