Diesel-Fahrverbot oder nicht: Für diese Frage ist vor Gericht die Stickoxid-Konzentration in Städten entscheidend. Für die Messung gibt es EU-Vorgaben, die einen Spielraum lassen - und Kritiker auf den Plan rufen. Das Umweltministerium will die Debatte nun beenden.

Berlin - Im Streit um Luftverschmutzung und Diesel-Fahrverbote in Städten lässt das Bundesumweltministerium die Standorte der Stickoxid-Messstellen überprüfen. Geplant sei eine unabhängige und deutschlandweite Begutachtung der relevanten Messstellen durch den Tüv, für die das Ministerium die Kosten übernehme, sagte Umwelt-Staatssekretär Florian Pronold (SPD) am Freitag im Bundestag. Am Montag kommt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit Vertretern von Kommunen zusammen, um über das seit zwei Jahren laufende „Sofortprogramm Saubere Luft“ und andere Fragen rund um Diesel-Abgase und Fahrverbote zu beraten.

 

Deutsche Umwelthilfe zieht vor Gericht

Seit einigen Monaten gebe es „Propaganda“, der zufolge die für die Berichterstattung Deutschlands an die EU maßgeblichen Messstellen für Stickstoffdioxid (NO2) falsch aufgestellt seien, sagte Pronold. Das sei eine „Gespensterdebatte“, die Misstrauen schüre. Dem wolle das Umweltministerium nun mit „klaren Fakten“ entgegenwirken. Er gehe davon aus, dass kein Bundesland etwas einzuwenden habe. Zuständig für die NO2-Messung sind die Umweltbehörden der Länder. Die Überprüfung dürfte Pronold zufolge mehrere Monate dauern.

Die Deutsche Umwelthilfe zieht wegen zu großer Luftverschmutzung in Städten wie Stuttgart, Frankfurt am Main und Berlin vor Gericht. Bisher überschreiten 65 Städte den EU-Grenzwert von 40 Mikrogramm gesundheitsschädlichem Stickstoffdioxid (NO2) pro Kubikmeter im Jahresmittel, 15 Städte liegen sogar über 50 Mikrogramm. Mehrere Gerichte haben deswegen bereits Fahrverbote für ältere Dieselautos verlangt, in Hamburg gibt es schon streckenweise Fahrverbote. Seit Freitag liegt für Stuttgart offiziell ein neuer Luftreinhalteplan vor, der ebenfalls Fahrverbote enthält.

FDP und AfD stellen Anträge

Eine Überprüfung der Messstellen hatten unter anderem zweimal die Landesverkehrsminister gefordert. In Nordrhein-Westfalen wurde bereits geprüft. Falsch stand dort nur eine Messstelle in Aachen, die nicht zum EU-Messnetz zählt. Das Umweltministerium kam mit dem Vorstoß einer Debatte zu dem Thema im Bundestag zuvor. FDP und AfD hatten Anträge gestellt, die unter anderem den EU-Grenzwert infrage stellen und eine Vereinheitlichung und Vergleichbarkeit der Messungen fordern.

Wo Messstellen stehen sollen, legt die EU-Richtlinie 2008/50/EG fest - sowohl an Orten mit den „höchsten Konzentrationen“ als auch an Orten, wo die Belastung geringer ist. Richtig ist, dass es einen gewissen Spielraum für die Position gibt, zum Beispiel: „mindestens 25 Meter vom Rand verkehrsreicher Kreuzungen und höchstens 10 Meter vom Fahrbahnrand entfernt“, und „in einer Höhe zwischen 1,5 Metern (Atemzone) und 4 Metern über dem Boden“. Dieses sei „soweit möglich“ zu berücksichtigen.

Das Bundesverkehrsministerium veröffentlichte seine Förderrichtlinie für sogenannte Hardware-Nachrüstungen an Kommunalfahrzeugen. Etwa für die Fahrzeuge der Müllabfuhren und Straßenreinigung in besonders belasteten Städten stehen ab Januar 2019 rund 100 Millionen Euro bereit, mit denen eine Nachrüstung der Abgasreinigung unterstützt werden soll. Damit lasse sich der Stickoxid-Ausstoß dieser Fahrzeuge um bis zu 85 Prozent reduzieren, sagte Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU).