FDP-Landeschef Michael Theurer sieht die Südwest-Liberalen als Vordenker für die Bundespartei – auch beim Klimaschutz. Der müsse möglich sein, ohne den Wohlstand zu opfern, sagt der Liberale.

Stuttgart - Zwei Tage nach Inkrafttreten von Fahrverboten in Stuttgart hat der FDP-Landesvorsitzende Michael Theurer im Gespräch mit unserer Zeitung in der Verkehrspolitik der grün-schwarzen Landesregierung „eine konstante Gängelung der Normalbürger“ erkannt, die dem Klima auch nicht helfe. Flächendeckende Fahrverbote oder allgemeine Tempolimits höhlten die Akzeptanz von Klimaschutzmaßnahmen aus. „Wer die Axt an das Grundrecht auf individuelle Mobilität legt, bekommt es mit uns zu tun“, warnte Theurer, der einst Oberbürgermeister in Horb sowie Europaabgeordneter war und seit 2017 im Bundestag Vize-Fraktionsvorsitzender seiner Partei ist.

 

An Selbstbewusstsein hat es den Liberalen in Baden-Württemberg nie gemangelt – in Stuttgart steht das einzige Parlament, aus dem die FDP seit dem Jahr 1952 nie hinausgeflogen ist. Dementsprechend hat Landesparteichef Theurer kurz vor dem 163. Dreikönigstreffen in der Stuttgarter Oper die Südwest-FDP auch als „Vordenker und Schrittmacher“ der Liberalen bezeichnet. Das spiegele sich auch in den Wahlergebnissen wider, sagt er. Zuletzt seien es 12,7 Prozent bei der Bundestagswahl gewesen, das zweitbeste aller Landesverbände. Manche Vorstöße der Südwest-FDP seien bei der Bundespartei „nicht sofort auf offene Ohren“ gestoßen, räumt Theurer ein. Das gelte etwa für die Forderung einer Amtszeitbegrenzung der Bundeskanzler auf zwei Legislaturperioden oder höchstens zehn Jahre oder seinen Vorstoß für eine Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung. Dass sie damit vom Tisch sind, ist damit nicht gesagt.

Den Wohlstand nicht für das Klima opfern

Auch im Klimaschutz verfolgen die Südwest-Liberalen mit dem sogenannten „blauen Wachstum“ eine eigene Idee mit bundespolitischem Anspruch: „Mit blauem Wachstum meinen wir ein nachhaltiges, umwelt- und klimafreundliches Wachstum. Wir müssen Wohlstand, Sozialverträglichkeit und Umweltschutz unter einen Hut kriegen“, sagt Theurer. Ansonsten drohten Zustände wie in Frankreich, wo höhere Benzinsteuern den Proteststurm der „Gelbwesten“ auslösten. Wer den Wohlstand für das Klima opfere, so Theurer, der werde am Ende beides verlieren. Der „grünen Verzichts- und Verbotsideologie“ setze die FDP eine Offenheit gegenüber neuen Technologien entgegen. Man vertraue dabei beispielsweise auf kohlendioxid-neutrale synthetische Kraftstoffe oder klimafreundliche Produkten, die beim Konsumenten auch ankämen. Dazu brauche es eine Generalrevision der deutschen Energie- und Klimapolitik. „Mit nationalen Alleingängen kann man das Weltklima nicht retten. Die 26 Milliarden Euro aus der EEG-Umlage entsprechen in etwa den gesamten deutschen Forschungsausgaben an Universitäten, Hochschulen, staatlichen Stellen und Forschungsinstituten. Wenn wir in Deutschland etwas bewirken wollen für das Klima, dann am ehesten mit Innovation.“

Ein funktionsfähiger und um die Sektoren Wärme und Verkehr erweiterter Europäischer Emissionshandel bleibe aber auf der Agenda der FDP, genauso wie eine Abscheidung von Kohlendioxid aus der Luft sowie die internationale Aufforstung.

Liberale seien Anwalt des Mittelstandes, sagt der FDP-Chef

„Die neue FDP“ unter Christian Lindner werde vorwiegend als Digitalisierungspartei wahrgenommen, sagt Theurer. Der Südwest-FDP seien aber auch die Belange der kleinen und mittleren Unternehmen wichtig. Sie seien „das Rückgrat unserer Wirtschaft“, dort seien die meisten Ausbildungs- und Arbeitsplätze. „Wir verstehen uns natürlich schon noch als Anwalt des klassischen Mittelstands“, sagt Theurer. Eine Agenda für die Fleißigen, wie sie der Kandidat für den CDU-Vorsitz, Friedrich Merz, entwerfen wollte, gebe es bei der FDP übrigens längst. Wenn die Liberalen einen Teil ihrer Kernforderungen umsetzen könnten, so Theurer, seien sie auch gerne zur Regierungsverantwortung bereit. Er schränkt allerdings ein: „Mit Annegret Kramp-Karrenbauer, deren wirtschaftspolitische Bilanz als Ministerpräsidentin des Saarlandes mit desaströs noch wohlwollend umschrieben ist, wird das natürlich nicht zwingend einfacher.“

Aber auch in der Opposition in Baden-Württemberg und im Bund trage die FDP Verantwortung, man verstehe sich als eine „konstruktive Service-Opposition“. So habe man zur Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes einen Gesetzentwurf eingebracht und einen Kompromiss zur Grundgesetzänderung für eine bessere Bildungsfinanzierung ausgehandelt.