Der Weltverband der Sportjournalisten hat drei bemerkenswerte Gesten mit dem Fair-Play-Preis ausgezeichnet.

Chef vom Dienst: Tobias Schall (tos)

Stuttgart - Jacques Rogge war auch da. Der Belgier ist der Gralshüter der Werte des Sports, zumindest qua Amt. Er ist Präsident des Internationalen Olympischen Komitees, und in dieser Funktion hat er aber vor allem mit ziemlich vielen miesen Dingen zu tun, mit Doping, Korruption, Wettbetrug und so weiter. An diesem Sonntagabend aber ging es um die Schönheit des Sports, um seine Werte, um die Kraft der Geste, um das olympische Ideal: In Lausanne wurden vom Sportjournalisten-Weltverband AIPS die Fair-Play-Preise verliehen. Drei Personen wurden für ihr Verhalten ausgezeichnet, drei Beispiele dafür, wie Sport auch sein kann, ja, wie er doch eigentlich sein soll: rein, edel, vorbildlich.

 

Ballardini unterbindet den Angriff des eigenen Teams

Davide Ballardini ist der Retter in der Not. Er soll den FC Genua in der sich von Skandal zu Skandal hangelnden Serie A vor dem Abstieg retten. Es geht um Existenzen, um das sportliche Überleben, als er im Januar sein Amt antritt. Auch an diesem Abend. Es ist der 3. März dieses Jahres. Genua spielt beim AS Rom. 1:2 liegt seine Mannschaft hinten, als die 80. Spielminute beginnt. Genua hat den Ball, ein aussichtsreicher Angriff bahnt sich an. Doch Ballardini sieht, was außer ihm keiner zu bemerken scheint: Im eigenen Strafraum, weit ab vom Geschehen, liegt ein gegnerischer Spieler und krümmt sich vor Schmerzen. Ballardini gestikuliert wild, er fordert seine Spieler auf, den Ball ins Aus zu schießen. Nichts passiert. Vielleicht hören sie ihn einfach nicht, den möglichen Ausgleich im Sinn.

Ballardini läuft auf das Feld, was ihm später ein Spiel Sperre wegen unerlaubten Betretens einbringt, um den eigenen Angriff zu unterbinden. Der Schiedsrichter unterbricht sofort, als er ihn auf dem Rasen sieht. Kein Angriff, kein Chance, keine Rettung für Genua. Aber der Spieler kann behandelt werden. Genua verliert 1:3. Am Ende schafft der Club aber den Klassenverbleib. Ballardini sagt: „Unglücklicherweise steht Italiens Fußball nicht für Fair-Play. Was ich tat, war ja nur eine kleine Geste. Ich hoffe aber, dass dies normal wird und dass es andere motiviert. Fair-Play rechnet sich immer.“

Ivan Fernandez Anaya deutet dem Kontrahenten den Weg

Ivan Fernandez Anaya beeindruckt die Sportwelt am 2. Dezember. Er gibt ein Beispiel für Sportsgeist, und er gibt dem Sport den richtigen Sieger. Er verzichtet auf einen Erfolg, der ihm nicht gehört: Bei einem Crosslauf im spanischen Burlada liegt der 24-Jährige kurz vor dem Ziel auf dem zweiten Platz. Vor ihm nur der Kenianer Abel Mutai. Auf einmal wird der Olympiadritte langsamer. Anaya wittert erst seine Chance, dann erkennt er, dass sein Konkurrent fälschlicherweise sein Rennen zehn Meter zu früh beendet, vor dem Zielstrich, den er nicht richtig gesehen hat. Der Spanier läuft auf, stoppt neben Mutai statt nach dem so einfachen Sieg zu greifen und deutet seinem Gegner, dass er noch weiter laufen müsse. Abel Mutai nimmt wieder Fahrt auf, joggt unbedrängt ins Ziel und gewinnt. Anaya wird Zweiter. So, wie es im Rennen war. Er sagt: „Fair-Play bedeutet für mich sauberer Sport – von der Dopingkontrolle bis hin zur Einstellung. Fair-Play ist ein Wert, der leider immer seltener anzutreffen ist, sei es in der Politik, im Alltag oder im Sport.“

Meghan Vogel hilft einer gestürzten Läuferin ins Ziel

Meghan Vogel hat an diesem Tag schon einen Sieg errungen. Bei den High-School-Meisterschaften im US-Bundesstaat Ohio hat die 17-Jährige den Lauf über 1600 Meter gewonnen. Meghan Vogel ist eine lokale Bekanntheit, sehr talentiert. An diesem 5. Juni wird sie eine nationale Berühmtheit. Am folgenden Tag wird ihr Bild durch die Medien der Nation gehen und zu einem Symbol für Handeln im Sinne der großen Werte des Sports werden. In US-amerikanischen Zeitungen wird sie lesen, dass sie eine Inspiration sei. In ihrem zweiten Rennen startet sie über die 3200-Meter-Strecke, es ist nicht ihre Distanz. Es sind vielleicht noch 100 Meter bis zum Ziel, sie liegt weit hinter der Spitze zurück. Die meisten sind schon angekommen, als Meghan Vogel auf die Zielgeraden kommt. Vor ihr läuft Arden McMath, entkräftet und kaputt. Dann stürzt McMath, ihr Körper kann nicht mehr. Meghan Vogel hält bei ihr, sie hilft der Läuferin auf und legt deren linken Arm um ihre Schulter, mit ihrem rechten Arm umfasst Vogel deren Hüfte und stützt sie. So machen sie sich auf den Weg. Meghan Vogel schleppt ihre Kontrahentin die letzten Meter ins Ziel und achtet darauf, dass Arden McMath vor ihr die Linie passiert. Sie werden Letzte und Vorletzte.

Die Zuschauer erheben sich, sie sind gerührt, begeistert, ergriffen von diesem wundervollen Moment, in dem der Sport seinen ganzen Sportsgeist entfaltet. Manche, so wird berichtet, hätten feuchte Augen gehabt. Meghan Vogel sagt, dass sie die Aufregung nicht verstehe. „Ich dachte einfach: Es ist das Richtige, dies zu tun. Jeder andere hätte das doch auch so gemacht.“