Bei einer Vogelbeobachtungstour zu den Fellbacher Falken erleben die Teilnehmer hautnah, wie die schnellen Tiere auf Beutejagd gehen.

Fellbach - Sonntagmorgen 8 Uhr am Rems-Murr-Center in Fellbach. Ein Grüppchen Leute hat sich auf dem Parkplatz versammelt. Stehen die etwa für ein Sonderangebot an? Falsch gedacht! Die Personen, die sich in aller Herrgottsfrühe versammelt haben, sind nicht auf Billigpreise aus. Sie haben ein anderes Ziel der Begierde. Ihr Blick richtet sich nach oben, in 107 Meter Höhe. Dort kreist Fellbachs Schnäppchenjäger Nummer eins: Ein Wanderfalke auf der Suche nach Beute.

 

Kaum hat sich die Gruppe unter der Anleitung der beiden Ornithologen und Falken-Freaks Michael Eick und Herbert Kugel vom Fellbacher Nabu versammelt und mit Ferngläsern ausgestattet, düst der schnellste aller Vögel auch schon los. Vom höchsten Hochhaus Baden-Württembergs startet der Wanderfalke seine Jagdflüge in alle Richtungen. Manchmal erblickt er eine Beute in gut zwei Kilometern Entfernung, fliegt im vorausberechneten Winkel auf sie zu, um ihr dann auf den letzten Metern richtig Druck zu machen. Geschwindigkeiten von über 300 Stundenkilometern erreicht der Beutegreifer dabei im Sturzflug. Mit diesem Tempo können selbst die schnellsten Einkaufswagen nicht mehr mithalten.

Ein Wanderfalke auf Beutesuche. Foto: Michael Eick
„Erbeutet werden ausschließlich fliegende Vögel“, erklärt Michael Eick den staunenden Zuschauern. „Das sind Beutetiere in Finken- bis etwa Krähengröße. Seine Hauptbeute in der Stadt sind eindeutig Straßentauben.“ Kaum zu Ende gesprochen lässt sich der weibliche Wanderfalke direkt vom Dach des Towers in einem atemberaubenden Sturzflug zwischen die Häuserschluchten der Fellbacher City fallen, um dann Sekunden später in den Himmel hochzusteilen. Die Beute ist dieses Mal äußerst knapp entkommen – mit einem halsbrecherischen Manöver: „Wenn ein Vogel den herannahenden Falken rechtzeitig bemerkt, dann gibt es meist nur eins“, sagt Eick, „sich einfach fallen lassen.“

Die 3D-Jagden im freien Luftraum bewegen sich immer am Limit dessen, was Vögel können. Deshalb ist auch nur ungefähr jeder fünfte bis siebte Jagdflug erfolgreich. Die Falken leben bestens in Fellbach und können die allermeiste Zeit des Tages dösend verbringen. Der Schwabenlandtower als „Airbase“ ist für die beiden Hochgeschwindigkeitsflieger nicht nur Start- und Landepunkt, sondern seit über zwei Jahren der Lebensmittelpunkt der faszinierenden Vögel.

Vorgeschichte: Dort droben, in Fellbachs höchster Wohnetage nämlich, hat sich das Pärchen Wanderfalken eingenistet. Allerdings waren die Falken, die sich bereits 2017 eingefunden hatten, zunächst noch auf der Suche nach der idealen Wohnung und hätten sich beinahe für eine der leer stehenden Etagen entschieden. Doch dann wurde vergangenes Jahr auf Initiative des Fellbacher Nabus eigens für die beiden Vögel ein spezieller Kasten eingerichtet. Vorteil für die Vögel: ein wohnliches Eigenheim zu günstigen Konditionen, nicht zu groß und nicht zu zugig. Vorteil für den jetzigen Eigentümer des 34-stöckigen Objekts, die CG-Gruppe: kein Risiko, dass die streng geschützten Vögel irgendwo „wild“ im 29. Stock nicht nur ihre Eier, sondern damit auch sämtliche Bauarbeiten lahmlegen. Der Plan ging auf, die Falken erbrüteten vergangenes Jahr zwei Jungvögel und waren damit gleich im ersten Anlauf erfolgreich. Somit sind sie auch gewissermaßen die ersten „rechtmäßigen“ Bewohner des mittlerweile von Gewa-Tower in Schwabenlandtower umgetauften Hochhauses.

Die schnellsten Flieger der Welt ziehen Vogelbeobachter an

Und nun ziehen die schnellsten Flieger der Welt regelmäßig interessierte Vogelbeobachter an. Über die Flugshow mit einigen Ehrenrunden über den Köpfen der Vogelkundler war die Falken-Fangemeinde dementsprechend begeistert. „Wow, das war wirklich spektakulär“, bekennt einer der Teilnehmer, nachdem die Gruppe einmal um den Block gezogen ist und aus allen Winkeln die Falken in Aktion erlebt hat.

Für die über 20 Teilnehmer hat der Nabu keine Mühen gescheut und ganze sieben Fernrohre aufgebaut. „Damit gibt’s für jede Größenklasse das passende Spektiv“, scherzt Herbert Kugel, der täglich ein Auge auf die Wanderfalken hat. Mit dem Fernrohr und etwa fünfzigfacher Vergrößerung sind die Beobachter dem Geschehen ganz nah. Allerdings noch nicht so nah wie gewünscht: „Wir können von hier unten nicht genau erkennen, ob schon Eier gelegt sind, ob gebrütet wird oder wann die Jungen schlüpfen“, so Kugel.

Der Nabu drängt daher darauf, dass eine Kamera im Kasten installiert wird – vor allem wegen der geplanten Bauarbeiten. Dies könne den Bauherren viel Zeit und Kosten sparen. „Wenn wir wissen, wie die Lage im Nistkasten ist, kann viel eher grünes Licht fürs Weiterbauen gegeben werden“, erklärt Herbert Kugel. Das Falkenteam beim Nabu hat hierfür eine komplette Videoanlage angeschafft und wartet nur noch auf das „Go“ der Eigentümer. „Von uns aus können wir die Kamera in dieser Woche einbauen“, sagt Herbert Kugel. Viel Zeit bleibt laut Naturschutzbund vor Brutbeginn allerdings nicht mehr.