Falknerei in Nürtingen Wie ein Falke zum Haustier wird

Die Falknerin Elke Rogge zusammen mit ihrer Sakerfalken-Dame Smilla beim Spaziergang auf den Streuobstwiesen. Foto: /Ines Rudel

Statt Hase, Hund oder Katze hält die Nürtingerin Elke Rogge den Sakerfalken Smilla als Haustier. Tiere, Jagd und Natur haben sie schon als Kind fasziniert. Wie gestalten sich der Alltag und das tägliche Training mit einem Falken?

Ruhig und entspannt steht die Falken-Dame Smilla auf dem Lederhandschuh ihrer Besitzerin Elke Rogge. Dann lässt sich der Vogel auf einer Holzbank nieder, dreht immer wieder den Kopf hin und her und verfolgt mit seinen dunklen Augen das Geschehen um ihn herum auf der Streuobstwiese im Nürtinger Stadtteil Neckarhausen. Von Aufregung ist dabei aber keine Spur, auch wenn ein fremder Mensch neben ihm auf der Bank Platz nimmt. „Ob sich Smilla wohlfühlt und entspannt ist, ist ganz genau an ihren Federn am Kinn zu sehen. Wenn diese abstehen, ist alles gut, falls sie angelegt sind, dann ist sie ein bisschen nervös“, sagt die Falknerin Elke Rogge aus Nürtingen.

 

Falke bestimmt den Alltag

Zu Hause bei Besitzerin Rogge lebt Smilla im Garten in einer Voliere mit Innen- und Außenbereich. Und das ist laut Rogge auch wichtig, damit sie sich darin frei bewegen kann: „Ich möchte ihr da einfach mehr bieten, sodass sie sich austoben kann.“ Egal ob beim Baden im Wasser und Sand oder beim Schaukeln auf einem kleinen Stück Holz, das in der Mitte der Voliere hängt. Gefressen wird ebenso in der Voliere – und zwar aufgetaute tote Mäuse, Eintagsküken oder Wachteln. In der freien Natur lebende Sakerfalken machen hauptsächlich Jagd auf Ziesel und Tauben, aber auch andere tagaktive Nager und Krähen. Ab und zu darf sie auch ins Wohnzimmer. Dann steht sie am Fenster und schaut nach draußen. Auch mit dem Hund der Familie verstehe sie sich gut. „Und wenn es dunkel wird, verfolgt ihr Blick uns oder das Fernsehprogramm – am liebsten Tiersendungen oder Landschaften“, erzählt Rogge.

Auch im Urlaub ist Smilla immer mit dabei. Dazu hat die Familie Rogge eine Wohnkabine auf dem hinteren Teil des Pick-ups montiert. „Gerade bei Sakerfalken ist es wichtig, dass sie nicht oft allein gelassen werden, sonst leidet das Verhältnis darunter, und sie nehmen es einem übel, wenn sie vernachlässigt werden“, sagt sie. Ebenso solle es vermieden werden, einen Falken lautstark zu kritisieren. „Ein Falke ist stolz und unbeugsam, deswegen sollte man nie schimpfen, sonst kann das zu einem Vertrauensbruch in der Beziehung führen“, fügt Rogge hinzu. Der Sakerfalke ist die zweitgrößte Falkenart der Welt und in Ungarn und Österreich am stärksten vertreten. Da die Greifvogelart stark gefährdet ist, weil ihr Lebensraum zerstört wird, werden in Ungarn Nisthilfen auf Strommasten angebracht.

Die Jagd, die Tiere und die Natur haben Elke Rogge schon als Kind fasziniert. Aus diesem Grund traf sie die Entscheidung, den Jagdschein zu machen und auch direkt den Falkner-Jagdschein nachzulegen. Als sie im Unterricht tagtäglich mit den Vögeln praktisch arbeiten durfte, wurde sie sich ihrer Leidenschaft für die Falknerei bewusst. „Ich habe mich dann mit meinem Mann zusammengesetzt, der mich dabei immer unterstützt, und wir haben überlegt, ob wir einen Falken halten können“, erzählt Rogge. Denn so ein Falke braucht Platz und nimmt viel Zeit sowie Geld in Anspruch. Ebenso sei es kein Leichtes, überhaupt eine enge Bindung zum Tier herzustellen.

Wie Smilla den Weg zur Falknerin fand

Vor Smilla war Elke Rogge mit ihrer vorherigen Falken-Dame Ronja eng verbunden, die aber jung an Knochentuberkulose gestorben ist. Sakerfalken können 20 Jahre alt werden. Nach dem Tod von Ronja hatte Rogge sich eigentlich vorgenommen, keinen Falken mehr zu halten. Doch es kam anders: Eine Internetanzeige eines Falkners aus Österreich, der sich aufgrund einer Erkrankung nicht mehr um seinen Falken kümmern konnte, brachte Rogge und Smilla zusammen. „Ich wusste nicht, in welchem Zustand ich den Vogel dort vorfinden würde, wollte aber auf jeden Fall hinfahren und ihn mir anschauen – dann war es Liebe auf den ersten Blick“, sagt sie.

Mit neuen Strategien zum Erfolg

Seit Ende des vergangenen Jahres lebt die Falkin nun bei ihr und bestimmt ihren Tagesablauf – vor allem das Flugtraining auf dem Galgenberg ist dabei ein fester Bestandteil. „Als wir mit dem Training begonnen haben, flog Smilla nicht gerade elegant, das sah eher aus, wie wenn ein Huhn fliegt, aber mittlerweile ist sie wendig und kräftig“, sagt Rogge. Trainiert wird fast jeden Tag Freiflug, also Jagdtraining, oder andere Trainingsarten. Dabei lässt Rogge das sogenannte Federspiel – eine lederne Krähenattrappe –, auf der ein Stück Fleisch hängt und mit einer Schnur an einer Angel befestigt ist, durch die Luft kreisen. Sie versuche, es Smilla nicht jeden Tag allzu leicht zu machen, damit sie ständig motiviert bleibe, wieder anzugreifen. So entwickelt der Vogel immer neue Strategien, wie er seine Besitzerin beziehungsweise die Beute austricksen kann. Ziel des Trainings ist es, den Vogel für die gemeinsame Beizjagd auf Krähen vorzubereiten. Die Flugvorführungen der beiden können unter anderem auf der Alpakafarm in Nürtingen verfolgt werden. Nebenbei geht Elke Rogge zusammen mit Smilla an Schulen und möchte den Jugendlichen das Wesen der Falken näherbringen: „Falken sind eben nicht nur Vögel, sondern intelligente Tiere, die einen eigenen Charakter besitzen.“

Faszination Falke

Lesungen
Den Tod ihres Falken Ronja hat Elke Rogge in ihrem Buch „Mein Mensch und ich“ verarbeitet – dabei werden die Erlebnisse aus Sicht des Falken beschrieben. Dazu gibt sie Lesungen in Nürtingen: am Samstag, 17. Juni, um 15 Uhr in der Buchhandlung im Roten Haus und am Samstag, 29. Juli, um 17 Uhr im Café Plätschwiesle.

Greifvogelhilfe
Die Greifvogelauffangstation Falconis im Filstal nimmt verletzte Greifvögel und Eulen auf, um diese gesund zu pflegen. Verletzte und verunfallte Tiere können unter Telefon 01 78 / 1 11 29 54 gemeldet werden.

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