Wegen des Verdachts auf Mietwucher hat die Stadt Anzeige bei der Stuttgarter Staatsanwaltschaft erstattet. Die Strafverfolger prüfen nun, ob ein Ermittlungsverfahren eingeleitet und Anklage vor Gericht erhoben wird.

In Bad Cannstatt ist eine Ein-Zimmer-Wohnung mit 18 Quadratmetern zum Preis von 350 Euro an ein bulgarisches Ehepaar vermietet, das seinen Enkel in einer Notlage mit in die Wohnung aufgenommen hat. WC und Dusche liegen außerhalb der Wohnung, die müssen sich die drei mit den anderen Mietern im Haus teilen.

 

In Anbetracht des äußerlich erbärmlichen Zustands der Wohnung handelt es sich auch nach Einschätzung des Mietervereins um Mietwucher. Laut Mietpreisspiegel dürfte der Vermieter pro Quadratmeter allenfalls 20 Prozent mehr als 10,90 Euro verlangen, bezahlen muss die Familie aktuell aber rund 19,90 Euro kalt. Der Fall ist nun von der Stadt bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart angezeigt worden.

Auf Anfrage heißt es, dass die Mietverträge angefordert worden sind und die Staatsanwaltschaft „über den Verdacht des Mietwuchers informiert“ worden sei. „Es gibt allerdings noch keine abschließende Beurteilung, ob es sich um Mietwucher nach Strafgesetzbuch oder Mietpreisüberhöhung nach Wirtschaftsstrafgesetz handelt.“ Die Strafverfolger prüfen, ob ein Ermittlungsverfahren eingeleitet und Anklage vor Gericht erhoben wird.

Damit ist die Stadt nun weitergegangen, als ursprünglich angekündigt. Als unsere Zeitung im Mai über die Wohnung in Bad Cannstatt berichtet hat, vertrat die Stadt noch die Ansicht, dass die Ahndung von Mietwucher„keine städtische Aufgabe ist“; der betroffene Mieter müsse seine Interessen privatrechtlich durchsetzen, so lautete die Aussage. Über den Grund des Sinneswandels schweigt die Stadt.

Fest steht, dass es im Haus eine Überprüfung gegeben hat, und zwar am 14. Juni. Nach Angaben der Pressestelle habe das Baurechtsamt die Immobilie besichtigt, um festzustellen, ob sicherheitsrelevante Mängel bestehen. „Baurechtlich relevante Sicherheitsmängel wurden nicht festgestellt. Das Gebäude ist nach dem Ergebnis der Besichtigung zwar heruntergekommen, aber nicht gefährlich“, heißt es. Nur einen Mangel habe man gerügt: „Eine Lüftungsöffnung ist aus Brandschutzgründen feuerhemmend zu verschließen.“

Gegen die Zustände in der Wohnung, die von Bewohnern als unangemessen empfunden werden, habe die Baurechtsbehörde keine Handhabe, stellt die Stadt klar, und weiter: „Aufgabe der Baurechtsbehörde ist die Kontrolle auf feststellbare Gefahren.“ Diese sah sie nicht gegeben, obwohl, wie berichtet, Decken abgesprießt sind und der Mieterverein auch die Abwasserleitung und Elektroinstallation als „so sicher nicht zulässig“ eingestuft hat.