Ein Haus erben? Das klingt in einer Stadt wie Stuttgart erst einmal wie das große Los. Doch nicht jede Immobilie passt zum eigenen Lebensentwurf. Wir erklären, welche Fallstricke es rund ums Erben gibt und warum es sinnvoll ist, sich frühzeitig Gedanken zu machen.

Entscheider/Institutionen: Annika Grah (ang)

Auf mehrere hundert Milliarden Euro wird die Summe der Erbschaften jedes Jahr geschätzt. Und rund jedes zweite Erbe enthält eine Immobilie. Dabei ist nicht jedes Häuschen, das vererbt wird, auch ein Glücksfall. Rechtsexperten erklären, wo Stolperfallen liegen.

 

Vor dem Tod darüber reden

Je mehr geregelt ist, desto besser. Denn – so die Erfahrung von Fachanwalt Eberhard Rott: „Je weniger sich der Erblasser zu Lebzeiten mit dem Thema auseinandergesetzt hat, desto höher ist das Streitpotenzial.“ Und am besten spricht man auch mal mit seinen potenziellen Erben. Dazu gehört etwa die Frage, ob die Erben die Immobilie überhaupt wollen, sagt Rott, der auch Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Testamentsvollstreckung und Vermögenssorge ist. „Sind die Erben selbst nicht mehr die Jüngsten, muss die Immobilie saniert werden oder ist sie schwer zu vermieten?“ Dann wäre es schlecht, wenn im Testament der Verkauf verboten wird. Haben die Kinder vor, selbst in der Immobilie zu wohnen, können sie unter Umständen sogar die Erbschaftssteuer sparen. Und noch einen Rat hat der Anwalt: „Erteilen die Erblasser zu Lebzeiten eine notarielle Vollmacht, können sich die Erben frühzeitig um die Immobilie kümmern.“

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Ist Schenken immer günstiger als Erben?

Wenn klar ist, dass die Immobilie an Erben geht, hat die Schenkung zu Lebzeiten einen entscheidenden Vorteil: Der Beschenkte kann den steuerlichen Freibetrag unter Umständen mehrfach nutzen, weil der ihm alle zehn Jahre zur Verfügung steht.

„Eine Möglichkeit ist es, die Immobilie schon zu Lebzeiten an die Erben zu übertragen und ein Nießbrauchrecht einzuräumen“, erklärt Ulrich Wecker, Geschäftsführer von Haus und Grund Stuttgart. „Neben den Mieteinnahmen bleiben auch die Kosten für den Unterhalt und die Instandhaltung der Immobilie zunächst bei der Vorgängergeneration.“ Wertsteigernde oder substanzverändernde Maßnahmen oder eine Vollsanierung müssen allerdings immer mit den neuen Eigentümern ausgemacht werden.

Bei Einfamilienhäusern hingegen könne die vorzeitige Übertragung auch zu Problemen führen, ist seine Erfahrung: „Was passiert zum Beispiel mit dem lebenslangen Wohnrecht, wenn der oder die Bewohner ins Pflegeheim kommen?“

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Was, wenn sich die Erbengemeinschaften nicht einig wird?

Die Crux bei Erbengemeinschaften: sie können nur gemeinschaftlich handeln. „Das erfordert viel Abstimmung untereinander“, ist die Erfahrung von Haus- und Grund-Geschäftsführer Ulrich Wecker. „Nicht alle Erbengemeinschaften sind sich grün – das setzt sich dann in der Bewirtschaftung fort.“ Die letzte Ausstiegsmöglichkeit, wenn die Miterben zum Beispiel einem Verkauf nicht zustimmen, ist die Teilungsversteigerung – die könne jedes Mitglied einer Grundstücksgemeinschaft also zum Beispiel auch Miterben oder Eheleute einläuten.

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Wann sollte man sich besser von der Immobilie trennen?

Das ist eine ganz individuelle Frage, vor allem bei Mehrfamilienhäusern. Als Vermieter sei man Kleinunternehmer, sagt Haus-und-Grund-Geschäftsführer Wecker. „Leben die Erben nicht vor Ort, spricht viel dafür, die Immobilien zu verkaufen, wenn man sie nicht von einem ortsansässigen Verwalter bewirtschaften lassen möchte“, sagt er. Angesichts der hohen Immobilienpreise in Ballungsräumen wie Stuttgart bleibe manchmal aber auch keine andere Wahl: „Erben mehrere Personen ein Grundstück, ist es häufig unmöglich, die anderen auszuzahlen.“ Doch davon hänge am Ende ab, ob man einziehen, sanieren oder verkaufen könne.

Beim Verkauf gibt es noch etwas zu beachten, sagt Stephanie Herzog, Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Erbrecht im Deutschen Anwaltverein: Wird das Haus an Dritte verkauft, sollte der Erlös nicht sofort verteilt werden, sondern auf ein Nachlasskonto fließen. Sonst haftet jeder Erbe für Nachlassverbindlichkeiten als Gesamtschuldner. Das heißt, jeder Gläubiger des Erblassers kann seine Ansprüche ihm gegenüber geltend machen.

Was muss ich tun, wenn ich das Erbe antrete?

„Als Miterbe gehen viele davon aus, dass sie automatisch ihren Anteil bekommen“, sagt Stephanie Herzog. Das sei aber nicht richtig. Der Nachlass müsse zwischen den Miterben verteilt werden, indem man die einzelnen Nachlassgegenstände aktiv verkaufe oder an einzelne Miterben übereigne. Die Ansprüche auf Grundstücke oder Immobilien müssen rechtzeitig geltend gemacht werden mit einem Übertragungsvertrag beim Notar. Der Eintrag im Grundbuch allein reiche nicht aus, da hier zunächst nur die Miterben gemeinsam eingetragen werden. Ein Grundstücksvermächtnis müsse binnen zehn Jahren geltend gemacht werden, sonst verjähren die Ansprüche. „Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn der Vater stirbt, einem das Haus vermacht, die Mutter aber noch länger lebt.“

Wie geht man mit potenziellen Mietern um?

Rechtsanwalt Rott empfiehlt, wenn es Mieter gibt, den Wechsel zeitnah zu kommunizieren, um klare Verhältnisse zu schaffen. „Die Mieterverträge laufen unverändert weiter. Aber bei einem Mieterwechsel sollte der Vertragspartner schon klar sein. Wenn das Mietverhältnis ungeklärt ist, kann der Mieter die Miete beim Amtsgericht hinterlegen.“ Ins Grundbuch muss der Eigentümer erst nach zwei Jahren eingetragen werden. Innerhalb dieses Zeitraums entstehen keine Umschreibungskosten.

Oder doch das Erbe ausschlagen?

„Direkte Nachkommen oder Ehepartner können bei bestimmten Beschränkungen durch den Erblasser das Erbe ausschlagen und erhalten dennoch die Hälfte des Pflichtteils – ohne die Kosten der Nachlassabwicklung“, sagt Fachanwalt Eberhard Rott. Ein Erbe muss binnen sechs Wochen nach Information vom Nachlassgericht ausgeschlagen werden.

Stephanie Herzog warnt davor, diese Entscheidung vorschnell zu treffen. „In der Regel kann man das gar nicht so schnell entscheiden.“ Oft könne es klüger sein, sich zunächst einen guten Überblick über die Immobilie zu verschaffen. Denn auch wenn man das Erbe angenommen hat, könne man die Entscheidung später noch einmal durch Anfechtung rückgängig machen. Und auch für das Ausschlagen eines Erbes könnten Kosten anfallen.

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