Seit zwei Jahren steigt die Zahl der Anrufe von falschen Polizisten extrem an. Um zu verhindern, dass noch mehr gutgläubige Senioren ihr Erspartes verlieren, bezieht die echte Polizei Geldinstitute mit ein.

Rems-Murr: Phillip Weingand (wei)

Rems-Murr-Kreis - Betrüger, die sich fälschlicherweise als Polizisten ausgeben – in Polizeimeldungen in ganz Deutschland kommen solche Fälle immer wieder vor. „Wir warnen inzwischen fast wöchentlich davor“, sagt ein Polizeisprecher des Präsidiums Aalen. Und dennoch ist die Masche offenkundig noch nicht jedem bekannt.

 

Am Dienstag ist es wieder geschehen: Kriminelle hätten beinahe zwei Senioren um ihr Erspartes gebracht. Diesmal traf es zwei Damen im Murrhardter Stadtteil Fornsbach, beide im Alter von mehr als 80 Jahren. Eine war von einem Mann angerufen worden, der sich als Beamter des Bundeskriminalamtes ausgab und versprach, zum Schutz des Eigentums der Dame ein „mobiles Einsatzkommando“ vorbeizuschicken. Im anderen Fall behaupteten Anrufer, das Geld der Frau sei auf der Bank nicht mehr sicher, da einige der Mitarbeiter dort mit einer Betrügerbande zusammenarbeiteten. Laut der Polizei drängten die Anrufer ihre Opfer am Telefon immer wieder dazu, ihnen Geld zu übergeben.

Falsche Polizisten: Die Fallzahlen explodieren förmlich

In beiden Fällen fiel schließlich Bankmitarbeitern auf, dass die Damen versuchten, „auffallend hohe Vermögenswerte“ abzuheben und sie den Kriminellen auszuhändigen. Doch nicht immer schreitet jemand ein: Laut dem Aalener Polizeisprecher haben Betrüger im Rems-Murr-Kreis mit der Masche allein in diesem Jahr bereits weit mehr als 100 000 Euro Schaden verursacht. Die Fallzahlen explodieren förmlich: „Schon von 2015 auf 2016 hatten wir eine Verdoppelung. Was das laufende Jahr angeht, waren wir schon Ende August auf dem Niveau des Vorjahres“, so der Sprecher.

Auch in anderen Landkreisen in der Region Stuttgart häufen sich solche Fälle: Allein am vergangenen Sonntag verzeichnete die Polizei in den Landkreisen Böblingen und Ludwigsburg 20 Anrufe von falschen Polizisten. In Göppingen gab es in den zurückliegenden zwei Wochen sechs Fälle.

Vor zwei Wochen ist in Waiblingen ein mutmaßliches Mitglied einer solchen Bande festgenommen worden. Auch hier war einem Bankmitarbeiter aufgefallen, dass eine 82-Jährige eine sechsstellige Summe abheben wollte – am Ende stellten echte Polizisten den Geldkurier.

Die Anrufe kommen in Wellen – Bankmitarbeiter werden gewarnt

Da sich offensichtlich immer wieder Senioren von den gerissen agierenden Banden beeindrucken lassen, gehört es zur Strategie der – echten – Ermittler, bei der Prävention Geldhäuser mit ins Boot zu holen. Deren Mitarbeiter werden gewarnt, damit die sich auf solche Fälle einstellen können. Dabei kommt den Behörden das Vorgehen der Kriminellen entgegen: In Wellen überfluten sie Seniorenhaushalte in einer bestimmten Umgebung, ein paar Tage später ist das Zentrum ihrer Aktivitäten wieder woanders. So kann die Polizei Bankmitarbeiter in einem aktuell besonders betroffenen Großraum gezielt sensibilisieren. Auch im Kampf gegen den – inzwischen von der Masche mit den falschen Polizisten so gut wie abgelösten – Enkeltrick haben Banken schon darauf gesetzt, ihre Mitarbeiter zu schulen.

Ein anderer Teil der Polizeiarbeit ist der Versuch, möglichst viele Senioren und ihre Angehörige über die Gefahr aufzuklären. Darüber, dass Polizisten niemals unter einer Notrufnummer anrufen – und schon gar nicht darum bitten würden, Geld auszuhändigen.

Die Aufklärung der Fälle ist jedoch schwierig: „Die Haupttäter sitzen regelmäßig im Ausland, dort agieren sie aus Callcentern“, erklärt der Sprecher. Hierzulande greifbar sind die Mittelsmänner und Kuriere, die von falschen Polizisten geschickt werden. Ob zum Beispiel der jüngst gefasste 40-Jährige über seine Hintermänner aussagt und die Ermittlungen damit voranbringt, wird sich zeigen.