Die Stadt Stuttgart muss den Eltern eines zweijährigen Buben keinen Schadenersatz für die Mehrkosten in einer teureren Privatkita bezahlen. Das Oberlandesgericht Stuttgart hat die Berufung zurückgewiesen. Es gebe keinen Rechtsanspruch auf eine günstige Kinderbetreuung.

Stuttgart - Die Stadt Stuttgart muss den Eltern des zweijährigen Noah (Name geändert) keinen Schadenersatz für die Mehrkosten in einer teureren Privatkita in Sillenbuch bezahlen. Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart hat eine entsprechendes Urteil des Landgerichts Stuttgart vom Dezember 2018 bestätigt und die Berufung von Noahs Eltern zurückgewiesen (AZ 4 U 15/19). Die Höhe der Kitagebühr sei bei der Erfüllung des Rechtsanspruchs ohne Belang, argumentierte der vierte Zivilsenat des OLG.

 

Die Stadt Stuttgart habe zwar ihre Amtspflicht verletzt, indem sie dem kleinen Noah trotz Rechtsanspruchs keinen Kitaplatz zur Verfügung gestellt habe. Doch letztendlich habe die Familie ja einen öffentlich geförderten Platz in der Sillenbucher Privatkita gefunden – diesen Platz hätte ebenso gut die Stadt ihnen vermitteln können. Zur Amtspflicht der Stadt gehöre es nur, einem Kind mit Rechtsanspruch auf Betreuung bei rechtzeitiger Anmeldung einen Betreuungsplatz zur Verfügung zu stellen – „unabhängig davon, ob die Beklagte insgesamt genügend Kapazitäten geschaffen hat oder nicht“, wie der OLG-Senat bereits in einer Verfügung argumentiert hat. Im Übrigen, so der Senat, könnten nicht die Eltern, sondern nur der kleine Noah selbst einen Anspruch auf Aufwendungsersatz geltend machen. Die Kläger hätten jedoch den ihnen selbst entstandenen Schaden geltend gemacht.

Klagender Vater: Gericht stellt der Stadt Freibrief für Umgehung des Rechtsanspruchs aus

Noahs Vater kann diese Argumentation nicht nachvollziehen. Denn somit müsse die Stadt ja keine weiteren Kitaplätze mehr schaffen, sondern könne auf Privatkitas verweisen. „Die Stadt umgeht den Rechtsanspruch, und das Gericht stützt das“, hatte er bereits nach dem Urteil des Landgerichts im Dezember 2018 moniert. Nun bleibt die Familie nicht nur auf den Mehrkosten für die deutlich teurere Privatkita sitzen – die kostet 1000 Euro im Monat, bei der Stadt kostet ein Platz nur 238 Euro – , sondern muss auch die Prozesskosten tragen. Eine Revision hat der Senat nicht zugelassen. Weil der Streitwert unter 20 000 Euro liege, sei auch eine Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof nicht möglich, erklärte ein OLG-Sprecher. Somit ist die Entscheidung rechtskräftig.

Laut Jugendamt hätten Noahs Eltern aber auch die Möglichkeit, bei der Stadt einen Antrag auf Übernahme der Mehrkosten zu stellen – allerdings müssen sie dann einen Einkommensnachweis vorlegen. Noch immer fehlen in Stuttgart rund 3000 Kitaplätze. Dazu kommt, dass Hunderte vorhandene Plätze wegen des Fachkräftemangels nicht besetzt werden können. Es fehlen mehr als 1000 Erzieherinnen. In vielen Kitas müssen Betreuungszeiten gekürzt werden.