Isabelle Huppert und Gérard Depardieu spielen trauernde Eltern, die nach dem Selbstmord ihres Sohnes einen Brief von ihm bekommen. Ist Depardieu, der in den letzten Jahren eher durch sein Privatleben Schlagzeilen machte, überhaupt noch in Form für Feinsinniges?

Stuttgart - Die Schuldfrage ist schnell geklärt. „Natürlich sind wir schuld“, sagt Gérard zu Isabelle, „wir sind seine Eltern.“ Die beiden haben ihren Sohn Michael verloren, der sich das Leben genommen hat. Seit Jahren sind die Eltern geschieden. Die Briefe des Verstorbenen bringen sie nun zusammen. Darin fordert Michael sie auf, sich sechs Monate nach seinem Tod an sieben Tagen für eine Stunde an verschiedene Stellen im kalifornischen Death Valley zu begeben, wo er ihnen erscheinen werde.

 

Für Gérard (Gérard Depardieu) ist das spiritueller Humbug. Isabelle (Isabelle Huppert) hingegen hofft inständig, es möge zur postmortalen Begegnung kommen. Die Gespräche unterm Sonnenschirm in glühender Mittagshitze sind stockend. Dennoch erkennt man in ihnen die verblasste Vertrautheit und leicht wiederzubelebende Genervtheit einer längst vergangenen Liebe. Aber in Guillaume Nicloux’ Outdoor-Kammerspiel „Valley of Love“ geht es nicht um die Wiedervereinigung eines trauernden Paares, sondern um die klaffende Leerstelle, die der Tod des Sohnes hinterlässt.

Fett vor lauter Unglück

Depardieu, der selbst einen Sohn verloren hat, ist mit all seiner wuchtigen Körperlichkeit präsent und stellt in der Hitze der Wüste seine Fettleibigkeit, in die sich das eigene Unglück eingeschrieben hat, offen zur Schau. Ihm gegenüber bietet die zierliche Huppert mit ihrer zart-zähen Physis den perfekten Gegenpol. Wie ihre beiden Figuren auf vollkommen unterschiedliche Weise mit den Trauer- und Verlustgefühlen ringen – das ist fein austariertes, großes Schauspielerkino, in dem jeder Satz wie gerade erst erdacht wirkt und die Emotionen sachte über Bande angespielt werden.

Valley of Love. Frankreich, Belgien 2015. Regie: Guillaume Nicloux. Mit Isabelle Huppert, Gérard Depardieu. 92 Minuten. Ohne Altersbeschränkung.