Mehr als 200 Milliarden Euro lässt sich der Staat das Wohl der Familien kosten. Aber die Geburtenraten bleiben niedrig, Betreuungsplätze sind rar. Die Regierung sieht dennoch große Fortschritte für Familien. Wir beleuchten die Facetten der Förderung.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - An einer Stelle hat die Familienförderung der Bundesregierung tatsächlich funktioniert: Kaum war die CDU-Politikerin Kristina Schröder, die anfangs noch Köhler hieß, zur Familienministerin befördert, da kündigte sich bei ihr Nachwuchs an. Nun ist sie Mutter eines kleinen Mädchens – und dient bei jedem ihrer Auftritte als leibhaftiges Beispiel dafür, dass sich ein stressiger Beruf doch irgendwie mit einem Leben mit Kind vereinbaren lässt. Ob die Förderpolitik auch jenseits der Familie Schröder in ausreichendem Maße Früchte trägt, steht dahin. Schon vor Jahren hatte die Regierung eine kritische Bilanz versprochen. Die wird jetzt offenbar erneut vertagt: auf die Zeit nach der nächsten Wahl.

 

Was tut der Staat für Familien?

Laut Regierung werden Familien auf 148 verschiedenen Wegen gefördert. Dazu kommen acht Maßnahmen, die Ehepaare unterstützen, ob sie nun Kinder haben oder nicht. Insgesamt geht es um mehr als 200 Milliarden Euro im Jahr. 125 Milliarden kommen gezielt Familien zugute; nur gut ein Viertel betrachtet der Staat jedoch als „Familienförderung im engeren Sinne“. Die größten Brocken sind das Kindergeld (2010 waren das 33,5 Milliarden Euro; dazu kommen Steuervorteile durch Kinderfreibeträge, insgesamt ergibt das eine Summe von fast 40 Milliarden Euro), das Elterngeld (4,6 Milliarden) und die beitragsfreie Mitversicherung von Kindern bei der Krankenkasse (16,1 Milliarden).

Insgesamt sind die familienbezogenen Leistungen gestiegen

Die steuerlichen Vorteile des Ehegattensplittings, von dem aber auch kinderlose Paare profitieren, belaufen sich auf rund 20 Milliarden Euro. Insgesamt sind die familienbezogenen Leistungen des Staates binnen fünf Jahren um fast 14 Prozent gestiegen. Der Anteil steuerlicher Privilegien an dieser Gesamtsumme ist eher rückläufig. Barleistungen haben ein größeres Gewicht gewonnen. Fünf Prozent der Wirtschaftsleistung insgesamt werden zu Gunsten der Familien aufgewendet.

Wozu das viele Geld?

„Wir wollen Familien so unterstützen, dass sie so leben können, wie sie das wollen“, sagt eine Sprecherin der Ministerin Schröder. Es gehe darum, „möglichst gute Lebensbedingungen für Familien mit Kindern“ zu schaffen, so formuliert der Regierungssprecher Steffen Seibert das Ziel der staatlichen Familienpolitik. Deren Wirksamkeit sei „nicht zu messen an der Steigerung der Geburtenrate“.

Stattdessen benennt das Ministerium als Zielvorgabe der eigenen Politik, die „wirtschaftliche Stabilität und soziale Teilhabe“ von Familien zu sichern, eine „bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ zu ermöglichen, Wahlfreiheit bei der Kinderbetreuung zu ermöglichen, den Kindern eine „gute Entwicklung und frühe Förderung“ zu gewährleisten und schließlich die „Erfüllung von Kinderwünschen“ zu begünstigen. Seibert sagt, mit Angela Merkels Kanzlerschaft seien „große praktische Fortschritte für Familien verbunden“ – etwa die Elternzeit, der Ausbau der Kindertagesstätten und der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kleinkinder. Die Bevölkerungsstatistik spiegelt keinen unmittelbaren Ertrag dieser Investitionen wider. Die Geburtenrate stagniert seit Jahren. 2010 war sie allenfalls geringfügig höher als zwanzig Jahre zuvor. Kurz nach der Wende wurden pro 1000 Frauen zwischen 15 und 45 Jahren 1332 Babys registriert, jetzt sind es 1393. Weil es aber insgesamt weniger Frauen im gebärfähigen Alter gibt, schrumpft die absolute Zahl der Geburten konstant: 1991 waren es 830 000, jetzt sind es noch 663 000.

Ist die Förderung sinnvoll?

Das Motto der Evaluation: „Gründlichkeit vor Schnellschüssen“

Schon zur Zeit der Großen Koalition hatte die damalige Familienministerin Ursula von der Leyen eine kritische Bilanz in Aussicht gestellt. Die schwarz-gelbe Regierung hat in ihrem Koalitionsvertrag eine „Gesamtevaluation ehe- und familienpolitischer Leistungen“ versprochen. 13 der 156 einschlägigen Fördertatbestände werden tatsächlich untersucht, darunter die wichtigsten Ausgabeposten.

Der Evaluationsprozess wurde 2009 in Gang gesetzt. Von Anfang an sei klar gewesen, dass er vier Jahre in Anspruch nehmen werde, so das Familienministerium. Im kürzlich veröffentlichten Familienreport 2012 heißt es, dass „erst Ende 2013 ein vollständiges Bild vorliegen wird“. Die Maßgabe laute: „Gründlichkeit vor Schnellschüssen“. Auf die Frage, ob mit einer Bilanz noch vor der Wahl zu rechnen sei, teilt das Ministerium mit, Ergebnisse würden „in diesem Jahr noch veröffentlicht“. Bis jetzt gebe es keine belastbaren Erkenntnisse. Anderslautende Berichte des Magazins „Spiegel“ werden dementiert.

Wo gibt es Reformbedarf?

Familienpolitik wird Wahlkampfthema

Die Familienpolitik wird eines der zentralen Themen im Wahlkampf sein. Sie ist eines der letzten Schlachtfelder ideologischer Auseinandersetzung. SPD und Grüne haben angekündigt, das Betreuungsgeld, das es vom 1. August an geben soll, postwendend abzuschaffen. Die Sozialdemokraten wollen zudem das Kindergeld für finanzschwache Familien zu Lasten besser verdienender Eltern erhöhen.

Der SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück macht sich für einen Umbau der Familienförderung stark. Er will das Geld eher in die Infrastruktur stecken. Auch die FDP denkt über grundlegende Reformen nach. Die Offenburger Abgeordnete Sibylle Laurischk, Vorsitzende des Familienausschusses, plädiert für ein „Kinderbasisgeld“, eine Art Grundsicherung für Kinder. Die Union wiederum will das Ehegattensplitting zu einem „Familiensplitting“ ausbauen.