Kristina Schröders familienpolitische Bilanz ist bescheiden. Mit einem provokanten Interview verabschiedet sich die Ministerin (CDU) nun aus dem Amt. Sie will künftig mehr Zeit für ihre Familie haben.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Welche Autorität die scheidende Bundesfamilienministerin Kristina Schröder im Amt erworben hat, wird in ihrem mutmaßlich letzten großen Interview deutlich. Der „Spiegel“ beginnt das Gespräch mit einer despektierlichen Frage nach ihrer beruflichen Zukunft: „Frau Ministerin, geht’s jetzt endlich heim an den Herd?“ Die 36-jährige Christdemokratin wird dem künftigen Kabinett nicht mehr angehören, egal welche Koalition darüber bestimmt. Sie verzichte auf eigenen Wunsch auf eine Rolle in der Regierung, heißt es offiziell. Manche in der Union sagen jedoch, Schröder habe frühzeitig geahnt, dass ihre Dienste nicht mehr gefragt sein könnten. Eine ihrer Hinterlassenschaften, für die sie sich ohne Herzblut eingesetzt hat, ist das Betreuungsgeld, von Spöttern auch Herdprämie genannt.

 

Schröders familienpolitische Bilanz ist bescheiden. Am meisten wird sie wohl mit Familienpolitik in eigener Sache in Erinnerung bleiben: Sie geht als erste Ministerin in die Annalen ein, die während ihrer Amtszeit ein Kind geboren hat. Zehn Wochen nach der Niederkunft saß sie wieder am Kabinettstisch. Jetzt blickt sie äußerst kritisch auf ihre Erfahrungen als berufstätige Mutter zurück. „Ich habe viele schöne Momente mit meiner Tochter verpasst“, sagt die Ministerin im Interview. „Oft hatte ich das Gefühl, zu wenig Zeit mit der Kleinen zu haben.“

Schröder hält sich für „keine Nur-Konservative“

Schröders Einsichten sind durchaus bedenkenswert. Unter frauenbewegten Geschlechtsgenossinnen wird sie damit freilich keine Freundinnen gewinnen. In diesen Kreisen ist die Unionistin, die von sich selbst sagt, sie sei „keine Nur-Konservative“, ohnehin verschrien. Kaum im Amt, hatte sie vermeintliche Grundweisheiten des Feminismus in Zweifel gezogen. Daran knüpft sie nun an: „Ich glaube, dass es Unterschiede zwischen Frauen und Männern gibt, die nicht nur anerzogen sind“, sagt Schröder. Ihr Abschiedsinterview legt den Schluss nahe, dass sie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf letztlich für eine Lebenslüge hält. Sie formuliert das natürlich weniger provokant: „Wir sollten bei der Frage nach Vereinbarkeit von Familie und Beruf ehrlicher sein.“

Schröders Ehrlichkeit klingt so, wenn sie von ihrer Tochter Lotte erzählt: „Im Moment explodiert bei ihr die Sprache, sie kann jeden Tag neue Worte sagen. Die hat einen richtigen Sprung gemacht, und ich habe das nicht mitbekommen! Das tut mir weh, und deswegen ist mir immer klarer geworden: Ich kann in meinem Leben noch viel erleben, aber diese besonderen Stunden mit meiner Tochter kommen nie wieder.“ Viele berufstätige Eltern werden ähnliche Erfahrungen gemacht haben.

„Frauenfeindlichkeit im Gewand von Intellektualität“

Aber Schröder geht noch einen Schritt weiter. Frauen hätten unter dem geschilderten Dilemma mehr zu leiden als Männer, sagt sie und verweist auf „ein besonderes Näheverhältnis oder Näheverlangen zwischen Mutter und Kind“. Für die Ministerin ist das „ein schmutziges Geheimnis in der Frauenpolitik“. Diese sollte nach ihrer Ansicht „nicht darin bestehen, Männer und Frauen so weit umzuerziehen, dass sie möglichst in allen Punkten dasselbe Verhalten an den Tag legen“.

Damit verfällt Schröder in die Diktion ihres vor anderthalb Jahren mit großem Aplomb veröffentlichten Buches, einer Art Kampfschrift gegen das „Diktat der Rollenbilder“ in familienpolitischen Debatten. Häme und Hasstiraden waren die Folge. Schröder spricht von „Frauenfeindlichkeit im Gewand von Intellektualität“. Doch sie bleibt unbeirrbar. Es gebe „keinen Standardlebensentwurf für alle“, bekräftigt die scheidende Ministerin. Sie stellt die richtigen Fragen, auch wenn man über ihre Antworten streiten mag.