Manuela Schwesig geht nach Schwerin, Katarina Barley wird Ministerin, Hubertus Heil wieder Generalsekretär – die Begeisterung über die notgedrungene Personalrochade hält sich in Grenzen.

Berlin - Ein persönlicher Schicksalsschlag führt zu einem Umbau des Bundeskabinetts und beschert der SPD keine vier Monate vor der Bundestagswahl einen neuen Wahlkampfmanager. Ausgangspunkt der Rochade ist Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering, bei dem Lymphdrüsenkrebs diagnostiziert worden ist, weshalb er sein Amt, in dem er erst vergangenes Jahr bestätigt worden ist, nach achteinhalb Jahren nicht mehr ausüben kann. „Ganz viel Kraft“ wünschte der gesamte SPD-Parteivorstand via Twitter, ehe er sich zügig mit den massiven personalpolitischen Folgen von Sellerings Krankheit befasste.

 

Martin Schulz als Vorsitzender der Sozialdemokraten war nach einem Telefonat mit Sellering seit Montagabend darüber im Bilde, dass er die Nachfolge von Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig würde regeln müssen. Der zurückgetretene Landesregierungschef nominierte nämlich die 43-Jährige als künftige Ministerpräsidentin in Schwerin, wo die stellvertretende SPD-Vorsitzende von 2011 bis 2013 bereits Ministerin war. Sellering bezeichnete seinen Personalvorschlag als „große Selbstverständlichkeit“, da er Schwesig stets als seine potenzielle Nachfolgerin gesehen habe.

Neue Bundesfamilienministerin wird, wie Schulz nach einem weiteren Telefonat mit Kanzlerin Angela Merkel am Dienstagnachmittag bekannt gab, Generalsekretärin Katarina Barley. „Das ist ein ganz bewegender Tag für mich“, teilte die 48-jährige aus Rheinland-Pfalz mit, die nach Ansicht nicht weniger in der SPD in das neue Amt „weggelobt“ wird. Ihr wird mitangekreidet, dass es dem Willy-Brandt-Haus nicht gelungen ist, den Schwung der Schulz-Nominierung Ende Januar zu bewahren – woraufhin drei Landtagswahlen verloren gingen. „In der Abteilung Attacke“, heißt es, „war bei ihr viel Luft nach oben.“

„Sie ist eine engagierte moderne Politikerin“

Nun soll Barley, die Tochter eines britischen Deutsche-Welle-Redakteurs und einer deutschen Ärztin, bis zur Bundestagswahl eines der Ressorts führen, die in der SPD als zentral für das eigene Profil gelten. „Nicht eine Sekunde“, so heißt es in der Parteizentrale, sei deshalb in Erwägung gezogen worden, das Amt nicht neu zu besetzen und vielleicht kommissarisch von einem anderen Kabinettskollegen abdecken zu lassen – obwohl so kurz vor der letzten Sitzungswoche in dieser Legislaturperiode keinerlei Gesetzesvorschläge mehr erarbeitet werden müssen. Wohl aber muss den potenziellen Wählern die sozialdemokratische Familienpolitik schmackhaft gemacht werden, was Barley nach Ansicht des baden-württembergischen Abgeordneten Johannes Fechner gut machen wird: „Sie ist eine engagierte moderne Politikerin, die selbst zwei Kinder hat, also mitten im Leben steht und deshalb weiß, wie Familien am besten gefördert werden können.“

Das Comeback von Heil überrascht manche Genossen

Für die Genossen noch bedeutsamer ist die Neubesetzung des Generalsekretärspostens. Weniger als vier Monate vor der Wahl, mitten in einer Phase sinkender Umfragewerte, müssen die Genossen einen neuen Wahlkampfmanager installieren. Deshalb war klar, dass es ein erfahrener Organisator sein muss, der das Willy-Brandt-Haus und dessen Mannschaft kennt. Dass Schulz’ Wahl auf Hubertus Heil fiel, der den Generalsposten schon in den Jahren 2005 bis 2009 innehatte, wurde in der Fraktionssitzung am Dienstagnachmittag dennoch mit einer gewissen „Überraschung“ aufgenommen, wie Teilnehmer berichteten. Zwar nennt ihn Fechner „einen absoluten Organisationsprofi“. Geschätzt wird auch Heils Wirtschaftskompetenz, weshalb FDP-Chef Christian Lindner ihn „einen vernünftigen Sozialdemokraten“ nennt. Gelobt wird zudem, dass Heil besser als Barley in den Kampfmodus schalten kann.

Gleichwohl gibt es Stimmen in der Partei, die sich nicht gerade vor Begeisterung überschlagen und vielleicht gehofft hatten, dass aus dem traurigen Anlass von Erwin Sellerings Krankheit noch eine Chance für einen personalpolitischen Paukenschlag hätte erwachsen können. „Vier Monate vor der Bundestagswahl verstehe ich, wenn der Parteivorsitzende nicht gerne experimentiert“, bewertet die SPD-Landeschefin Leni Breymaier die Situation.