Seit 90 Jahren bildet die Evangelische Diakonieschwesternschaft Familienpfleger in Korntal aus. Die Anforderungen haben sich im Laufe der Zeit verändert.

Korntal-Münchingen - Vor 90 Jahren sah die typische Familie anders aus als heute. Viele hatten nicht ein oder zwei, sondern vier, fünf oder sechs Kinder. Nach dem Ersten Weltkrieg arbeiteten immer mehr Frauen – und der Bedarf, jemanden zur Unterstützung für Kinder und Haushalt zu haben, stieg. Aus diesen Gedanken heraus initiierte Heidi Denzel 1926 die Ausbildung von Hausschwestern beim Evangelischen Volksbund, die den überlasteten Familien helfen sollten. Heute gibt es die Ausbildung noch immer, nur heißen die Schüler, die in Korntal ausgebildet werden, Familienpfleger, und aus dem Evangelischen Volksbund ist die Evangelische Diakonieschwesternschaft Herrenberg-Korntal geworden.

 

Vieles ist heute anders als vor 90 Jahren. „Die Familien haben sich verändert“, sagt Sandra Pfeifer. Die Sozialpädagogin ist Lehrerin an der Evangelischen Berufsfachschule für Haus- und Familienpflege in Korntal, wo die Pfleger ausgebildet werden. Eine große Herausforderung sei etwa, dass mehr Menschen psychisch erkrankten. Das Freizeitprogramm sei heute bei Kindern wie Eltern stramm getaktet, sagt Pfeifer. Strukturen, wie etwa ein gemeinsames Essen, fehlten oft. „Wir trainieren mit den Familien, dass man sich einmal am Tag sieht und miteinander über den Tag spricht.“

Die Familienpfleger greifen unter die Arme, wo unmittelbarer Bedarf besteht. Das kann bedeuten, mittags Essen zu kochen, den Kindern bei den Hausaufgaben zu helfen und sie später zum Fußballtraining zu fahren. Es kann auch bedeuten, nebenher zu putzen, Wäsche zu waschen und einzukaufen. Damit die vorwiegend weiblichen Kräfte tätig werden können, muss ein Arzt den entsprechenden Bedarf bescheinigen – etwa, weil sich eine Mutter das Bein gebrochen hat oder in Kur muss. Die Kosten übernehmen je nach Anlass die Krankenkassen oder das Jugendamt, wenn die Familien überfordert sind.

Die Schüler in Korntal werden in drei Jahren mit Fächern wie Hauswirtschaft, Pflege und Erziehung ausgebildet. Meist sind es Schülerinnen, seltener sind bis zu zwei Schüler dabei. Mehr waren es noch nie. Derzeit lernen 33 Schüler in Korntal – ein Durchschnittswert, wie Ulrike Leopold sagt. Leopold ist in der Schulleitung und erzählt, dass der Bedarf an Pflegekräften höher sei. „Aber viele wissen gar nicht, dass es den Beruf gibt.“ Korntal ist eine von nur zwei Ausbildungsstätten im Land.

Eine Herausforderung sieht der Schulleiter Andreas Löw in den Flüchtlingsfamilien, durch Sprachbarrieren und kulturelle Unterschiede. „Es wäre toll, wenn wir Auszubildende hätten, die sich damit auskennen“, sagt Löw – die könnten dann als „Multiplikatoren“ fungieren.