Rund 200 Milliarden Euro gibt der Staat jährlich für Familien aus. Die Regierung wollte alle Leistungen auf den Prüfstand stellen. Doch statt der lange erwarteten Bilanz haben Familien- und Finanzministerium ein Weiter-so verkündet.
Berlin - Von der Ursprungsidee ist nicht viel geblieben. Der frühere Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) versuchte schon im Jahr 2006, die damalige Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) für eine Bestandsaufnahme aller familienpolitischen Leistungen zu gewinnen. Passiert ist damals wenig. Ähnliches wiederholt sich nun in der schwarz-gelben Koalition. Die Regierung hat ein Dutzend wissenschaftlicher Studien in Auftrag gegeben. Dabei ist nach den Worten des Finanzministers Wolfgang Schäuble (CDU) aber nur herausgekommen, dass Vorurteile widerlegt würden. Die Überprüfung der ehe- und familienpolitischen Leistungen hat aus Sicht der Regierung ergeben, dass das Geld in der Familienpolitik gut angelegt sei. Die Regierung plant deshalb ein Weiter-so. Familienministerin Kristina Schröder und Kassenwart Schäuble sind sich einig, dass in der nächsten Wahlperiode das Kindergeld steigen und die Kinderfreibeträge erhöht werden sollen.
Damit macht die Politik das, was sie immer tut. Die Leistungen werden erhöht, doch die Frage, ob mit den Milliarden die Ziele erreicht werden, bleibt offen. Satte 200 Milliarden Euro gibt der Staat jährlich für 156 ehe- und familienpolitische Leistungen aus. Die bekanntesten Förderungen sind das Kindergeld, das Ehegattensplitting und die beitragsfreie Mitversicherung von Kindern in der gesetzlichen Krankenversicherung. Darüber hinaus gibt es viele weitere Hilfen wie den Kinderzuschlag für Geringverdiener oder das Wohngeld, das auch Familien zusteht. Erreichen alle diese Instrumente ihren Zweck? Die Regierung sagt Ja. Doch die Zahlen lassen Zweifel aufkommen. In den vergangenen 15 Jahren hat sich die Zahl der Familien um eine Million verringert: 2011 gab es noch 8,1 Millionen Familien. Begründet wird der Rückgang mit der demografischen Entwicklung.
Mehr Geld – mehr Kinder?
Familienministerin Schröder hegt berechtigte Zweifel, ob höhere familienpolitische Leistungen zu steigenden Geburtenraten führen. Die Regierung macht es sich in diesem Punkt dennoch leicht. Sie behauptet schlichtweg, alle Leistungen hätten sich bewährt. In vielen Fällen trifft dies auch sicherlich zu. Dass der Staat die Kinderbetreuung in der Kita bezuschusst, wissen Eltern zu schätzen. Ohne die staatliche Subventionierung müssten Familien mit Vorschulkindern im Schnitt 300 Euro monatlich mehr für die Betreuung ihrer Kinder bezahlen. Und die öffentliche Förderung führt nicht nur zu einer finanziellen Entlastung der Familien. Ohne die Zuschüsse zur Kinderbetreuung gingen laut der Evaluation 100 000 Mütter weniger einer Arbeit nach, weil die Kinderbetreuungskosten einfach zu hoch wären. Als Erfolg der Politik sieht Kristina Schröder an, dass die Erwerbstätigkeit der Frauen zunimmt.
In der Familienpolitik sei alles bestens, meint die Regierung. Schäuble stellte sich bei der gestrigen Präsentation des Berichts sogar als Bewahrer der vielen Fördertöpfe dar. Er erwarte sich nun eine Befriedung der Debatte. Dass der Finanzminister so wohlwollende Worte für die Familienpolitik findet, dürfte mit dem Wahlkampf zusammenhängen. Schäubles Vorgänger bewahrten sich in diesem Punkt jedenfalls einen kritischeren Blick.
Die Regierung will mit neuen Wohltaten bei den Wählern punkten. Die Familienministerin argumentiert, viele Leistungen würden unterschätzt. Das Ehegattensplitting bewahre rund 300 000 Familien in Deutschland davor, auf Hartz-IV-Niveau abzurutschen. Noch stärker sei der Effekt beim Kindergeld. Ohne Kindergeld wären ihrer Rechnung nach zusätzlich 1,3 Millionen Haushalte auf die Leistungen der staatlichen Grundsicherung angewiesen. Mehr als 80 Prozent der Familien halten Kindergeld, Elterngeld und den Kinderzuschlag für Geringverdiener für wichtig.
Kinderfreibetrag soll auf Erwachsenen-Niveau steigen
Die Regierung zieht daraus den Schluss, dass die bekannten Leistungen wie Kindergeld und Kinderfreibeträge heraufgesetzt werden sollen. Der Finanzminister kündigte an, den steuerlichen Kinderfreibetrag auf das Niveau eines Erwachsenen anzuheben. Zurzeit liegt das steuerliche Existenzminimum von Erwachsenen bei 8130 Euro; der Kinderfreibetrag beträgt 7008 Euro. Die Anpassung solle möglichst in einem Schritt erfolgen.
Damit plant die Regierung eine Entlastung für Familien in ähnlicher Größenordnung wie im Jahr 2010: Damals wurde das Kindergeld um jeweils 20 Euro erhöht, für das erste und zweite Kind zahlt der Staat seither 184 Euro monatlich. Der Kinderfreibetrag wuchs zu Beginn der Wahlperiode um rund 1000 Euro. Die Regierung plant eine weitere Aufstockung in dieser Größenordnung.
Schäuble bezifferte die Entlastung wie folgt: Eine Familie mit mittlerem Einkommen werde um ungefähr 250 Euro jährlich entlastet. Damit auch Familien bessergestellt werden, die wenig Steuern bezahlen, soll auch das Kindergeld erhöht werden. Um welchen Betrag dieses steigen soll, erklärte Schäuble nicht. Er erinnerte aber an die Kindergelderhöhung von 2010. Offenbar denkt Schäuble wie damals an ein Plus beim Kindergeld von 20 Euro monatlich. Die Kosten dafür schätzt das Ministerium auf rund fünf Milliarden Euro. Familienministerin Schröder sprach sich zudem dafür aus, Familien mit mehr als zwei Kindern stärker zu begünstigen.
Kleinere Korrekturen, aber keine Streichung von Leistungen
Im gesamten Leistungskatalog soll es jedoch – abgesehen von Kindergeld und Kinderfreibetrag – nur kleinere Korrekturen geben. Schröder sprach sich dafür aus, die Altersgrenzen bei familienpolitischen Leistungen zu vereinheitlichen. Beim Kinderzuschlag für Eltern mit geringem Einkommen soll ebenfalls nachjustiert werden. In der Praxis kommt es vor, dass Eltern bei Lohnerhöhungen den Anspruch auf den Kinderzuschlag verlieren. Schröder strebt hier großzügigere Regelungen an.
Leistungen will die Regierung nicht streichen. Die Familienministerin begründet dies damit, dass der Großteil der Förderung verfassungsrechtlich garantiert sei. Dazu zählt sie auch das Ehegattensplitting, das die Grünen und – mit Einschränkungen auch die SPD – verändern wollen. Die Regierung setzt dagegen auf Tradition.