Der VfB Stuttgart ist wieder erstklassig: 40 000 Fans haben bei einem Riesen-Picknick auf dem Cannstatter Wasen am Sonntag das Spiel des VfB gegen die Würzburger Kickers erlebt.

Digital Desk: Sascha Maier (sma)

Stuttgart - Ganz schön frech, diese Würzburger! Knapp zwei Stunden vor Anpfiff stürmen sie ein Abteil der S-Bahn Richtung Stadion und singen: „Ohne Würzburg wär hier gar nichts los!“ Beschimpfen die Augsburger, die Schweinfurter, die Stuttgarter. Aber auf dem Wasen ist es vorbei mit der Würzburgerei. „Wir steigen auf“, singen die VfB-Fans, „und ihr steigt ab!“

 

Papphalter fürs Bier sind praktisch

Eine Stunde vor dem Anpfiff sind schon 25 000 Fans auf dem Wasengelände. Alle müssen durch die Sicherheitsschleuse auf Höhe von Wasenwache und Veranstaltungsgesellschaft in.Stuttgart. „Gehen Sie bitte auch ganz nach links“, ruft ein Sicherheitsmann über die Lautsprecheranlage, „da ist noch alles frei, da sind noch 32 Schleusen.“ Der Ordner sagt: „Ein Blick in den Rucksack, bitte!“ Alles muss raus. Auch die Jacke. Man will ja keine Bengalos hier. In vier Minuten ist die Kontrolle erledigt.

Wie das? Die einen rein, die anderen raus? Tatsächlich: Dass der Platz schon Stunden vor Anpfiff so voll ist, hat seinen Grund. Stadionbesucher nutzen die Gelegenheit, vor dem Gang in die Arena vorzuglühen.

Bier für 4,50 Euro den halben Liter und Stadionwurst für 3,50 Euro dürfen beim Fanfest nicht fehlen, und so werden die Halbliterbecher gleich zu sechst in praktischen Papphaltern über den Wasen transportiert, damit die Flüssigkeitsversorgung stimmt. Und die Halter lassen sich auch noch als Bumerangs benutzen. Ganz vorne vor der großen Bühne hat Julia Müller mit ihren Freunden einen Platz gefunden. Sie sorgt nun für den Bier-Nachschub, die Freunde halten den Platz frei: „Wir sind extra früh gekommen und haben schon vor Spielbeginn drei Stunden in der Sonne gestanden.“

Schon vor dem Spiel ist die Stimmung bei den Fans ausgelassen:

Eine richtige Fan-Familie

Die Arnolds sind eine richtige Fan-Familie. Zu viert lassen sie sich das Spektakel auf dem Wasen nicht entgehen. Seit 1981 ist Jürgen Arnold VfB-Mitglied, die Meisterfeier 2007 erlebte er auf dem Schlossplatz. „Meine Tochter war mit dabei und gerade ein Jahr alt, beide Kinder sind im VfB-Strampler aufgewachsen“, sagt Arnold. Auf dem Wasen genießt der Stuttgarter die Atmosphäre. „Für mich ist es heute ähnlich emotional wie 2007. Im letzten Jahr haben wir gelitten, jetzt ist es wieder geschafft.“

Der VfB-Sponsor Mercedes-Benz-Bank beweist Weitsicht. Er verteilt kostenlos VfB-Fahnen. Die werden natürlich benötigt zum Wedeln, aber noch viel dringender als Sonnenschutz. Während der VfB in der ersten Hälfte lange braucht, bis er auf Touren kommt und nach gut einer halben Stunde das 1:0 erzielt, brennt die Sonne vom Himmel, und bei so manchem Fan nähert sich die Farbe des Gesichts der Farbe des Brustrings an. Auch Nicolai Poperl und seine Freunde leiden Not. „Wir sind heute um 10 Uhr in Remseck losgefahren, um einen guten Platz zu bekommen und haben vergessen uns einzucremen.“ Da hilft nur die Fahne, zweckentfremdet als Kopftuch bietet sie Schutz.

Alles ruhig, keine Zwischenfälle

Für etliche der jüngeren VfB-Fans ist die Aufregung samt der Hitze des Guten zu viel. Sie machen ein Nickerchen. Platz genug ist dafür. Die ungefähr 40 000 Menschen – so die offizielle Schätzung der Polizei während des Spiels – verteilen sich auf dem Wasen. So mancher zieht es dennoch vor, ein Zaungast zu sein. Hunderte reihen sich an der Mercedesstraße aneinander. Immer wieder haben sie allerdings Bildstörung, wenn eine Straßenbahn vorbeifährt.

Es ist geschafft. Nie mehr zweite Liga. Und Meister. Um 17.17 Uhr ist es so weit, der VfB ist aufgestiegen. Die Krönung des Riesen-Picknicks mit vier großen Leinwänden. Doch die Live-Übertragung endet jäh. Ein Klettermaxe hat einen Lautsprecherturm erklommen. „Wir machen erst weiter, wenn du runterkommst!“, sagt Moderatorin Petra Klein. Er klettert runter.

Sieg, Aufstieg und die Stimmung ist auf dem Höhepunkt:

Entspannt geht es zu. Zu eindeutig die Ausgangslage, zu klar der Spielverlauf. Man guckt, man schlendert, man sendet Bilder an alle Welt, man plaudert – und jubelt bei vier Toren und dem Schlusspfiff. Die Sache mit der Stadionstimmung eindeutig missverstanden haben aber einige Chaoten, die auf dem Wasen mehrere Rauchfahnen zünden und einen Böller werfen.

Dann wird’s erst einmal ruhiger. Viele gehen nach Hause. Dafür kommt Nachschub aus dem Stadion. Doch auch der ist erschöpft vom Feiern. Stadionsprecher Holger Laser gibt nun den Wasensprecher. Er versucht alles, doch die rauen Kehlen krächzen. Um 19.55 Uhr heizen die Jungs von Fanta Vier ein – bis um 20.34 Uhr endlich, der Mannschaftsbus auf den Wasen rollt. Die Fantas singen „Troy“ – und die treuen Fans feiern das Team. „Wir gehen in die erste Liga, um dort zu bleiben“, ruft Trainer Hannes Wolf. Ein Versprechen!

So könnte es immer sein, und Polizei-Einsatzleiter Thomas Engelhardt ist zufrieden: „Alles ruhig“, bilanziert er um 21.10 Uhr, „nur wenig sind mit dem Auto gekommen, keine Probleme, nirgends.“ Trotz der rund 100 000 Menschen im Stadion und auf dem Wasen ist auch DRK-Einsatzleiter Tobias Bosch entspannt. Für die 153 Helfer gibt es außer Schürfwunden und Kreislaufproblemen nichts Dramatisches. Seine Bilanz: Über 100 Hilfeleistungen, „doch nichts Ernstes“. Dan n gehen gegen 22 Uhr die Lichter aus. Kehraus. Zurück bleiben zigtausende zertretene Plastikbecher.