Das Kölner 1:0 über Mönchengladbach geht als stimmungslosestes Spiel in die Derby-Geschichte ein. Die Fans beider Lager sind ausnahmensweise einer Meinung und verweigern die Anfeuerung – weil sie sich gegängelt fühlen.
Köln - Die Laune von Jörg Schmadtke war miserabel, als er am späten Samstagnachmittag durch das Stadion von Köln-Müngersdorf marschierte. Der Kölner Manager wirkte derart ernst, dass irgendwann ein Reporter fragte, ob er diesen besonderen 1:0-Sieg gegen den Erzrivalen Borussia Mönchengladbach „völlig unemotional“ hinnehme. „So wie ich das heute hier erlebt habe: ja!“, erwiderte Schmadtke, aber das war nur die halbe Wahrheit. Eigentlich kochte er innerlich.
Die Kölner Ultras hatten diesen ersten Heimsieg des FC gegen Mönchengladbach seit mehr als zehn Jahren zu einer Veranstaltung mit stark begrenztem Unterhaltungswert gemacht. Wie angekündigt wurde auf jegliche Art der Unterstützung verzichtet, aus Protest gegen Strafen, die der Deutsche Fußball-Bund (DFB) nach den Ausschreitungen rund um die Derbys der vorigen Saison verhängt hatte: Die Kartenkontingente für den Gästeblock wurden reduziert, und die Tickets, die an Gladbacher Fans ausgegeben wurden, waren personalisiert. Im Rückspiel sind die Kölner Anhänger von diesen Sanktionen betroffen.
Schmadtke ist auch kein Freund dieser Strafen, aber die Reaktion der Ultras hatte ihm gar nicht gefallen. „Sie lassen die Mannschaft im Stich“, hatte der Manager unter der Woche gesagt, schließlich bestraften die Widerständler den Verein, die Spieler und den großen Rest des Publikums. Während sie den Entscheidern beim DFB, denen der Protest eigentlich galt, das Gefühl gaben, alles richtig gemacht zu haben. Denn so ein friedliches Derby hat es noch nie gegeben.
Die Falschen werden abgestraft
Als irgendwann ein Banner mit der Aufschrift „Schmadtke: Ruhig, ganz ruhig“ gehisst wurde, hob der Manager ironisch den Daumen. Der Protest der Kölner Fans wirkte wirr und richtete sich eindeutig gegen die Falschen. Denn kaum ein anderer Verein geht so wohlwollend mit seinen Problemfans um, wie die Kölner. Nun hatten die Ultras einen historischen Sieg zu einer ziemlich tristen Veranstaltung werden lassen. Der ganze Nachmittag war umgeben von einer Aura der Lähmung, die auch das Spiel auf dem Rasen prägte.
Zwar köpfte Anthony Modeste nach gut einer Stunde das Tor des Tages, das blieb aber der einzige Höhepunkt. „Es war sicher kein Spiel, das man sich nochmal 90 Minuten als Wiederholung anschaut“, sagte Kölns Marcel Risse. Ob die Energielosigkeit der Männer auf dem Platz tatsächlich mit der merkwürdigen Stimmung im Stadion zusammenhing, lässt sich natürlich nur schwer sagen. In jedem Fall war es ein Derby ohne Feuer.
Und zu den Seltsamkeiten dieses Nachmittags gehörte auch, dass der Verlierer Lucien Favre am Ende zufriedener wirkte als der Gewinner Schmadtke. „Wir haben kein schlechtes Spiel gemacht“, sagte der Schweizer Trainer der Borussia und behauptete: „Wir können etwas mitnehmen.“ Allerdings nicht in Form von Punkten oder Toren, der Club bleibt Tabellenletzter. Aber das Spiel sah ein wenig besser aus als die beiden schlimmen 0:3-Niederlagen gegen den Hamburger SV und in Sevilla. Das Spiel lief etwas flüssiger, „wir hatten 60 Prozent Ballbesitz“, sagte Favre, die Passgenauigkeit und die Passschärfe waren besser. Allerdings hatten auch diese Symptome eines zarten Aufschwungs einen entscheidenden Makel: Es handelte sich meist um Querpässe im Bereich der Mittellinie, die Offensivkraft Ibrahima Traoré stellte ernüchtert fest: „Wir hatten keine Torchance.“
Gladbacher Dominoeffekt
Der Grad der Zerstörung des fein austarierten Mönchengladbacher Angriffsspiels der Vorsaison hat in den vergangenen zehn Tagen gewaltige Ausmaße erreicht. Granit Xhaka lief von Mikrofon zu Mikrofon und sagte: „Wir müssen irgendwann mal lernen, ein Duell eins gegen eins zu gewinnen, das war heute spielentscheidend“. Hinter diesen Worten verbarg sich eine klare Kritik an Tony Jantschke, der die Flanke vor dem Gegentor hätte verhindern müssen. Nach nunmehr fünf Niederlagen in der Bundesliga scheinen also auch erste Konfliktherde innerhalb der Mannschaft aufzuflammen.
Der Sportdirektor Max Eberl warnte, das Team dürfe sich jetzt nicht auseinander dividieren lassen, „das wäre das Schlimmste“, und sprach von einem „ominösen Dominoeffekt“. Nach und nach haben sich all die hart erarbeiteten Erfolgsdetails der Vorsaison verflüchtigt. „Du hast kein Selbstvertrauen, dann gehst du nicht ins Dribbling, dann kommst du nicht vorbei, und dann entsteht eben auch keine Gefahr“, erläuterte Eberl. Das müsse nun „durchbrochen“ werden.
Und der Schlüssel zu diesem Durchbruch ist wie immer in solchen Fußballkrisen ebenso schlicht wie schwer erreichbar: Die Mönchengladbacher brauchen ein Erfolgserlebnis, das sie sich nun am Mittwoch gegen den FC Augsburg erspielen möchten.