Mit dem knallhart realistischen Mafiafilm „Gomorra“ ist der italienische Regisseur Matteo Garrone in Deutschland bekannt geworden. Nun legt er einen ganz anderen Film vor: vergnüglich erzählt er drei übel endende Märchen für Erwachsene.

Stuttgart - Drei Königreiche, vor langer Zeit: die Wissenschaft ist noch nicht viel mehr als Hokuspokus, die Liebe nur ein im Alltag untaugliches Konstrukt der Dichter, der menschliche Körper schutzlos frühem Verfall ausgeliefert. Was für eine schauerliche Vorstellung! Aber sie bietet viel Stoff für Matteo Garrones „Das Märchen der Märchen“, der Verfilmung von Giambattista Basiles „Pentameron“ aus dem 17. Jahrhundert.

 

Wer meint, fantastische Spinnereien seien nur dazu da, um unartige Kinder zu erschrecken, der irrt. Arg fern sind uns die Probleme der Figuren aus alten Kunstmärchen immer noch nicht. In drei Episoden erzählt Garrone („Gomorrha – Reise ins Reich der Camorra“) von überspannten Träumen und den Konsequenzen, wenn sie doch wahr werden. Ein Herrscherpaar mit unerfülltem Kinderwunsch stellt Dinge an, um einen Thronfolger in die Wiege legen zu können, die jegliche Vorstellung sprengen. So soll das von einer Jungfrau gekochte Herz eines Seeungeheuers der Königin (Salma Hayek) zur Schwangerschaft verhelfen. Der König (John C. Reilly) überlebt den Versuch nicht, das Tier zu jagen.

Ein Floh als Haustier

Im benachbarten Königreich Highhills hat der alleinerziehende Monarch (Toby Jones) seine Tochter (Jessie Cave) schon aus den Augen verloren. Der König hätschelt weltvergessen sein Haustier, einen riesigen Floh, während das wissbegierige Mädchen endlich die Welt erleben will. Dazu braucht sie einen Gemahl, den der Vater ihr aber ganz falsch heraussucht.

Der König von Strongcliffe (Vincent Cassel) ist weibstoll. Er verliebt sich in die süße Stimme einer Frau, deren Körper aber von Alter und harter Arbeit derartig entstellt ist, dass sie sich dem Herrscher nicht zeigen will. Zusammen mit ihrer Zwillingsschwester heckt Dora einen dreisten Plan aus, um den Makel zu überwinden.

Spott und Grauen

In nostalgischen, herrlich verschrobenen Bildern entblättert Garrone diese drei lose miteinander verbundenen Episoden. Trotz manch grausiger Details herrscht ein heiterer, gar spöttischer Ton. Vincent Cassel etwa hat sichtlich Freude in der Rolle des stets erotisierten Königs, der nur deshalb den runzligen Schwestern in die Falle tappt, weil er seine Triebe nicht unter Kontrolle bekommt. Und auch Toby Jones brilliert als selbstvergessener Narr, der die Liebe und Sicherheit seiner Tochter aus Unachtsamkeit aufs Spiel setzt.

Die Frauen agieren hier rationaler und versuchen ihre Geschicke selbst zu lenken. Doch es hilft nichts. In dieser Märchenwelt läuft nicht alles aufs glückliche Ende hinaus. Und gerade das ist das Schöne.

Das Märchen der Märchen. Italien, Frankreich, Großbritannien 2014. Regie: Matteo Garrone. Mit Salma Hayek, Vincent Cassel, Stacy Martin. 144 Minuten. Ab 12 Jahren.