Edle Kämpfer, wilde Zombies, furchtlose Raumschiffpiloten: Das Stuttgarter Festival Dragon Days widmet sich in Stuttgart wieder einmal crossmedial allem, was Fantasy-Fans wirklich Freude bereitet. Der Höhepunkt: ein Preis für den britischen Tolkien-Meisterzeichner Alan Lee.

Stuttgart - Sie sind ganz schön dumm, langsam und kulturlos, außerdem stinken sie gewiss fürchterlich – und trotzdem beherrschen sie die Welt. Die Rede ist von den Zombies der US-Fernsehserie „The Walking Dead“. Diese Untoten dominieren eben nicht nur die Erde innerhalb ihrer Serie, sondern auch die Popkultur. Noch immer ist die Langzeiterzählung um den Überlebenskampf der letzten Menschen die angesagteste Serie in vielen Märkten. Auch Stuttgarts Fantastikfestival „Dragon Days“, das von Donnerstag bis Dienstag diverse Orte der Stadt von ihrer Normalität erlöst, kommt an den Untoten nicht vorbei, dringt aber an den TV-Bildern vorbei zur Wurzel des Phänomens vor, zum Comicstrip des Texters Robert Kirkman und des Zeichners Charlie Adlard.

 

Adlard, seit der siebten Folge des 2003 gestarteten Projekts dabei, hat bislang über einhundertfünfzig Hefte gezeichnet, ist also ein Mann mit wenig Zeit. Bei den Dragon Days wird der fünfzigjährige Brite am 31. Oktober im Metropol-Kino ab 20.30 Uhr zeichnen und von der Arbeit an „The Walking Dead“ erzählen – sein einziger Deutschland-Termin. Die vielfach preisgekrönte Bodypainterin Julie Boehm wird mit einem Zombie-Live-Schminken die Brücke zur Fankultur schlagen, zur grassierenden Lust am ganz persönlichen Vorgeschmack auf eine grässliche Endzeit.

Alan Lee wird mit dem Preis der Dragon Days ausgezeichnet

Bodypainting dient hier nicht als hübscher Schauwert, den sich ein Eventdesigner als pfiffige Besonderheit einer Lesung ausgedacht hat. Bodypainting weist auf die grundlegende Besonderheit des von Tobias Wengert erfundenen und kuratierten Festivals hin. Die Dragon Days wollen nicht einfach Fans und Machern fantastischer Welten einen Treffpunkt bieten, sie wollen auch nicht bloß auf den Umstand hinweisen, dass der Südwesten historisch wie aktuell eine Wetterküche fantastischen Denkens ist. Das Festival will vor allem zeigen, dass gerade die Fantastik Schrittmacher transmedialen Erzählens und multimedialer Vermarktung ist. Sprich: eine Erfindung ist nicht lange und schon gar nicht ausschließlich an ein einziges Medium gebunden. Erzähler hier, Fans da probieren aus, was sich mit Ideen und Figuren alles anstellen lässt.

Mit dem diesjährigen Empfänger des Schwäbischen Lindwurms, des Fantastikpreises der Dragon Days, könnte man gewiss den klassischen Würdigungsabend veranstalten. Der 1947 geborene Brite Alan Lee ist ein großer Zeichner, dessen Schaffen sich zu einer schönen Diashow zusammenstellen ließe. Aber Lee ist mit Buchillustrationen berühmt geworden, mit dem Überführen von Fiktionen aus einem Kosmos in den anderen. Die größte Reichweite dürften seine Bilder zu Tolkiens Romanen erzielt haben, auch Peter Jackson hat ihn dann angeheuert, um visuelle Konzepte für die „Herr der Ringe“- und die „Hobbit“-Filme zu entwerfen.

„Mein Schatz“: Andreas Fröhlich, die deutsche Gollum-Synchronstimme, kommt

Genau darum rahmen die Dragon Days Alan Lee am Samstag ab 19 Uhr nicht einfach zwischen zwei Topfpflanzen auf der Bühne des Mozartsaals der Liederhalle ein. Das Festival nennt den Abend „Star Wars meets Gollum“ und bringt Andreas Fröhlich, den deutschen Synchronsprecher von Gollum in Jacksons Tolkien-Adaptionen, auf die Bühne, wo er den unglückseligsten aller Hobbits mit Worten zum Leben erwecken wird. Darüber hinaus wird diese Tolkien-Sphäre mit „Star Wars“ kurzgeschlossen. Denn der Festivalchef Tobias Wengert glaubt, dass zwischen global wirksamen Franchises die Wände schon längst durchlässig für Ideen und Konzepte geworden sind. Bei einem Star Wars Poetry Slam werden Valerio Moser, Nik Salsflausen und Nikita Gorbunov bekennen, was die Weltraumsaga ihnen bedeutet, und die Zeichner Ingo Römling, Artur Fast und Abdel Ameur werden dazu live zeichnen.

Zur Eröffnung sprechen am Donnerstag ab 20.30 Uhr in der Stadtbibliothek der deutsche Fantastikautor Kai Meyer („Merle und die fließende Königin“) und sein Kollege Björn Springorum über Weltenbau abseits der üblichen Realität. In den folgenden Tagen wird es unter anderem Einführungen in die Welt des Cosplay geben (28. Oktober, 16 Uhr, Stadtbibliothek), einen Vortrag zum Essen in japanischen Mangas nebst Cosplay-Demonstration (28. Oktober, 20 Uhr, Lindenmuseum) und eine Doppeltalentshow des Comic-Machers Erik Krieg: Am 30. Oktober um 16 Uhr präsentiert er im Merlin seinen Comic „Murder Ballads“ und trägt zur Gitarre auch die Lieder vor, die ihn inspiriert haben. Dass bei den Dragon Days insgesamt von Mörderballaden über Sozialdarwinismus in der Zombie-Endzeit bis hin zu den Massenschlächtern der Game-of-Thrones-Welt recht Finsteres im Zentrum steht, ist zwar unbestreitbar, aber kein Beleg für die Verrohung der Popkultur. Wie sagte schon Oscar Wilde? „Gute Menschen reizen die Geduld, böse Menschen reizen die Fantasie.“

Festival-Programm in Stuttgart

Heute würde mancher Verlag in einen Bieterwettbewerb um die „Walking Dead“-Comics einsteigen. Gesichert hat sich die Reihe der Ludwigsburger Cross-Cult-Verlag, wo auch der Fantastik-Comic „Saga“ und „Hellboy“ auf Deutsch erscheinen. Schöner als in „Game of Thrones“ sind Fantasy-Konzepte nie ins Fernsehen gekommen. Etliche Bilder stammen aus Stuttgart. Am 30. Oktober ab 20 Uhr zeigt Jörn Großhans von Mackevision im Museum am Löwentor, was er und seine Kollegen zur Serie beitragen. Am Donnerstag um 18.30 Uhr startet das Festival in der Stadtbibliothek mit einem Gespräch über Frauen in der Fantasy. Das Angebot im Netz unter www.dragondays.de.