Ubisoft hat Far Cry 6 veröffentlicht. Was ist neu in der Mischung aus Ego- und Schleichshooter, was leistet es technisch, und vor allem: Macht es Spaß?

Nachrichtenzentrale : Lukas Jenkner (loj)

Stuttgart - Exotische Landschaften, abgedrehte Wummen und Meuchelmorde aus dem Hinterhalt: Seit 2004 funktioniert der Spielemix von Far Cry bei der Spielergemeinde. Warum also sollte Publisher Ubisoft beim sechsten Teil, der Anfang Oktober erschienen ist, großartig etwas verändern?

 

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Und so können alle Fans, die den Shooter noch nicht angefangen haben, beruhigt sein. Auch auf der von einem brutalen Diktator beherrschten Insel Yara, Schauplatz von Far Cry 6, bleibt mehr oder weniger alles beim Alten. Warum das eine gute und eine schlechte Nachricht ist, wird nachfolgend erklärt.

Worum geht es?

In Far Cry 6 verschlägt es die Spielerin oder den Spieler auf die tropische Insel Yara, die mit viel Liebe zum Detail dem Kuba von heute nachempfunden ist. Es gibt betörend schöne Landschaften, von feuchter Hitze angeschmackte Tropenstädtchen, durch die wuchtige amerikanische Limousinen aus den 1950ern und -60ern rollen, und die trostlose Wellblechromantik verarmter Fischerdörfer in der Provinz.

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Das Problem von Yara ist „El Presidente“ Antón Castillo, ein ebenso charismatischer wie brutaler Diktator, der das Volk unterdrückt und seinen Reichtum aus einem Krebsheilmittel zieht, für dessen Erforschung die Menschen seiner Heimat qualvoll leiden müssen.

Die Spielerin oder der Spieler schlüpft in die Rolle von Dani Rojas, deren Geschlecht wahlweise männlich oder weiblich sein kann, und schließt sich der Untergrundbewegung Libertad an, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Yara von „El Presidente“ zu befreien.

Was folgt, ist eine lange Kette von Missionen, die über die ganze Insel führt, um Rebellengruppen zu vereinen, Regierungseinrichtungen zu sabotieren und allerlei anderes Aufständischenhandwerk zu verrichten. Parallel kann der Spieler zahlreiche Nebenmissionen erfüllen und mehr oder weniger sinnfreie Objekte einsammeln.

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Far-Cry-typisch steht den Spielerinnen und Spielern ein riesiges Waffenarsenal sowie ein umfangreicher Fuhrpark zu Lande, zu Wasser und in der Luft zur Verfügung. Die Waffen lassen sich mit allerlei Rohstoffen nach und nach aufrüsten. Neu sind die Supremos, eine Art Allzweckwaffe in Rucksackform, die mächtige Funktionen hat, aber nur sehr begrenzt eingesetzt werden kann, weil sie eine lange Aufladezeit benötigt.

Stärken

Das Far-Cry-Konzept funktioniert seit Jahren, und wer sich in den vorangegangenen Teilen wohl gefühlt hat, dem wird es in der sechsten Auflage nicht anders gehen. Ubisoft schraubt an Details und verschont die Spieler mit umwälzenden Innovationen. Die Inszenierung der Geschichte ist wuchtig und verteilt sich auf eine riesige Spielwelt, in der es immer etwas zu entdecken gibt.

Die Grafik ist atmosphärisch stimmig, das Gameplay flüssig. Ubisoft hat es geschafft, im Detail die Spielesteuerung noch einmal so zu vereinfachen, dass sich die Spieler aufs Wesentliche konzentrieren können und keine Tasten-Ketten auswendig lernen müssen, um bestimmte Aktionen auszulösen.

Der Spieler oder die Spielerin kann selbst entscheiden, ob er beziehungsweise sie bei Missionen heimlich vorgeht und einen feindlichen Kontrollpunkt einnimmt, indem man nach und nach die wachhabenden Soldaten aus dem Verkehr zieht, oder sich lieber mit lautem Getöse und glühendem Gewehrlauf durch die feindlichen Reihen pflügt. Im hohen Gras liegend und mit einem Scharfschützengewehr die Gegner anvisierend – da kommt bei Veteranen wieder echtes Far-Cry-Feeling auf.

Schwächen

Weil die großen Innovationen fehlen, sind die Schwächen von Far Cry 6 die alten Macken: Das Waffensortiment ist riesig, aber am Ende bleibt die altbekannte Kombination aus Pistole, automatischem Gewehr und Scharfschützengewehr, gelegentlich auszutauschen mit einem Raketenwerfer, mit der sich die meisten Aufträge erledigen lassen.

Die offene Welt ist so riesig wie nie, und Ubisoft hat sie vollgestopft mit Aufträgen, Missionen und Sammelobjekten, die von originell bis sinnlos reichen. Eine ganze Weile macht es Spaß, durch die offene Spielwelt zu kreuzen, aber früher oder später offenbaren sich wiederholende Elemente im Spieldesign, wie etwa die trutzigen Steintürme, die an Küsten und diversen Kontrollpunkten stehen und alle nahezu baugleich sind.

Die künstliche Intelligenz der Gegner ist durchwachsen. Wer einmal ins Visier gerät, wird schnell in die Enge getrieben. Wer sich günstig positioniert, kann allerdings in aller Ruhe einen Soldaten nach dem anderen ausschalten, weil diese ihm „brav“ vor die Flinte laufen.

Das womöglich größte Manko von Far Cry 6 aber ist der Umgang mit Gewalt, Grausamkeit und Brutalität. Ein Shooter ist kein Kindergeburtstag, aber ob der Meuchelmord mit der Machete jedes Mal durch den Kopf des Gegners gehen muss, inklusive Blutspritzer auf dem Visier, ist die eine Frage. Die andere stellt sich bei den Missionen und der Inszenierung der Handlung. Da fotografiert der Spieler Massengräber in Seen, vernichtet eine ganze Hundezucht wahlweise mit einem Flammenwerfer und steuert Kampfhähne in einer Arena. Zügellose Gewalt wie die Erschießung von Zivilisten passiert allerorten, bisweilen einfach im Hintergrund der eigentlichen Handlung.

Das alles mag die perversen Auswüchse einer lateinamerikanischen Horrordiktatur realistisch darstellen, aber im Kontext des Spiels, in dem man eine Minute nach einem Massaker zu Ricky-Martin-Sounds in den karibischen Sonnenuntergang gondelt, gleitet die Inszenierung ein ums andere Mal in obszöne Gewalt ab.

Fazit

Far Cry 6 lässt den Spieler mit zwiespältigen Gefühlen zurück. Die sechste Auflage liefert auf hohem Niveau, was eingefleischte Fans der Reihe lieben, echte Innovationen sind allerdings Fehlanzeige. Einen mehr als faden Beigeschmack hinterlässt der Umgang mit der Darstellung von Gewalt.

Auch wenn die Far-Cry-Formel nach wie vor zu funktionieren scheint: Ubisoft ruht sich auf lange verdienten Lorbeeren aus. In Sachen Atmosphäre, Originalität und Storytelling haben Publikumslieblinge wie „Ghost of Tsushima“ und „Horizon Zero Dawn“ längst die Nase vorn.

Far Cry 6 ist für alle gängigen Konsolen sowie den PC erschienen und kostet um die 50 Euro. Sondereditionen sind deutlich teurer.

Grafik 4 von 5 Sternen

Technik 5 von 5 Sternen

Atmosphäre 2,5 von 5 Sternen