Bei traditionellen Karnevalsvereinen im Kreis Böblingen steht der Spaß im Vordergrund, doch es gibt auch Regeln, an die sich die Narren halten. Von wilden Gruppen, bei denen es nur um Partys geht, distanzieren sie sich nicht erst seit dem Fall einer jungen Frau, die in einem Hexenkessel verbrüht wurde.

Böblingen - Die Narren im Kreis Böblingen sind zur Zeit schwer beschäftigt. In der heißen Phase der Fastnacht treiben sie es bunt – bei Umzügen, Bällen oder Rathausbesetzungen. Das sieht zwar nach Spaß aus, ist für die Ehrenamtlichen aber auch mit viel Arbeit verbunden. „Im Moment sind wir ständig unterwegs und treten jedes Wochenende auf einer anderen Bühne auf“, sagt Bela Stahl, der Vorstandsvorsitzende des Karnevalsvereins Grün-Weiß Böblingen. Sein Verein organisiert jedes Jahr den Rosenmontagsumzug in Böblingen. „Früher kamen noch nicht so viele zu dem Umzug, heute brauchen wir Ordner, die die Leute von der Straße zurückdrängen“, sagt Stahl.

 

Doch nicht nur für den Umzug interessieren sich immer mehr Menschen. Auch der Kinderfasching in Böblingen ist über die Region hinaus bekannt und lockte im vergangenen Jahr rund 1400 Kinder in die Kongresshalle. „Generell wächst das Interesse an unserem Verein“, sagt Stahl. Inzwischen müsse er kaum noch um Nachwuchs werben. „Wir sehen uns als einen Familienverein, in dem Kinder, Jugendliche und Erwachsene zusammen etwas unternehmen“, sagt Stahl.

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Im Kreis Böblingen gibt es vier Karnevalsvereine und fast 150 Narrenzünfte. In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Zahl der Gruppen, die organisiert sind und Masken tragen, in etwa verdoppelt. Doch nicht alle Gruppen teilen die gleichen Interessen. Während es den traditionellen Zünften auch darum geht, Brauchtum und Tradition zu wahren, sprießen Gruppen aus dem Boden, denen es nur um Partys geht. „Bei uns steht auch der Spaß im Vordergrund“, betont Stahl. Jedoch gebe es Regeln, die eingehalten werden müssten.

Kein Alkohol während der Auftritte

Auch die Gesellschaft Blau-Weiß Sindelfingen gibt ihren Mitgliedern eine klare Linie vor. „Während unserer Auftritte gibt es beispielsweise keinen Alkohol“, erklärt der Vorstandsvorsitzende Klaus Melchinger. Er sieht die Entwicklung, dass immer mehr kleine Gruppen aus dem Boden schießen, die keinem Verband angehören, kritisch. „Diese wilden Gruppen haben großen Zulauf, weil sie sich an keine Regeln halten müssen“, sagt Melchinger.

In Verruf geraten waren diese wilden Gruppen nach der Verbrühung eines Mädchens in einem Hexenkessel bei einem Fastnachtsumzug in Eppingen (Kreis Heilbronn). Die Hexengruppe, die den Kessel mit dem heißen Wasser getragen hatte, gehört keinem Verband an. Die Ermittlungen gestalteten sich nach dem Vorfall schwierig, da der Täter eine Maske getragen hatte und nur schwer identifizierbar war. „Bei unserem Umzug in Böblingen hätte das nicht passieren können“, sagt Stahl. Denn alle Hästräger erhalten einen sogenannten Laufbändel mit einer bestimmten Nummer, über die der Hästräger identifizierbar sei. Außerdem fühlen sich sowohl Grün-Weiß Böblingen als auch Blau-Weiß Sindelfingen verantwortlich für die Veranstaltungen, die sie organisieren. „Vor allem, wenn Eltern uns ihre Kinder anvertrauen, muss es gesittet zugehen“, findet Melchinger. Im Verein halte man sich strikt an Richtlinien.

Richtlinien gibt der Landesverband Württembergischer Karnevalvereine vor

Diese gibt der Landesverband Württembergischer Karnevalvereine vor. Wer dort Mitglied werden will, muss sich einer strengen Überprüfung unterziehen. Alkoholkonsum der Hästräger während eines Umzugs ist beispielsweise tabu. Erst nach einer zweijährigen Probezeit kann ein gemeinnütziger Verein als Mitglied aufgenommen werden. Dafür genießt er dann Vorteile, zum Beispiel, wenn es um Gema-Gebühren geht.

„Fastnacht bedeutet weit mehr, als nur eine rote Pappnase aufzuziehen“ betont Bernd Lipa, der Präsident des Landesverbands Württembergischer Karnevalvereine. Er kritisiert, dass es den „Spaßvereinen“ nicht um den historischen Hintergrund gehe. Dass diese Gruppen den alteingesessenen Narren die Mitglieder abspenstig machen könnten, glaubt er jedoch nicht: „Die verschwinden meist auch schnell wieder in der Versenkung.“ Der Landesverband erfreut sich an rund 59 000 Mitgliedern aus 143 Vereinen, darunter sind 15 000 Jugendliche. Vor zehn Jahren waren es nur etwa 44 000 Mitglieder.

Um bereits den Kindern die Fastnacht nahe zu bringen, besuchen die württembergischen Karnevalsvereine Kindergärten. „Das ist ja ein Teil unserer Kultur, die wir weitergeben wollen“, sagt Lipa. Damit sich keines der Kinder vor den Hexen erschrecke, dürften sie Masken und Häs anfassen. So gewappnet können sie unbeschwert die Umzüge und Feste genießen, bei denen in den närrischen Tagen wieder der Spaß im Vordergrund steht.