In Bad Cannstatt wird die Fasnet seit jeher feste gefeiert. Mittendrin seit 45 Jahren Panajotis Delinasakis. Sein Vater blieb einst der Liebe wegen in Stuttgart – die Liebe seines jüngsten Sohnes gehört der Fasnet.

Die Anzugtasche ist ziemlich groß. Kein Wunder, muss doch alles reinpassen, was Panajotis Delinasakis (59) so braucht im fast schon lebenslangen Dienst für die Kübler. Wobei er ja manches schon wie die Rüstung vom Schwerttanz und die Uniform vom Spielmannszug aussortiert hat. Aber es bleibt noch genug übrig. Was soll er denn nun fürs Foto anziehen? Der Anzug, der ihn als Küblerrat ausweist? Oder das Blätzles-Häs der Felben?

 
Die Narren sind los /PD

Die Fasnet ist da, da muss es natürlich das Kostüm sein. Liebe Kübler und Fasnetsfreunde, bitte nicht aufregen, wir nennen es jetzt ein einziges Mal ein Kostüm. Um den Nicht-Schwaben und faschingsfernen Lesern zu erklären, was ein Narrenhäs ist. Zusammengesetzt aus den braunen, grünen und roten Filzflecken, den Blätzle. Die Larve, die Maske aus Lindenholz, darf er nicht aufsetzen, man soll ihn ja erkennen. Anders als an der Fasnet, wo die Narren unerkannt umhertoben.

Benannt ist er nach dem Opa

Es muss aber auch das Häs sein, weil es sehr gut zu Delinasakis passt. „Ich habe den Schalk im Nacken“, sagt er. Nun behaupten das viele Menschen von sich, wer will schon ein Sauertopf sein? Aber tatsächlich lacht und grinst er die ganze Zeit. So ausgelassen kann doch kein Schwabe sein? Und na ja, man muss kein Sherlock Holmes sein, um herauszufinden, dass sich bei ihm Retsina und Sauerwasser mischen. Der Papa kam einst aus Griechenland nach Deutschland um zu studieren. Dort verliebte er sich, blieb in Stuttgart und bekam drei Kinder. Das Jüngste war Panajotis. Benannt nach dem Opa. Der aber in Saloniki gar nicht so glücklich war über die Ehe seines Sohnes. Mit einer Deutschen? 20 Jahre nach dem Krieg bluteten die Wunden in Griechenland noch. Dort hatten SS und Wehrmacht gewütet, unzählige Menschen ermordet. So richtig verwunden hat er die Entscheidung nie, erzählt Delinasakis über seinen Opa. Lange war Funkstille, er sah ihn erst wieder auf dem Totenbett. Und es klingt so banal, doch die Zeit heilt tatsächlich viele Wunden.

Mit seinem Vetter in Griechenland sei er befreundet, sagt Delinasakis. Und erst kürzlich sei sein 21 Jahre alter Sohn bei seinem Großcousin gewesen und mit ihm am Meer gewesen. Die Jungs sprechen Englisch, man mag und versteht sich.

Die Vergangenheit wirkt nach

Früher sei das schwieriger gewesen, sagt Delinasakis. Englisch sprach kaum einer, und er selbst konnte „leider“ kein Griechisch. Der Vater sei beruflich viel unterwegs gewesen und habe den Kindern nichts beibringen können. „Das bedauere ich, und jetzt kriege ich das nicht mehr hin. Zu alt“, sagt er und grinst. Aber er hat ja auch keine Zeit zum Lernen. da ist der Beruf als Ingenieur. Und dann das Ehrenamt bei den Küblern. Wenn er so erzählt, fragt man sich, ob sein Tag auch nur 24 Stunden hat.

Panajotis Delinasakis in Uniform Foto: Horst Rudel

Aber fangen wir vorne an. Als Bub lernt er Orgel. Als er im örtlichen Musikladen dann ein Instrument kauft, kommt er mit dem Verkäufer ins Gespräch. Der ist bei den Küblern aktiv, lädt den Jugendlichen mal ein, beim Spielmannszug vorbeizuschauen. Ende 1979 war das. Tja, und dann ist der Junge mit dem doppelten Migrationshintergrund, Vater Grieche und geboren in der Anna-Klinik im Westen, fortan ein waschechter Bad Cannstatter. Er spielt Piccolo-Querflöte, ist alsbald für die Hornisten und Pfeifer verantwortlich, wird Schriftführer, Vize-Abteilungsleiter und schließlich Küblerrat. Also im Führungsgremium des Vereins mit seinen 600 Mitgliedern.

Als Fischerstecher / Foto: Kraufmann/Thomas Wagner

Das macht er jetzt seit 33 Jahren. Aber damit war und ist er nicht ausgelastet. Zeitweise versuchte er sich im Schwerttanz, bis es keine Mitstreiter mehr gab, die Theatergruppe gründete er mit. Beim Fischerstechen zeigte er Standhaftigkeit. Und 2003 wurde er ein Felbe. Offiziell getauft natürlich mit Sauerwasser. Eingebrockt hatte ihm dies seine „große Klappe“.

Als man so beisammen saß und er lautstark sinnierte, was man so als Felbe besser tun könne, wurde er prompt zwangsgetauft. Natürlich musste er trotzdem den normalen Weg gehen, sich ein Jahr lang beweisen und empfehlen, bevor er sein Häs bekam. Was wiederum seine Kollegen vom Spielmannszug ärgerte, denn entweder konnte er als Musiker oder als Felbe mitlaufen.

Es lebe die Narrenfreiheit

Zuviel wird ihm das alles nicht. „Fasnet ist einfach schön“, sagt er. Ein guter Grund. Den er sogleich untermauert mit einer Abhandlung über die Rolle des Narren seit dem Mittelalter und in der fünften Jahreszeit. Ein griechischer Narr, da muss er grinsen, wenn man ihn so nennt. Tatsächlich hat er da fast ein Alleinstellungsmerkmal. Fürs europäische Narrentreffen haben sie mal recherchiert. Und in Griechenland dann eine Zunft gefunden. Doch Antwort haben sie von dort nie bekommen. Aber es leben ja genug Griechen in der Fasnets-Hochburg Bad Cannstatt. Und auch bei den Felben stecken längst Menschen aus aller Herren Länder unter dem Häs. „Die Fasnet ist ein verbindendes Element“, sagt Panajotis Delinasakis . Jedes Jahr nehmen sie zehn Felben auf. Anwärter gibt es weit mehr. Die Narrenfreiheit lockt. Auch Delinasakis will sie noch eine Weile genießen. Ein Ende ist nicht in Sicht. Seine große Anzugtasche wird so schnell nicht eingemottet.