Gutes Wetter, gute Stimmung: Bei schönstem Sonnenschein verfolgen am Dienstag 140 000 Zuschauer den farbenfrohen Narrenumzug durch die Innenstadt.

Stuttgart - Auf neuem Kurs von der Tübinger Straße über die Eberhardstraße bis zum Marktplatz haben sich am Dienstagmittag 50 Gruppen mit 1500 Teilnehmern in Bewegung gesetzt. Für ein von der Polizei beanstandetes Fahrzeug musste ein Ersatzwagen auf die Strecke.

 

Der Möbelwagen an der Spitze

Sonnencreme statt Regenschirm – so lautet der Slogan von Frank Pfauth, dem Mann mit dem goldenen Anzug, der vor dem Rathaus die Zuschauer auf den Faschingsumzug einstimmt. Sonne pur statt Dauerregen wie im vergangenen Jahr lockt die Massen, die sich zwischen den „Händen zum Himmel“, „Sweet Caroline“ und dem „Stern, der über Stuttgart steht“, auf die Karnevalisten und Narren aus dem Zug vorbereitet haben. Kurz vor 15 Uhr erreicht die Spitze mit dem Jubiläumswagen der Karnevalsgesellschaft Möbelwagen, die ihren elf mal elften Geburtstag feiert, den Marktplatz. Der Zug war auf neuem Kurs in der Tübinger Straße gestartet und führt über die Eberhardstraße auf den Marktplatz. Die Kinder freuen sich hier über die ersten Kamellen – 49 weitere Gruppen mit 1500 Teilnehmern folgen noch, die von 140 000 Zuschauern gefeiert wurden.

Kampf mit den Vorschriften

Fasching ist auch eine emotionale Angelegenheit. Und so ist Thomas Klingenberg, Präsident der organisierenden Karnevalsgesellschaft Möbelwagen, erst einmal ein bisschen verschnupft, als die Polizei ein Fahrzeug nicht zugelassen und dafür ein Ersatzauto nach strengem Check auf die Strecke geschickt hat. „Da ist ja eine Grenzkontrolle einfacher“, sagt Klingenberg in seiner ersten Erregung, weil immer mehr Wagen auf andere Umzüge ausweichen. Aber Klingenberg rudert ein wenig später wieder zurück und zeigt Verständnis für die Polizei. Unterstützung bekommt er von Bernd Lipa, dem Präsidenten des Landesverbands Württembergischer Karnevalsvereine, der den Umzug auf der Rathaustreppe verfolgt. „Die Vorschriften und Kontrollen werden immer heftiger“, sagt Lipa, der dieses Thema beim Empfang im Neuen Schloss von Narr zu Politiker auch schon mit Innenminister Thomas Strobl durchgekaut hatte. „Im Sommer setzen wir uns mal zusammen. Und dann schauen wir, was geht“, sagt Lipa.

Hexen und Exoten treiben es bunt

Es ist ein buntes Potpourri, das die Narren auf die Straßen zaubern. Richtig stark vertreten sind diverse Hexengruppen. Erstmals am Start ist das Stelzentheater Skaramouch, das ursprünglich aus Brasilien stammt und dem Umzug eine exotische Note verleiht mit seinen prachtvollen Kostümen. Bezaubernd sind auch diverse Garden in den Farben Lila, Rot, Grün und Blau der Filderer. Nebeneinander eingehakt bilden die 80 Mädchen und jungen Frauen eine beachtliche Kette von rund 100 Meter Länge. Für die schwäbisch-alemannische Fasnet stehen die Rechaspitzer der Narrenzunft Althütte. Als Rechaspitzer wurden die armen Leute verspottet, die sich ihren Lebensunterhalt damit verdienten, Rechen in Handarbeit herzustellen. Die traurigen Tage sind für sie aber längst vorbei – sie tragen ein farbenfrohes Blätzlehäs.

Bonbons für die Tübinger Straße

Als vom ersten Wagen in der Tübinger Straße Bonbons geworfen werden, wird gejubelt. Die beiden Clowns, die am Straßenrand stehen und zusehen, heißen Barbara Agliano-Kimmich und Kai Jännsch und haben schon viele Umzüge an eben diesem Fleck verbracht. „Weil jetzt die Strecke geändert wurde, können wir mal den Beginn des Umzugs sehen und nicht bloß den Schluss“, sagen sie. „Da hatten die Wagen früher immer schon keine Bonbons mehr.“ Jetzt ist in der Tübinger Straße schon nach kurzer Zeit der Boden mit buntem Einwickelpapier bedeckt.

Alles Konfetti schnell loswerden

Auf ihrem Weg schleudern einige Wagen so viel Konfetti wie möglich, weil sie es am Schlossplatz nicht mehr dürfen. Eine Hexengruppe hat ein randvoll gefülltes Wägelchen dabei. Eine Hexe stürzt zu einem Jungen in der ersten Reihe, schnappt sich seine Mütze, stopft sie mit Konfetti voll und setzt sie ihm wieder auf. Ein kleines Mädchen bekommt eine ganze Ladung in den Nacken und lässt es grinsend über sich ergehen. Doch nicht alle sind so begeistert von den Hexen. Drei rosa gekleidete Mädchen aus einer Grundschulgruppe stürmen tränenüberströmt zu ihrer Lehrerin. Eine Hexe hat ihnen die Blumen aus den Haaren geklaut. Ihre Betreuerin Sonja Greuter sieht es gelassen und tröstet sie. Die Stimmung beim Umzug findet sie super. „Besser als in den Jahren davor“, sagt sie, schnappt sich die Hand eines Kindes und tanzt.